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Die ordre public-Kontrolle im deutschen und russischen Schiedsverfahrensrecht

Praxisorientierte Zusammenfassung der wesentlichen ordre public-Anforderungen

von Evgen Antipin (Autor:in)
©2023 Dissertation 408 Seiten

Zusammenfassung

Der ordre public-Vorbehalt im Schiedsverfahrensrecht ist eine abstrakte Materie, die erst durch eine Aufarbeitung der legislativen Vorbereitungen zu den entsprechenden Regelwerken auf internationaler und nationaler Ebene sowie durch die Analyse der Rechtsprechung an Konturen gewinnt. In diesem Werk werden die einzelnen Materien geschildert, in denen ordre public-Verstöße angenommen werden, aber auch die übergreifenden Zusammenhänge herausgearbeitet. Insofern verdient der Ansatz des Verfassers, ein abstraktes Anwendungsmuster zu finden, durchaus Zuspruch. Er ist für eine rechtsvergleichende Arbeit, die deutsches und russisches Recht vergleichend behandelt, ein wertvolles tertium comparationis.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung und Aufbau
  • Kapitel 1: Grundlagen der ordre public-Kontrolle im Schiedsverfahrensrecht
  • A. Einführung in die Problematik der ordre public-Kontrolle
  • B. Definitionen des schiedsverfahrensrechtlichen ordre public
  • C. Funktionen des schiedsverfahrensrechtlichen ordre public
  • I. Machterhaltungs- und Gerechtigkeitsfunktionen
  • II. Nur Abwehr- bzw. negative Funktion des ordre public
  • 1. Deutsches Recht
  • 2. Russisches Recht
  • D. Arten des schiedsverfahrensrechtlichen ordre public
  • I. Verfahrensrechtlicher und materiellrechtlicher ordre public
  • II. Ordre public interne und ordre public international
  • 1. Notwendigkeit der Differenzierung zwischen ordre public interne und international
  • 2. Rechtslage in Deutschland
  • a) Allgemeine Unterscheidung zwischen dem ordre public interne und dem ordre public international
  • b) Besonderheiten des ordre public im Bereich des Europarechts
  • c) Kein ordre public transnational
  • 3. Rechtslage in der RF
  • a) Stellungnahme der Literatur
  • b) Vorgehen der Rechtsprechung
  • (1) Keine Unterscheidung hinsichtlich des materiellen ordre public
  • (2) Verfahrensmodalitäten als Rechtsgrundlage des prozessualen ordre public
  • E. Vergleich der ordre public-Kontrolle im Kollisions-, Anerkennungs- und Schiedsverfahrensrecht
  • I. Deutsches Recht: Kein einheitlicher ordre public des gesamten Zivilprozessrechts
  • 1. Anhaltspunkte für eine Übereinstimmung der Begrifflichkeiten
  • 2. Ordre public interne als gemeinsamer Begriff des Kollisions- und des Schiedsverfahrensrechts?
  • 3. Ordre public international als gemeinsamer Begriff des IZPR und des Schiedsverfahrensrechts?
  • II. Russisches Recht: Einheitlicher ordre public des russischen Zivilprozessrechts
  • F. Fazit zu Kapitel 1
  • Kapitel 2: Internationaler rechtlicher Rahmen der ordre public-Kontrolle
  • A. Begriff des public policy bzw. ordre public im UN-Übereinkommen 1958
  • I. Einführung in die Systematik
  • II. Ausgangspunkt des UNÜ 1958: das Genfer Abkommen 1929
  • III. Ordre public-Diskussionen im Rahmen der Entstehung des UNÜ
  • B. Ordre public-Einwand im Europäischen Übereinkommen vom 21.04.1961
  • C. UNCITRAL Modellgesetz 1985/2006
  • D. Fazit zu Kapitel 2
  • Kapitel 3: Einführung in das nationale Schiedsverfahrensrecht
  • A. Deutsches Schiedsverfahrensrecht und dessen Reform 1998
  • B. Einführung in das russische Schiedsverfahrensrecht
  • I. Allgemeine Zivilgerichtsbarkeit und Wirtschaftsgerichtsbarkeit in der RF
  • II. Rechtsgrundlagen des russischen Schiedsverfahrensrechts
  • III. Reform des Schiedsverfahrensrechts 2016 – Ziele und Ergebnis
  • IV. Novelle 2019 – Faktisches Verbot von ad hoc-Schiedsverfahren mit Schiedsort in der RF
  • Kapitel 4: Besonderheiten des deutschen und des russischen (Schiedsverfahrens-)Rechts mit ordre public-Relevanz
  • A. Besonderheiten des deutschen Rechts
  • I. Privilegierung des EU-Rechts
  • 1. Allgemein zur Privilegierung des EU-Rechts
  • 2. Volle Wirksamkeit des Europarechts im Allgemeinen
  • 3. Volle Wirksamkeit des Europarechts im Schiedsverfahrensrecht der EU-Mitglieder
  • a) Volle Wirksamkeit des EU-Rechts im nationalen Prozessrecht
  • b) Grundlegende Bestimmungen des EU-Rechts als ordre public – Eco Swiss
  • c) Erweiterung des Schutzbereichs um Individualinteressen – Verbraucherschutzrechtsprechung
  • d) Vollumfassender Schutz von Individualinteressen – Rechtsprechung zum Handelsvertreterrecht
  • e) Prognosemaßstab der ordre public-Widrigkeit infolge der EuGH-Rechtsprechung
  • f) Nationale Bereiche der überschießenden Gesetzgebung
