Lade Inhalt...

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot des GmbH-Geschäftsführers

Die rechtliche Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote im Lichte der verfassungs- sowie zivilrechtlichen Vorgaben und Prinzipien

von Sven Büttner (Autor:in)
©2023 Dissertation 524 Seiten

Zusammenfassung

Stellt der § 138 BGB das angemessene zivilrechtliche Mittel zur rechtlichen Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern dar? Um diese Frage zu beantworten, geht diese Arbeit zunächst der Frage der möglichen analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB zugunsten „arbeitnehmerähnlicher" Geschäftsführer nach. Im Weiteren erfolgt dann eine induktive Herleitung allgemeiner Rechtsgedanken der §§ 74 ff. HGB, auf deren Grundlage die Diskussion bezüglich der im Vergleich zur bisherigen Rechtsprechung sach- und systemgerechteren Konkretisierung des § 138 BGB sowie der möglichen teilanalogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB zugunsten aller Geschäftsführer geführt wird.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Erster Teil: Grundlagen
  • § 1 Einleitung
  • A. Untersuchungsgegenstand
  • B. Ziel und Gang der Untersuchung
  • § 2 Rechtsverbindungen zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer
  • A. Das Organverhältnis des Geschäftsführers
  • B. Verhältnis zwischen Organstellung und Anstellungsverhältnis
  • C. Die Rechtsnatur des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers
  • I. Rechtsprechung des BGH und BAG
  • II. Der Arbeitnehmerbegriff nach § 611a Abs. 1 BGB
  • III. Eigene Wertung
  • IV. Ergebnis und Ausblick
  • § 3 Beurteilungsmaßstab nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern
  • A. Rechtsprechung des BGH
  • I. Unanwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB
  • II. Anwendung des § 138 BGB in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG und unter Heranziehung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der §§ 74 ff. HGB
  • 1. Inhaltliche Grenzen im Anwendungsbereich des § 138 BGB
  • a. Gegenständliche Grenzen
  • b. Örtliche Grenzen
  • c. Zeitliche Grenzen
  • d. Wettbewerbsverbot im Konzernkontext
  • e. Karenzentschädigung
  • f. Anrechnung anderweitigen Erwerbs
  • g. Verzicht der Gesellschaft nach § 75a HGB analog
  • h. Lossagung vom Wettbewerbsverbot gemäß § 75 HGB
  • i. Bedingte Wettbewerbsverbote
  • 2. Rechtsfolge von Mängeln nach Maßgabe des § 138 BGB
  • III. Anwendbarkeit des AGB-Rechts
  • B. Verfassungsrechtliche Grundwertungen der Vertragsparteien
  • I. Verfassungsrechtlich geschützte Interessen des Geschäftsführers
  • II. Verfassungsrechtlich geschützte Interessen der Gesellschaft
  • 1. Verfassungsrechtlicher Schutz nach Art. 12 Abs. 1 GG
  • 2. Verfassungsrechtlicher Schutz nach Art. 14 Abs. 1 GG
  • III. Zwischenergebnis
  • C. Kritik- und Problempunkte hinsichtlich der Rechtsprechungspraxis
  • I. Überblick über die bestehende Kritik
  • II. Fazit
  • § 4 Grundlagen der richterlichen Vertragskontrolle und Rechtsfortbildung
  • A. Die richterliche Vertragskontrolle
  • I. Verfassungsrechtliche Vorgaben an die zivilrechtliche Inhaltskontrolle