  • 4. Zwischenergebnis zur vollen Wirksamkeit des EU-Rechts
  • II. Ansatz der vertretbaren schiedsgerichtlichen Lösung
  • B. Besonderheiten des russischen Rechts mit ordre public-Relevanz
  • I. Allgemeine Faktoren des modus operandi der russischen Rechtsprechung
  • II. Politisch verursachte Komplikationen im Schiedsverfahrensrecht
  • 1. Ukraine
  • 2. Krim
  • 3. Öl-, Erdgas- und Staatsunternehmen in den Schiedsverfahren mit hohem Streitwert
  • C. Fazit zu Kapitel 4
  • Kapitel 5: Prozessualer ordre public im Schiedsverfahrensrecht
  • A. Prozessualer ordre public im deutschen Schiedsverfahrensrecht
  • I. Kernbereich des europäischen prozessualen ordre public
  • 1. Art. 6 Abs. 1 EMRK als Kern des europäischen prozessualen ordre public
  • 2. Vereinbarung des Schiedsverfahrens als Verzicht auf Art. 6 Abs. 1 EMRK
  • a) Maßgebliche Verzichtsvoraussetzungen als ordre public-Schranken
  • (1) Voraussetzungen des Verzichts auf Art. 6 Abs. 1 EMRK
  • (2) Verzichtsvoraussetzungen als ordre public-Schranken
  • (3) Rechtlicher Gehalt der Verzichtsvoraussetzungen
  • (3a) Tatbestandsmerkmal „freiwillig“
  • (3b) Tatbestandsmerkmal „eindeutig“
  • b) Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK bei faktisch zwingender Schiedsgerichtsbarkeit
  • (1) Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines faktisch zwingenden Schiedsgerichts
  • (1a) Allgemein zur Garantie der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
  • (1b) Anwendungsmaßstab im Lichte der Pechstein-Entscheidung
  • (2) Schiedsgericht als „auf Gesetz beruhendes Gericht“
  • (3) Faires Verfahren im engeren Sinne
  • (3a) Schutz gegen willkürliche Entscheidungen und Begründungsanforderungen des EGMR
  • (3b) Rechtliches Gehör
  • (3c) Waffengleichheit und kontradiktorisches Verfahren
  • (3d) Zusammenfassung zum fairen Verfahren im engeren Sinne
  • (4) Öffentliche Schiedsverhandlung
  • (5) Verhandlung innerhalb einer angemessenen Frist
  • c) Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK bei freiwilliger Schiedsgerichtsbarkeit
  • (1) Denkbare Reichweite des Verzichts auf Art. 6 Abs. 1 EMRK
  • (2) Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in freiwilligen Schiedsverfahren
  • (3) Faires Verfahren im engeren Sinne
  • d) Vergleich der zwingenden und der freiwilligen Schiedsgerichtsbarkeit
  • 3. Ausschluss der Verletzung des fairen Verfahrens durch prozessuales Unterlassen
  • 4. Weitere prozessuale Garantien des Art. 47 Abs. 2 EU-GRCh
  • a) Recht auf wirksamen Rechtsbehelf und effektiven gerichtlichen Rechtsschutz
  • b) Unabhängigkeit und Unparteilichkeit im Lichte der EuGH-Rechtsprechung
  • 5. Zwischenergebnis zum Kern des prozessualen ordre public gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK
  • II. Der deutsche Rechtsstandard des fairen Verfahrens
  • 1. Rechtsquelle des deutschen Rechtsstandards des fairen Verfahrens
  • 2. Zusammensetzung der Garantien des fairen Verfahrens
  • 3. Rechtliches Gehör
  • a) Anspruch auf rechtliches Gehör im Allgemeinen
  • b) Zulässigkeit von Säumnisentscheidungen gemessen am rechtlichen Gehör
  • (1) Schiedsgerichtliche Säumnisentscheidungen im inländischen Schiedsverfahren
  • (2) Schiedsgerichtliche Säumnisentscheidungen im ausländischen Schiedsverfahren
  • c) Zwischenergebnis zum rechtlichen Gehör im deutschen Recht
  • 4. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Schiedsgerichts
  • a) Maßstab der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
  • b) Sonderfall: Verbandsschiedssprüche und Aberkennung der Schiedssprucheigenschaft
  • c) Unklare Lage bezüglich weiterer Voraussetzungen eines echten Schiedsspruchs
  • 5. Willkürverbot und Begründungserfordernisse eines Schiedsspruchs
  • 6. Ausschluss der Verletzung des fairen Verfahrens
  • 7. Zwischenergebnis zum deutschen Rechtsstandard des fairen Verfahrens im Schiedsverfahrensrecht
  • III. Sonstiger prozessualer ordre public im Zusammenhang mit fehlendem Parteiwillen
  • 1. Verurteilung trotz fehlenden Parteiwillens als ordre public-Verletzung
  • 2. Ausschluss von Verfahrensfehlern im Zusammenhang mit fehlendem Parteiwillen
  • a) Genehmigungs- und Heilungsmöglichkeiten
  • b) Einwand des venire contra factum proprium
  • c) Präklusionsrechtsprechung bezüglich der fehlenden Schiedsvereinbarung (aufgegeben)
  • 3. Grundsatz ne ultra petita
  • 4. Grundsatz res iudicata und Verkennung der Grenzen der Rechtskraft
  • 5. Zwischenergebnis zum Parteiwillen als Bestandteil des ordre public
  • IV. Sonderrechtsgebiet Insolvenzrecht und fehlender Parteiwille
  • 1. Zuordnung des Insolvenzrechts zum ordre public