  • II. Zivilrechtlicher Ausgangspunkt: das Vertragskonzept unserer Zivilrechtsordnung
  • III. Umfang der zivilrechtlichen Inhaltskontrolle
  • IV. Zwischenergebnis
  • B. Allgemeines zur richterlichen Rechtsfortbildung
  • I. Notwendigkeit und Zulässigkeit
  • II. Mittel der richterlichen Rechtsfortbildung
  • 1. Allgemeines
  • 2. Konkretisierung: noch Auslegung oder schon Rechtsfortbildung?
  • 3. Rechtsprinzipien und das „innere System“ unserer Rechtsordnung
  • a. Funktion und Charakter der Rechtsprinzipien und des „inneren Systems“
  • b. Herleitung der Rechtsprinzipien
  • C. Lückenfeststellung
  • I. Ausgangslage
  • II. Gesetzliche Lücke im Bereich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern
  • 1. Rechtsprechung des BGH und BAG
  • a. Rechtsprechung des BGH
  • b. Rechtsprechung des BAG
  • 2. Bestimmung und Feststellung der gesetzlichen Lücke
  • a. „Offene“ und „verdeckte“ Lücke
  • b. „Anfängliche“ und „nachträgliche“ Lücke
  • aa. „Anfängliche“ Lücke
  • bb. „Nachträgliche“ Lücke
  • cc. Zwischenergebnis
  • c. „Bewusste“ und „unbewusste“ Lücke
  • aa. Beredtes Schweigen des Gesetzgebers
  • (1) §§ 74 ff. HGB und § 110 GewO
  • (2) §§ 86 und 90a HGB
  • (3) Gesetzgeberische Initiativen bezüglich Wettbewerbsverboten mit AG-Vorstandsmitgliedern
  • (4) Gesetzgeberische Initiativen bezüglich Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern der GmbH
  • (5) Allgemeine gesetzgeberische Initiativen bezüglich Geschäftsführern der GmbH
  • (6) Zwischenergebnis
  • bb. Geplante Lücke aufgrund des § 83 HGB
  • cc. Fehlende Planwidrigkeit infolge der Billigung der Rechtsprechung oder der Anwendbarkeit des § 138 BGB
  • (1) Billigung der Rechtsprechung
  • (2) Gesetzeslücke im Sinne einer bewussten Delegationslücke
  • (3) Zwischenergebnis zur Planwidrigkeit der gesetzlichen Lücke
  • III. Zwischenergebnis
  • D. Ergebnis und Relevanz für den weiteren Fortgang der Arbeit
  • Zweiter Teil: Die analoge Anwendung der §§ 74 ff. HGB
  • § 1 Vergleichbarkeit der Interessenlagen
  • A. Ausgangslage
  • B. Meinungsstand zur Vergleichbarkeit der Interessenlage
  • I. Meinungsstand zur Bestimmung der Vergleichbarkeit der Interessenlage bei §§ 74 ff. HGB
  • 1. Meinungsstand der Rechtsprechung und der sich anschließenden Literatur
  • 2. Meinungsstand des anderen Teils der Literatur
  • a. Arbeitnehmerähnliche Geschäftsführer
  • b. Maßgeblichkeit der Gesellschafterstellung und Beteiligungsverhältnisse
  • c. Anwendung auf alle Geschäftsführer
  • d. Stellungnahme
  • II. Allgemeine Kriterien hinsichtlich der analogen Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften
  • III. Zwischenergebnis
  • C. Vergleichbarkeit der wirtschaftlichen Abhängigkeit und sozialen Schutzbedürftigkeit
  • I. Allgemeine Begriffsbestimmung
  • II. Die ratio legis der §§ 74 ff. HGB
  • 1. Auseinandersetzung des BGH mit der ratio legis der §§ 74 ff. HGB
  • 2. Ansicht des BAG zur grundsätzlichen ratio legis der §§ 74 ff. HGB
  • 3. Die ratio legis der §§ 74 ff. HGB nach eigener Ansicht
  • a. Die Bestimmung der ratio legis der §§ 74 ff. HGB