  • 2. Beurteilungsmaßstab des ordre public-tauglichen Insolvenzrechts
  • V. Schutz vor Rechtsmissbrauch als Bestandteil des ordre public
  • 1. Restitutionsklage nach § 580 ZPO im Schiedsverfahrensrecht
  • a) Tatbestand der Restitutionsklage als Bestandteil des schiedsverfahrensrechtlichen ordre public
  • b) Besonderheiten von § 580 Nr. 1–5 ZPO: Verfahrensbetrug und dessen Nachweisvoraussetzungen
  • c) Unklare Rechtslage hinsichtlich § 580 Nr. 7b) ZPO
  • 2. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB als Bestandteil des ordre public
  • 3. Ordre public-Relevanz dieser Rechtsbehelfe
  • VI. Voraussetzung der konkreten Auswirkung einer ordre public-Verletzung
  • VII. Fazit zum prozessualen ordre public im deutschen Schiedsverfahrensrecht
  • B. Prozessualer ordre public im russischen Schiedsverfahrensrecht
  • I. Rechtlicher Gehalt des staats- und schiedsgerichtlichen Rechtsschutzes
  • II. Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK im russischen Schiedsverfahrensrecht
  • 1. Stellung des Völkerrechts im russischen Rechtssystem
  • 2. Voraussetzung der formalen Anerkennung
  • 3. Inkorporierung der EMRK in die russische Rechtsordnung
  • 4. Konkrete Vorgaben zum Rechtsstandard gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK im russischen Recht
  • 5. Beschränkung der EMRK-Rezeption auf freiwillige Schiedsgerichtsbarkeit
  • 6. Zurückhaltende Einstellung der RF in politisch sensiblen Bereichen
  • III. Einfachgesetzliche Verankerung des prozessualen ordre public und ihre Rechtsfolgen
  • 1. Tragende Grundsätze des Schiedsverfahrens als Bestandteil des ordre public
  • 2. Legalitätsgrundsatz
  • a) Allgemein zum Legalitätsgrundsatz
  • b) Volle Überprüfbarkeit des schiedsgerichtlichen Vorgehens am Beispiel der Vorschriften des Kollisionsrechts
  • c) Wiederaufnahme des Verfahrens
  • d) Schutz vor Zweckentfremdung der Schiedsgerichtsbarkeit
  • e) Zwischenergebnis zum Legalitätsgrundsatz
  • 3. Grundsatz der Vertraulichkeit
  • 4. Garantie des unabhängigen und unparteilichen Schiedsgerichts
  • a) Allgemeiner Maßstab der schiedsgerichtlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
  • b) Strukturelle Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts
  • c) Persönliche Voraussetzungen der Schiedsrichter als Bestandteil des ordre public
  • d) Schiedsverfahren unter Beteiligung von sanktionierten Personen
  • e) Ausschluss des Befangenheitsvorwurfs
  • f) Zwischenergebnis zur Garantie des unabhängigen und unparteilichen Schiedsgerichts
  • 5. Dispositivitätsgrundsatz
  • a) Rechtlicher Gehalt des Dispositivitätsgrundsatzes
  • b) Fehlende Schiedsvereinbarung
  • (1) Allgemein zur fehlenden Schiedsvereinbarung
  • (2) Vereinbartes Streitbeilegungsverfahren vor Schiedsklageerhebung
  • (3) Estoppel (venire contra factum proprium) bzgl. der fehlenden Schiedsvereinbarung
  • c) Drittschutz
  • (1) Allgemein zum Drittschutz
  • (2) Insolvenzrecht
  • d) Schiedsgerichtliche Säumnisentscheidungen und Möglichkeit der Einflussnahme
  • e) Zwischenergebnis zum Dispositivitätsgrundsatz
  • 6. Grundsatz des kontradiktorischen Schiedsverfahrens
  • a) Allgemein zur Garantie des kontradiktorischen Charakters des Schiedsverfahrens
  • b) Schiedssprüche mit vereinbartem Wortlaut
  • c) Zwischenergebnis zum Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens
  • 7. Grundsatz der Gleichberechtigung
  • IV. Voraussetzung der Auswirkung einer ordre public-Verletzung und deren Unterbrechung
  • 1. Auswirkung einer Verletzung des prozessualen ordre public
  • 2. Unterbrechung der Auswirkung einer ordre public-Verletzung
  • V. Fazit zum prozessualen ordre public im russischen Schiedsverfahrensrecht
  • C. Vergleich des deutschen und des russischen prozessualen ordre public
  • Kapitel 6: Materieller ordre public im Schiedsverfahrensrecht
  • A. Übereinstimmender materieller ordre public im deutschen und russischen Schiedsverfahrensrecht
  • I. Rechtsmaterien, die nicht zum materiellen ordre public gehören
  • 1. Deutsches Recht
  • 2. Russisches Recht
  • II. Schutz des Allgemeinwohls als Bestandteil des ordre public
  • 1. Deutsches Recht
  • a) Allgemein zu öffentlichen Rechtsgütern von besonderer Bedeutung für den deutschen Staat
  • b) Missachtung und Zweckentfremdung von grundlegenden Rechtsinstituten
  • 2. Russisches Recht
  • a) Allgemein zu öffentlichen Rechtsgütern von besonderer Bedeutung für den russischen Staat
  • b) Russische und ausländische Sanktionen
  • III. Grundrechte als Bestandteil des ordre public
  • 1. Deutsches Recht
  • 2. Russisches Recht
  • IV. Strafrecht, Verbotsgesetze und zivilrechtlicher Rechtsschutz vor Rechtsmissbrauch