  • b. Ergebnis zur wesentlichen ratio legis der §§ 74 ff. HGB hinsichtlich der Analogiebildung
  • 4. Zwischenergebnis
  • III. Vergleichbarkeitsprüfung
  • 1. Wirtschaftliche Abhängigkeit der Geschäftsführer
  • 2. Soziale Schutzbedürftigkeit der Geschäftsführer
  • 3. Zwischenergebnis
  • D. Vereinbarkeit mit der Organstellung und Organverhältnisse
  • I. Reichweite des Vorrangs der Organstellung und Organverhältnisse
  • 1. Weites Verständnis
  • 2. Enges Verständnis
  • 3. Stellungnahme
  • II. Organschaftliche Interessen der Gesellschaft
  • 1. Unvereinbarkeit nach Ansicht des BGH
  • 2. Unvereinbarkeit nach Ansicht eines Teils der Literatur
  • 3. Vereinbarkeit nach Ansicht des anderen Teils der Literatur
  • 4. Fazit
  • III. Zu berücksichtigende Besonderheiten der Organstellung und Organverhältnisse
  • 1. Besonderer Einblick in den Geschäftsablauf und bezüglich empfindlicher Informationen
  • 2. Repräsentant der Gesellschaft und Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion
  • 3. Erhöhte Schädigungsgefahr und besonderes Bedürfnis der Gesellschaft
  • 4. Eingriff in die Organisations- und Kompetenzstruktur der Gesellschaft
  • 5. Beeinträchtigung der organschaftlichen Interessen infolge der Rechtsprechung
  • 6. Zwischenergebnis
  • E. Anwendbarkeit aller Regelungen der §§ 74 ff. HGB
  • § 2 Ergebnis zur analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB
  • Dritter Teil: Konkretisierung und Teilanalogie
  • § 1 Einleitung
  • A. Ausgangsfrage: Teilanalogie oder Konkretisierung?
  • B. Ausblick und weiterer Verlauf der Arbeit
  • § 2 Die sach- und systemgerechte Konkretisierung des § 138 BGB
  • A. Allgemeines zur Konkretisierung
  • B. Unverbindliches oder nichtiges Verbot nach § 74a Abs. 1 HGB
  • I. Maßstab der guten Sitten nach § 74a Abs. 1 S. 1 und 2 HGB
  • 1. Allgemeine Erheblichkeitsschwelle des Verstoßes gegen die guten Sitten
  • 2. Sachgerechter Maßstab unter Heranziehung des § 74a Abs. 1 S. 1 und 2 HGB
  • II. Gesamtnichtigkeit oder Aufrechterhaltung der Abrede
  • 1. Ausgangspunkt: Grundsatz der Gesamtnichtigkeit nach § 138 BGB
  • 2. Ansicht der Rechtsprechung: Ablehnung der geltungserhaltenden Reduktion
  • 3. Ansicht der Literatur zur Zulässigkeit der geltungserhaltenden Reduktion
  • a. Grundsätzliche Zulässigkeit der geltungserhaltenden Reduktion
  • b. Analoge Anwendung des § 139 BGB
  • c. Teleologische Reduktion im Wege des Normzweckvorbehalts des § 138 BGB
  • d. Zulässigkeit der geltungserhaltenden Reduktion als seltene Ausnahme
  • e. Zwischenergebnis
  • 4. Geltungserhaltende Reduktion des § 138 BGB i.V.m. § 74a Abs. 1 HGB
  • a. Legitimation der geltungserhaltenden Reduktion
  • b. Rechtsgrundsatz des § 74a Abs. 1 S. 1 und 2 HGB als immanenter Normzweckvorbehalt
  • 5. Zwischenergebnis
  • III. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt des § 138 BGB und § 74a Abs. 1 HGB
  • 1. Grundsatz des § 138 BGB
  • 2. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt unter Heranziehung der allgemeinen Rechtsgedanken des § 74a Abs. 1 HGB
  • a. Isolierte Modifikation des Beurteilungszeitpunktes