  • 1. Deutsches Recht
  • a) Schutz vor direkter Pflichtenkollision
  • b) Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB im Zusammenhang mit Strafrecht und Verbotsgesetzen
  • 2. Russisches Recht
  • a) Rechtliche Unmöglichkeit
  • b) Strafrecht
  • c) Sittenwidrigkeit gemäß Art. 169 ZGB RF
  • V. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Bestandteil des ordre public
  • 1. Deutsches Recht
  • 2. Russisches Recht
  • B. Abweichender materieller ordre public im deutschen und russischen Schiedsverfahrensrecht
  • I. Deutsches Recht – Zwingendes Europarecht einschließlich dessen Umsetzung
  • II. Russisches Recht – Schiedsfähigkeit als Bestandteil des russischen ordre public
  • 1. Allgemein zur Schiedsfähigkeit
  • 2. Streitigkeiten mit öffentlich-rechtlichem Einschlag
  • 3. Immobilienrechtliche Streitigkeiten
  • 4. Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten
  • C. Vergleich des deutschen und des russischen materiellen ordre public
  • Kapitel 7: Ordre public in den Systemen des nationalen Schiedsverfahrensrechts
  • A. Aufhebungsverfahren und ordre public-Kontrolle
  • I. Aufhebungsverfahren im deutschen Recht unter dem Blickwinkel der ordre public-Kontrolle
  • 1. Aufhebungsgründe
  • 2. Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des Aufhebungsverfahrens
  • 3. Exklusivitätsverhältnis zwischen den dispositiven Aufhebungsgründen und dem ordre public?
  • 4. Prozessuale Präklusion des Aufhebungsverfahrens einschließlich des ordre public
  • a) Zielrichtung der Präklusion des § 1059 Abs. 3 ZPO
  • b) Frist von drei Monaten als Begründungsfrist
  • c) Mögliche Kürzung der Präklusionsfrist und ordre public
  • 5. Rechtskraft der Aufhebungsentscheidung
  • 6. Zwischenergebnis zum ordre public im deutschen Aufhebungsverfahren
  • II. Aufhebungsverfahren im russischen Recht unter dem Blickwinkel der ordre public-Kontrolle
  • 1. Verfahrensgegenstand und Prozessführungsbefugnis
  • 2. Aufhebungsgründe
  • 3. Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des Aufhebungsverfahrens
  • 4. Exklusivitätsverhältnis zwischen den dispositiven Aufhebungsgründen und dem ordre public?
  • 5. Unterlassenes Aufhebungsverfahren und die Rechtsfolgen
  • 6. Ausschluss des Aufhebungsverfahrens im Voraus
  • 7. Verhältnis des Aufhebungsverfahrens zum inländischen Vollstreckbarerklärungsverfahren
  • 8. Zwischenergebnis zum ordre public im russischen Aufhebungsverfahren
  • B. Verfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen und die ordre public-Kontrolle
  • I. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen im deutschen Recht
  • 1. Inländische Schiedssprüche unter dem Blickwinkel der ordre public-Kontrolle
  • a) Anerkennung von inländischen Schiedssprüchen
  • (1) Allgemein zur Anerkennung von inländischen Schiedssprüchen
  • (2) Nichtigkeit von Schiedssprüchen als Anerkennungshindernis
  • (3) Schiedsspruchkategorien, die der Vollstreckbarerklärung bedürfen
  • b) Vollstreckbarerklärung von inländischen Schiedssprüchen
  • c) Darlegungs- und Beweislast
  • d) Verhältnis zu dispositiven Ablehnungsgründen und anderen Verfahrensarten
  • 2. Ausländische Schiedssprüche unter dem Blickwinkel der ordre public-Kontrolle
  • a) Anerkennung ausländischer Schiedssprüche
  • b) Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche
  • c) Darlegungs- und Beweislast
  • d) Kein Exklusivitätsverhältnis zwischen den dispositiven Aufhebungsgründen und dem ordre public
  • e) Bindungswirkung ausländischer Gerichtsentscheidungen im Verfahren nach § 1061 ZPO
  • (1) Verbot der Doppelexequatur bei ausländischen Vollstreckbarerklärungsentscheidungen
  • (2) Ausländische Entscheidungen, mit denen die Vollstreckbarerklärung abgelehnt wird
  • (3) Ausländische Gerichtsentscheidungen, mit denen ein Schiedsspruch aufgehoben wird
  • (4) Ablehnung des Aufhebungsantrags im Ausland
  • (5) Ausländische Gerichtsentscheidungen betreffend schiedsgerichtliche Zuständigkeit
  • (6) Entscheidungen bezüglich der Zusammensetzung des Schiedsgerichts
  • (7) Sonstige Entscheidungen ausländischer Gerichte
  • 3. Zwischenergebnis zum ordre public im deutschen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren
  • II. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen im russischen Recht
  • 1. Inländische bzw. rein nationale Schiedssprüche unter dem Blickwinkel der ordre public-Kontrolle
  • a) Erforderlichkeit des vollstreckungsfähigen Inhalts
  • b) Anerkennung von inländischen Schiedssprüchen
  • c) Vollstreckbarerklärung von inländischen Schiedssprüchen
  • d) Rechtsfolgen des unterlassenen Aufhebungsverfahrens und des Verzichts auf das Aufhebungsverfahren als solches
  • e) Darlegungs- und Beweislast
  • 2. Internationale Schiedssprüche unter dem Blickwinkel des ordre public-Einwandes
  • a) Anerkennung internationaler Schiedssprüche
  • b) Vollstreckbarerklärung internationaler Schiedssprüche
  • c) Darlegungs- und Beweislast
  • d) Bindungswirkung ausländischer Gerichtsentscheidungen im Vollstreckbarerklärungsverfahren
  • (1) Allgemein zu Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen in der RF
  • (2) Grundsätzlich keine Anerkennung von schiedsverfahrensrechtlichen Gerichtsentscheidungen
  • (3) Ausländische Gerichtsentscheidungen betreffend schiedsgerichtliche Zuständigkeit
  • (4) Sonstige Gerichtsentscheidungen mit Bezug auf Schiedsverfahren
  • 3. Zwischenergebnis zum ordre public im russischen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren
  • C. Ordre public und die im Zusammenhang mit Schiedsverfahren stehenden Sonderverfahren
  • I. Deutsches Recht: Ordre public und sonstige Sonderverfahren des 10. Buches der ZPO
  • 1. Ordre public und gerichtliche Kontrolle der Schiedsklausel gemäß § 1032 ZPO
  • a) Allgemein zur Schiedseinrede gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO
  • b) Schiedsverfahrensrechtlicher Maßstab des kollisionsrechtlichen ordre public-Einwandes
  • c) Strenger Prüfungsmaßstab des ordre public auf Einrede gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO
  • d) Darlegungs- und Beweislast
  • e) Präjudizielle Wirkung des Rechtsstreits im Zusammenhang mit § 1032 Abs. 1 ZPO
  • f) Ordre public und Feststellung der (Un-)Zulässigkeit des Schiedsverfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO
  • 2. Vorgehen gegen schiedsgerichtlichen Zwischenentscheid gemäß § 1040 ZPO
  • 3. Ordre public und Sonderverfahren für Bestellung und Abberufung von Schiedsrichtern
  • a) Bestellung des Schiedsrichters bei Überlegenheit einer Schiedspartei, § 1034 Abs. 2 S. 1 ZPO
  • b) Verfahren gemäß § 1037 Abs. 3 ZPO zur Ablehnung eines Schiedsrichters
  • 4. Ordre public und sonstige staatsgerichtliche Maßnahmen in Bezug auf Schiedsverfahren
  • a) Vorläufige und sichernde Maßnahmen gemäß §§ 1033, 1041 Abs. 2–4 ZPO
  • (1) Beantragung des Eilrechtsschutzes durch die Schiedsparteien
  • (2) Beantragung des Eilrechtsschutzes durch das Schiedsgericht
  • b) Gerichtliche Unterstützung des Schiedsverfahrens gemäß § 1050 ZPO
  • 5. Zwischenergebnis zum ordre public in sonstigen Verfahren des 10. Buches der ZPO
  • II. Russisches Recht: Ordre public und sonstige staatsgerichtliche Sonderverfahren
  • 1. Staatsgerichtliche Kontrolle der Schiedseinrede
  • a) Allgemein zur Schiedseinrede und dem ordre public
  • b) Darlegungs- und Beweislast
  • c) Rechtskrafterstreckung
  • 2. Staatsgerichtliche Kontrolle der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit
  • 3. Keine Berücksichtigung des ordre public in weiteren gerichtlichen Sonderverfahren
  • 4. Zwischenergebnis zum ordre public in sonstigen Verfahren des russischen Schiedsverfahrensrechts
  • D. Fazit zu Kapitel 7
  • Kapitel 8: Zusammenfassender Vergleich des ordre public im deutschen und russischen Schiedsverfahrensrecht
  • Anlage 1: Vorschriften des russischen Rechts (auszugsweise Übersetzung)
  • I. Verfassung der Russischen Föderation
  • II. Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation („ZGB RF“)
  • III. Wirtschaftsprozessordnung der RF („WPO RF“)
  • IV. Zivilprozessordnung der RF („ZPO RF“)
  • V. Bundesgesetz der RF „Über die Schiedsgerichte (Schiedsgerichtsbarkeit) in der Russischen Föderation“ vom 29.12.2015, Az. 382-FZ („SchGerG RF“)
  • VI. Bundesgesetz der RF „Über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit“ vom 07.07.1993, Az. 5338-I („IHG RF“)
  • VII. Bundesgesetz der RF „Über die Schiedsgerichte“ vom 24.07.2002, Az. 102-FZ („102-FZ“)
  • VIII. Bundesgesetzes der RF „Über internationale Verträge der Russischen Föderation“ vom 16.06.1995, Az. 101-FZ
  • Anlage 2: Zusammenfassungen ausgewählter Rechtssachen
  • I. Eco Swiss: EuGH, Urt. v. 01.06.1999, Az. C-126/97, curia.europa.eu
  • II. Ingmar: EuGH, Urt. v. 09.11.2000, Az. C-381/98, curia.europa.eu
  • III. Handelsvertreter-RiLi: OLG München, Urt. v. 17.05.2006, Az. 7 U 1781/06
  • IV. Pechstein: EGMR, Urt. v. 02.10.2018, Az. 40575/10 und 67474/10, BeckRS 2018, 23523
  • V. RusVerfG, Entsch. v. 18.11.2014, Az. 30-П, www.ksrf.ru (Auszug)
  • Anlage 3: Erarbeitungsverfahren des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958
  • I. ICC-Entwurf des UNÜ
  • II. ECOSOC/UN-Verfahren zur Ausarbeitung der Konvention
  • Literaturliste
  • Sachverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a. A.