  • b. Konnexität mit anderen wesentlichen Wertungen des § 74a Abs. 1 S. 1 und 2 HGB
  • IV. Zwei-Jahres-Grenze des § 74a Abs. 1 S. 3 HGB
  • V. Zwischenergebnis zum § 74a Abs. 1 HGB
  • C. Bezahlte Karenz nach § 74 Abs. 2 HGB
  • I. Ausgangslage
  • II. Notwendigkeit der Karenzentschädigungszusage im Sinne des § 74 Abs. 2 HGB
  • 1. Grundlagen und Wertungen des Grundsatzes der bezahlten Karenz
  • a. Einfachgesetzliche Ausprägungen des Grundsatzes der bezahlten Karenz
  • b. Rechtsprechung des BAG und BVerfG
  • aa. Rechtsprechung des BAG zu Ausnahmevorschriften zum Grundsatz der bezahlten Karenz
  • bb. Rechtsprechung des BAG zur Bedeutung des Grundsatzes der bezahlten Karenz
  • cc. Rechtsprechung des BVerfG zur Ausnahmevorschrift zum Grundsatz der bezahlten Karenz
  • c. Zwischenergebnis
  • 2. Übertragbarkeit der wesentlichen Wertungen
  • 3. Sachgerechte Differenzierung zwischen den Klauseltypen
  • 4. Zwischenergebnis
  • III. Angemessenheit der Karenzentschädigungszusage
  • 1. Höhe der Karenzentschädigungszusage
  • a. Ausgangslage
  • b. Lösungsansatz
  • 2. Bemessungsgrundlage der Karenzentschädigungszusage
  • 3. Art und Weise der Karenzentschädigung
  • a. Leistungen während des Bestehens des Anstellungsverhältnisses
  • b. Leistungen für die Zeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses
  • IV. Rechtsfolge der fehlenden oder unzureichenden Karenzentschädigungszusage
  • V. Zwischenergebnis zum § 74 Abs. 2 HGB
  • D. Sittenwidrige Wettbewerbsabrede nach § 74a Abs. 3 HGB
  • E. Anrechnung anderweitigen Erwerbs nach § 74c HGB
  • F. Verzicht auf das Wettbewerbsverbot nach § 75a HGB
  • G. Unwirksamwerden des Wettbewerbsverbotes nach § 75 HGB
  • H. Vertragsstrafe nach § 75c HGB
  • I. Schriftform- und Aushändigungserfordernis nach § 74 Abs. 1 HGB
  • J. Unabdingbarkeit und Sperrabreden nach §§ 75d, 75f HGB
  • K. Ergebnis und Gesamtbetrachtung zur Konkretisierung
  • § 3 Teilanaloge Anwendung der §§ 74 ff. HGB
  • A. Zulässigkeit der teilanalogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB
  • I. Die analoge Anwendung einzelner Regelungen der §§ 74 ff. HGB
  • II. Begriff der teilanalogen Anwendung
  • III. Zwischenergebnis
  • B. Analog anwendbare Regelungen der §§ 74 ff. HGB
  • I. Analoge Anwendung des § 74a Abs. 1 HGB
  • II. Analoge Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB
  • III. Analoge Anwendung des § 74a Abs. 3 HGB
  • IV. Analoge Anwendung des § 74c HGB
  • V. Analoge Anwendung des § 75a HGB
  • VI. Analoge Anwendung des § 75 HGB
  • VII. Nicht analog anwendbare Regelungen der §§ 74 ff. HGB
  • C. Ergebnis zur teilanalogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB
  • § 4 Ergebnis zur Konkretisierung und Teilanalogie
  • A. Wichtigste Erkenntnisse und Ergebnisse
  • B. Vorzugswürdiger Lösungsweg der rechtlichen Behandlung
  • C. Ausblick
  • § 5 Überlegung de lege ferenda
  • A. Einleitung
  • B. Vorschlag einer gesetzlichen Regelung de lege ferenda
  • C. Erläuterung und Begründung des Gesetzesvorschlages
  • Vierter Teil: Zusammenfassung der wesentlichsten Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis

§ 1 Einleitung

A. Untersuchungsgegenstand

Der fortschreitenden Technisierung des Wirtschaftslebens folgt auch ein steigendes Bedürfnis nach Kenntnis- und Geheimnisschutz. Dazu tritt die ebenfalls steigende Diskontinuität der Beschäftigungsverhältnisse. Folglich steigt auch das Arbeitgeberinteresse an einem effektiven und zulässigen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie dem allgemeinen Schutz vor einer möglicherweise schädigenden Konkurrenztätigkeit des ausgeschiedenen Beschäftigten.1 Zudem entspricht es schon dem Charakter der Anstellungsverhältnisse der leitungsbefugten Organe, dass diese auf eine höhere Fluktuation angelegt sind. Vor allem im Vergleich zu Arbeitsverhältnissen wird das Anstellungsverhältnis der Geschäftsführer2 der GmbH öfter von einer Befristung, die nicht verlängert wird, oder einer ordentlichen Kündigung betroffen sein.3 Folglich wird nicht allein das Arbeitgeberinteresse, sondern vielmehr auch das Gesellschaftsinteresse an einem effektiven und zulässigen Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie vor einer potenziell schädigenden Konkurrenztätigkeit durch ihren ehemaligen Geschäftsführer steigen.

Diesbezüglich spielen Wettbewerbsverbote eine gewichtige Rolle im Wirtschaftsleben, die insofern insbesondere gegenüber Arbeitnehmern, Gesellschaftern, Geschäftsführern von Gesellschaften sowie gegenüber Veräußerern von Unternehmen oder Freiberuflerpraxen vereinbart werden.4 Von Bedeutung sind sie somit auch gegenüber Organmitgliedern von Kapitalgesellschaften, zu denen auch der GmbH-Geschäftsführer gehört. Organmitglieder stellen zumeist „Schlüsselkräfte“5 der Gesellschaft dar, die dementsprechend zugleich auch der „zentrale Know-how-Träger“ der Gesellschaft sein werden. So leuchtet es ein, dass ein Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen oder eine anschließende eigenständige Kon-

kurrenztätigkeit nachteilige Auswirkungen auf die wirtschaftlichen sowie wettbewerblichen Interessen der alten Gesellschaft haben kann.6

Einen nachvertraglichen Schutz vor der Verwertung von Kenntnissen und Erfahrungen sowie im Allgemeinen vor einer Konkurrenztätigkeit kann die Gesellschaft nur durch die ausdrückliche vertragliche Abrede in Form eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes erlangen.7 Nicht nur, dass es weitergehende nachvertraglich wirkende Wettbewerbsverbote de jure nicht gibt, enthält auch unsere Rechtsordnung keine eigens anwendbare spezialgesetzliche Regelung, die die rechtliche Zulässigkeit solcher nachvertraglichen Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern regelt. Solche spezialgesetzlichen Regelungen finden sich allein in den §§ 74 ff. HGB sowie im § 90a HGB, die gleichwohl jeweils einen eigenständigen persönlichen Anwendungsbereich normieren.

Ohne die eigens anwendbare spezialgesetzliche Grundlage hat sich die rechtliche Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern im Laufe der Jahre im Wege der Einzelfallrechtsprechung im Sinne eines case law entwickelt.8 So befasste sich schon das Reichsgericht mit der Zulässigkeit von Konkurrenzverboten.9 Ausgehend von dieser Rechtsprechung und anknüpfend an die Leitsatzentscheidung des BGH zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern vom 26.03.198410 soll die rechtliche Beurteilung am Maßstab des § 138 BGB stattfinden.11 Bei dieser Prüfung betonte der BGH, dass die Konkretisierung des § 138 BGB bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG sowie „unter Heranziehung der in den §§ 74 ff. HGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgrundsätze“ vorzunehmen sei.12 Beachtlich war damit die Betonung der Heranziehung der in den §§ 74 ff. HGB enthaltenen Grund- und Rechtsgedanken, die als allgemeine Wertungen zur Ausfüllung des Maßstabes der guten Sitten herangezogen werden sollen.13

Unter der Beachtung der BGH-Rechtsprechung stellte sich im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Fragen und Problemen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern. Dies ist nicht nur dem grundsätzlichen Fehlen eigens anwendbarer Regelungen geschuldet, sondern eben auch der Rechtsprechung des BGH selbst. Anknüpfend an die Leitsatzentscheidung des BGH aus dem Jahre 1984 und die generelle Ablehnung der analogen Anwendung der §§ 74 ff. HGB entschied der BGH im Jahre 1992 gleichwohl, dass die §§ 74 ff. HGB doch nicht „generell unanwendbar“ seien.14 Diesen Entscheidungen folgten Weitere zum Teil nicht ganz stringente.15

Neben der Kritik an der grundsätzlichen Konzeption der Rechtsprechungspraxis werden vor allem die unklaren und undeutlichen Vorgaben, die sich durch die Rechtsprechung entwickelten bzw. nicht entwickelt haben, angeprangert.16 Insgesamt ergebe die Rechtsprechung ein „diffuses Bild“17. So haben sich zwar „eigene Grenzen entwickelt, die in vielen Punkten [jedoch] noch nicht präzise gezogen sind“18. Es bestehen damit im Allgemeinen große Unsicherheiten in der Literatur sowie der Kautelarpraxis, demnach die oft als undurchsichtig empfundene BGH-Rechtsprechung es überhaupt kaum ermögliche, voraussehbare und rechtssichere nachvertragliche Wettbewerbsverbote zu vereinbaren.19 Dazu kommt, dass der BGH nicht oft die Gelegenheit erhält, sich zur vorliegenden Thematik zu äußern, was zum Teil dem Umstand geschuldet ist, dass über nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Organmitgliedern oftmals im einstweiligen Verfügungsverfahren gestritten wird, bei dem keine Revision stattfindet.20