andere Ansicht

a. F.

alte Fassung

Abs.

Absatz

AG

Amtsgericht

Alt.

Alternative

Anm.

Anmerkung

AnwZert HaGesR

AnwaltZertifikatOnline Handels- und Gesellschaftsrecht (online-Zeitschrift)

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

Ausg.

Ausgabe

Az.

Aktenzeichen

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

Bd.

Band

BeckRS

Beck-Rechtsprechung

Beschl.

Beschluss

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGE

Bundesgerichtsentscheide

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des BGH in Zivilsachen

BT-Drs.

Bundestagsdrucksachen

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des BVerfG

bzw.

beziehungsweise

CAS

Court of Arbitration for Sport

CDR

Commercial Dispute Resolution Magazine

DIS

Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V.

Drs.

Drucksache

DRRZ

Deutsch-Russische Rechtszeitschrift

ECOSOC

UN Economic and Social Council

EG

Europäische Gemeinschaft

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

Entsch.

Entscheidung

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuGRZ

Europäische GRUNDRECHTE-Zeitschrift

EuGVVO

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und Rates vom 12.12.2012

EuInsVO

Verordnung über Insolvenzverfahren, Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.05.2000

EuÜ

Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.04.1961

EUV

Vertrag über die Europäische Union

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

f. / ff.

folgende

Fn.

Fußnote

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

h. M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

i. d. R.

in der Regel

i. S. d.

im Sinne des / im Sinne der

i. S. v.

im Sinne von

IBA Guidelines

Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration

ICC

International Chamber of Commerce

IHG RF

Bundesgesetz der RF „Über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit“ vom 07.07.1993, Az. 5338-I

IHR

Internationales Handelsrecht

IPRax

Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts

IPRG

Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft

i. V. m.

in Verbindung mit

KG

Kammergericht Berlin

LG

Landgericht

lit.

littera

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

ML

Model Law

n. F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report

No.

number

Nr.

Nummer

NZKart

Neue Zeitschrift für Kartellrecht

oHG

offene Handelsgesellschaft

OG RF

der Oberste Gerichtshof der Russischen Föderation

OLG

Oberlandesgericht

OLGR

OLG Report (Hamburg)

OWG

das Oberste Wirtschaftsgericht der Russischen Föderation

Para.

Paragraph

RF

Russische Föderation

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft

Rn.

Randnummer

RusVerfG

Verfassungsgericht der Russischen Föderation

S.

Seite

s.

siehe

s. a.

siehe auch

SchiedsVZ

Die neue Zeitschrift für Schiedsverfahren

SchGerG

Bundesgesetz der RF „Über die Schiedsgerichte (Schiedsgerichtsbarkeit) in der Russischen Föderation“ vom 29.12.2015, Az. 382-FZ

Sec.

Section

SpuRt

Zeitschrift für Sport und Recht

u. a.

unter anderem

UN

United Nations

UNCITRAL

United Nations Commission on International Trade Law

UNIDROIT

International Institute for the Unification of Private Law

UNÜ

New Yorker Übereinkommen über Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche

Urt.

Urteil

vgl.

vergleiche

WPO RF

Wirtschaftsprozessordnung der Russischen Föderation

YBCA

Yearbook Commercial Arbitration

z. B.

zum Beispiel

ZfRV

Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung

ZGB RF

Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation

ZIP

Zeitschrift für Internationales Privatrecht

ZPO

Zivilprozessordnung

ZPO RF

Zivilprozessordnung der Russischen Föderation

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozess

Einleitung und Aufbau

„Public policy is in a way the last point of resistance to the autonomy of international arbitration.“

Emmanuel Gaillard und Domenico Di Pietro

Gegenstand der vorliegenden Dissertation ist das Rechtsinstitut der staatsgerichtlichen ordre public-Kontrolle von inländischen und ausländischen bzw. internationalen Schiedssprüchen im deutschen und russischen Schiedsverfahrensrecht.