B. Ziel und Gang der Untersuchung

In diesem Sinne stellen die Fragen, ob den §§ 74 ff. HGB insgesamt eine Leitbild- oder Orientierungsfunktion zukommt, die sodann auch über den originären persönlichen Anwendungsbereich hinaus zu beachten ist sowie der möglichen Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB gegenüber Geschäftsführern, die zentralen und weiterhin umstrittenen Streit- und Diskussionsthemen „im Spannungsfeld zwischen der arbeits- und gesellschaftsrechtlichen Stellung der Geschäftsführer“21 dar. Dazu tritt des Weiteren auch die Frage der Methodenehrlichkeit. Dies nicht allein hinsichtlich der sachgerechtesten Lösung einer möglichen analogen Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB oder der Konkretisierung des § 138 BGB,22 sondern auch hinsichtlich der methodischen Klarheit der Rechtsfindung. Somit ist die vorliegende Problematik auch aus methodischer sowie dogmatischer Sicht zu betrachten, womit es vor allem um die sach- und systemgerechte rechtliche Beurteilung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes des Geschäftsführers geht.

Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit sollen einleitend die Grundlagen der Arbeit dargelegt werden. Dazu gehört zuvörderst die Erörterung der Rechtsverhältnisse zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer. Des Weiteren sind auch die BGH-Rechtsprechung hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote herauszuarbeiten. Darüber hinaus sind auch die allgemeinen Voraussetzungen und Vorgaben der richterlichen vertraglichen Inhaltskontrolle, die der richterlichen Rechtsfortbildung sowie der Herleitung allgemeiner Rechtsprinzipien darzustellen.

Im zweiten Teil soll sodann die Frage der möglichen analogen Anwendung des Gesamtregelungskomplexes der §§ 74 ff. HGB diskutiert werden, bei der es vor allem um die Herausarbeitung der Vorgaben zur analogen Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften gehen wird.

Aufbauend auf diesen Ergebnissen folgt im dritten Teil zunächst die Prüfung der sach- und systemgerechten Konkretisierung des § 138 BGB, dies im Wege der Diskussion der Sach- und Systemgerechtigkeit der bisherigen Rechtsprechung sowie der methodisch und dogmatisch sauberen Herausarbeitung und Anwendung der allgemeinen Rechtsgedanken der §§ 74 ff. HGB. Im Anschluss daran soll zudem noch die mögliche analoge Anwendung einzelner Regelungen der §§ 74 ff. HGB geprüft werden. Diese Prüfung wird im Wesentlichen auf den gefundenen Ergebnissen der sach- und systemgerechten Konkretisierung des § 138 BGB aufbauen, da beide Prüfungen im Kern auf den möglicherweise induktiv zu gewonnenen verallgemeinerungsfähigen Wertungen und Rechtsprinzipien der §§ 74 ff. HGB beruhen werden. Auf diesen induktiv zu gewinnenden verallgemeinerungsfähigen Wertungen und Rechtsprinzipien wird auch die eigene Überlegung de lege ferenda beruhen, die in Anbetracht des Fehlens einer spezialgesetzlichen Grundlage eine mögliche zukünftige gesetzliche Regelung zur sachgerechten rechtlichen Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern darstellen soll.

Der vierte und letzte Teil enthält sodann eine Zusammenfassung der wesentlichsten Erkenntnisse und Ergebnisse dieser Arbeit.


1 Zum Wandel des Arbeitsmarktes und der betrieblichen Beschäftigungsstabilität siehe Struck, Flexibilität und Sicherheit, S. 20 ff.; Vesper, Indirekte nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen, S. 25; Kocher, NZA 2010, 841 ff.; siehe auch Kittner, BB 2011, 1013.