Der Untersuchungsgegenstand ist beschränkt auf private Schiedsgerichtsbarkeit, also auf die Streitigkeiten zwischen Privatpersonen oder privatrechtlich agierenden Hoheitsträgern, die aufgrund eines Willensentschlusses auf dem Wege der Schiedsgerichtsbarkeit beizulegen sind. Diese Dissertation erfasst somit keine Mechanismen der ordre public-Kontrolle, die auf einer gesetzlich oder völkerrechtlich geregelten zwingenden Zuweisung zur Schiedsgerichtsbarkeit beruhen. Auch die schiedsgerichtliche Beilegung von sozial-, arbeits- und familienrechtlichen Streitigkeiten bleibt außer Betracht.

Diese Arbeit beruht im Wesentlichen auf dem Stand der rechtlichen und politischen Entwicklungen vor dem 24.02.2022. Die künftige Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland lässt sich momentan nicht vorhersagen, da sie vom künftigen politischen Willen der beiden Staaten abhängig ist. Als theoretisch denkbar erscheinen sowohl die Wiederaufnahme der Kooperation im früheren Umfang als auch der Abbruch jeglicher wirtschaftlichen und rechtlichen Interaktionen sowie das ganze Spektrum zwischen diesen zwei Extrema. Das aktuelle politische Geschehen wird nur berücksichtigt, sofern es mit einer gewissen Sicherheit die bereits vor dem Angriff auf die Ukraine bestehenden Tendenzen bekräftigt oder wenn das Thema dieser Dissertation ohne diese Informationen unverständlich wäre.

Das primäre Ziel dieser rechtsvergleichenden Arbeit ist es, ein abstraktes Anwendungsmuster der ordre public-Kontrolle im deutschen und russischen Schiedsverfahrensrecht zu entwickeln und diese zwei Rechtssysteme insofern gegenüberzustellen. Der Begriff „abstraktes Anwendungsmuster“ bedeutet in diesem Kontext einen Katalog von ordre public-Anforderungen, die im jeweiligen Rechtssystem Allgemeingültigkeit beanspruchen und deren Vorliegen oder Fehlen die Aufhebung des Schiedsspruchs oder die Verweigerung der Anerkennung zur Folge hat. Es schließt auch das System der Anwendung dieser Kriterien ein. Ein solches Anwendungsmuster soll ermöglichen, eine sichere Prognose hinsichtlich der künftigen, potentiellen Anwendungsfälle aufzustellen und, mit diesem Wissen ausgestattet, die ordre public-Verstöße vermeiden zu helfen.

Die Festlegung eines abstrakten, allgemein geltenden Anwendungsmusters des ordre public ist mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbunden. Zum einen bestimmt jeder Staat seinen ordre public selbst.1 Der rechtliche Gehalt des ordre public in einem Staat kann von den ordre public-Vorstellungen eines anderen Staates wesentlich abweichen, auch wenn die Staaten zu derselben – kontinental-europäischen – Rechtsfamilie gehören und Mitglieder derselben, für das Schiedsgerichtswesen maßgeblichen völkerrechtlichen Verträge sind. Zum anderen erscheint die ordre public-Kasuistik auf den ersten Blick eine Serie von einzelfallbezogenen, voneinander relativ unabhängigen Entscheidungen zu sein. Aus diesen Gründen wird argumentiert, eine praktisch anwendbare Definition des ordre public-Einwandes sei nicht möglich.2

Als Ausgangsbasis sind die Kenntnisse über den rechtsdogmatischen Charakter, die Funktionen, die Zielrichtung und die ordre public-Arten sachdienlich (Kapitel 1). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Forschungsobjekt dieser Arbeit der schiedsverfahrensrechtliche ordre public ist. Die kollisions- und anerkennungsrechtliche Thematik wird nur in Augenschein genommen, wenn sie mit der Kernfrage der Dissertation im Zusammenhang steht. Anschließend wird der völkerrechtliche Rahmen (Kapitel 2) dargestellt, sofern dieser die ordre public-Kontrolle adressiert.

Die allgemeinen Ausführungen zur Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland und Russland (Kapitel 3) vermitteln die notwendigen Hintergrundinformationen der ordre public-Kontrolle im jeweiligen Land. Im nächsten Schritt werden die Besonderheiten der beiden Rechtssysteme (Kapitel 4) gezeigt. Zu den Besonderheiten des deutschen Rechts gehört der Umgang mit den Normen und Rechtsgütern auf dem Gebiet des Europarechts. Es wird vertreten, dass zum deutschen ordre public international alle zwingenden Vorschriften des Europarechts und die auf solchem zwingenden Europarecht beruhenden nationalen Rechtsnormen gehören, soweit sie auf den schiedsverfahrensrechtlichen Streitgegenstand oder auf den Ablauf des Schiedsverfahrens anwendbar sind.3 Folgt man dieser Ansicht, führt ein Verstoß gegen das zwingende Europarecht zugleich zur Verletzung des deutschen ordre public. Zu den Besonderheiten des russischen Rechts gehören der allgemeine modus operandi der russischen Justiz und die Anwendung des ordre public in bestimmten, politisch gefärbten Konstellationen. Trotz einer ähnlichen Ausgangslage im deutschen und russischen Recht könnten diese zwei Faktoren den rechtlichen Gehalt des russischen ordre public erheblich beeinflussen.

Nach Erläuterung der Arten, der Funktionen, des völkerrechtlichen Rahmens des Einwandes und der Besonderheiten der Rechtsysteme ist als nächster Schritt die Analyse der ordre public-Kasuistik erforderlich. Ihr kommt große Bedeutung zu, weil der Kontrollmechanismus der ordre public-Kontrolle über dessen Schutzzweck definiert wird. Dies bedeutet nicht, dass ein rechtlicher Standard des Anwendungsbereichs des ordre public nicht festgelegt wurde oder ermittelt werden kann. Wie von Schwarz und Ortner zutreffend dargelegt, beziehen sich linguistische und logische Disziplinen bei der Dissektion abstrakter Begriffe häufig auf den Begriff oder die Idee, die ein Wort als „Signifikat“ hervorruft, oder auf seine „Intention“ und ein tatsächliches Auftreten dieses Begriffs in der realen Welt als sein „Bezugsobjekt“ oder seine „Erweiterung“; Zweck einer „Definition“ in solchen Fällen sei es, eine Verbindung zwischen dem Signifikat und der Erweiterung herzustellen, um so die Zuordnung spezifischer Ereignisse zu einem bestimmten abstrakten Begriff zu ermöglichen.4 Ausgedrückt in diesen Kategorien, ist es sachdienlich, einen wesentlichen Schwerpunkt dieser Dissertation in der Kasuistik des ordre public als „Bezugsobjekt“ im obigen Sinne zu setzen.

Um die Kasuistik des ordre public möglichst übersichtlich darzustellen, werden der prozessuale (Kapitel 5) und der materiellrechtliche (Kapitel 6) ordre public getrennt ausgewertet. Sowohl im deutschen als auch im russischen Recht bietet sich der Einstieg bei einer Fallgruppe, die unbestritten zum prozessualen ordre public gehört – dem fairen Verfahren gemäß Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 („EMRK“). Besondere Bedeutung gewinnt diese Fallgruppe dadurch, dass sie auf einem internationalen Rechtsstandard beruht,5 den beide Rechtssysteme beachten. Dies gilt auch für Russland trotz dessen Austritts aus dem Europarat, da der rechtliche Gehalt der EMRK zum festen Bestandteil der russischen Gesetze und der Rechtsprechung geworden ist. Anknüpfend an die Ausführungen zum Rechtsstandard des fairen Verfahrens werden die jeweiligen nationalrechtlichen Ausgestaltungen des prozessualen ordre public dargelegt. Anschließend werden der deutsche und der russische materielle ordre public analysiert und gegenübergestellt (Kapitel 6).

Der nächste Schritt zeigt, auf welchen Verfahrensstufen und inwiefern nationale Systeme des staatlichen Schiedsverfahrensrechts die ordre public-Kontorolle vorsehen (Kapitel 7). Dies lässt die Einsatzbereiche, Funktionen und rechtlichen Eigenschaften des Einwandes im Gesamtgebilde des jeweiligen Rechtssystems präziser beurteilen bzw. diese Forschungsergebnisse bestätigen.

Das letzte Kapitel (Kapitel 8) ist dem zusammenfassenden Vergleich der ordre public-Kontrolle in der deutschen und der russischen Rechtsordnung gewidmet.


1 Wolff, New York Convention, Art. V Rn. 480.

2 Hanotiau/Caprasse in: Gaillard/Di Pietro, S. 788.

Details

Seiten
408
Jahr
2023
ISBN (PDF)
9783631904527
ISBN (ePUB)
9783631904534
ISBN (Paperback)
9783631903605
DOI
10.3726/b20976
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Juli)
Schlagworte
Public-Vorbehalt im Schiedsverfahrensrecht Mehrere Verträge umfassende Streitigkeiten Public-Verstöße ordre public public policy Schiedsgerichtsbarkeit Schiedsverfahren staatsgerichtliche Kontrolle Anforderungskatalog Vollstreckbarerklärung Kriterienkatalog
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2023. 408 S.

Biographische Angaben

Evgen Antipin (Autor:in)

Evgen Antipin studierte Rechtswissenschaften an der Donezker Universität für Wirtschaft und Recht sowie an der Philipps-Universität Marburg. Das Rechtsreferendariat verbrachte er in Marburg und Darmstadt. Seine Promotion schloss er an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ab. Parallel zum Referendariat und der Promotion war Evgen Antipin als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Rechtsanwalt in einer Reihe von internationalen Anwaltssozietäten mit den Schwerpunkten im Schiedsverfahrensrecht und Compliance tätig.

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Titel: Die ordre public-Kontrolle im deutschen und russischen Schiedsverfahrensrecht
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