2 In Anlehnung an den Wortlaut des § 6 GmbHG wird der GmbH-Geschäftsführer im Folgenden alleinig als Geschäftsführer bezeichnet. Des Weiteren wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet, sie bezieht sich gleichwohl auf Personen jedes Geschlechts. Entsprechendes soll für alle genannten Personengruppen gelten.

3 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, § 24 Rn. 1103, die dies hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 75 Abs. 2 HGB besprechen.

4 Staudinger/Fischinger, BGB § 138 Rn. 448; Krämer, FS Röhricht, 2005, 335, 336.

5 Bauer/Diller, BB 1995, 1134.

6 Bauer, FS Schwerdtner, 2003, 441.

7 MHLS/Ziemons, GmbHG § 43 Rn. 275; MüKoGmbHG/Jaeger/Steinbrück, § 35 Rn. 367.

8 Thüsing, NZG 2004, 9.

9 Vgl. RGZ 1, 22; 2, 118; 31, 97; 31, 97, 99; 68, 229; 112, 361.

10 BGHZ 91, 1.

11 Vgl. BGH, DB 1965, 468; BGHZ 91, 1, 3; BGH, NJW 1992, 1892 f.; BGH, NJW 2002, 1875, 1876; BGH, NJW-RR 2008, 1421, 1422; BGH, NZG 2008, 753; siehe auch MüKoGmbHG/Jaeger/Steinbrück, § 35 Rn. 368; Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG § 37 Rn. 117; Bauer, FS Schwerdtner, 2003, 441, 442 ff.; Thüsing, NZG 2004, 9; Kort, ZIP 2008, 717, 718; Menke, NJW 2009, 636 f.; Gehle, DB 2010, 1981; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050, 2051; Müller, GmbHR 2014, 964; Weitnauer/Grob, GWR 2014, 185, 189; Kielkowski, NZG 2015, 900; Seel, NWB 2018, 953; Niklas, ArbRAktuell 2019, 459; N. Eckert/Köpple, NZA 2020, 1453, 1455.

12 BGHZ 91, 1, 5.

13 Vgl. Noack/Servatius/Haas/Beurskens, GmbHG § 37 Rn. 116; Jäger, DStR 1995, 724, 725.

14 BGH, NJW 1992, 1892, 1893.

15 BGH, NJW 1992, 1892, 1893; MüKoGmbHG/Jaeger/Steinbrück, § 35 Rn. 370; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG Anh. zu § 6 Rn. 25; Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1135; Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 903; Thüsing, NZG 2004, 9 f.; Gravenhorst, DB 2019, 1572, 1573.

16 Hier vor allem Staub/Weber, HGB vor § 74 Rn. 22; Heymann/Henssler/Michel, HGB vor § 74 Rn. 17; MüKoGmbHG/Jaeger/Steinbrück, § 35 Rn. 369 f.; Fleck, FS Hilger/Stumpf, 1983, 197, 205, 209 f.; Wank, FS Wiedemann, 2002, 587, 606; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, § 24 Rn. 1038; Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-Geschäftsführer, S. 136 ff.; Gravenhorst, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern, S. 66 ff.; D. Gaul, GmbHR 1991, 144, 147; Henssler, RdA 1992, 289, 294; Boemke, ZfA 1998, 209, 233 f.; Lembke, NZA-RR 2019, 65, 68; M. Köhler, EWiR 2019, 461, 462; Dzida/Lang, ArbRB 2019, 189.

17 Heidenhain, NZG 2002, 605; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, 18. Aufl. 2006, GmbHG § 35 Rn. 198.

18 Thüsing, NZG 2004, 9; vgl. auch Krahforst, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer, S. 28.

19 BeckOGK/Ittmann, HGB § 74 Rn. 9.2; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, § 24 Rn. 1037; Heidenhain, NZG 2002, 605.

20 Siehe dazu Diller, FD-ArbR 2008, 263932.

21 MüKoGmbHG/Jaeger/Steinbrück, § 35 Rn. 368.

22 Dazu vor allem Canaris, JuS 1989, 161, 164, hinsichtlich des Vorzugs der analogen Anwendung des § 74a Abs. 1 S. 1 und 2 HGB.

§ 2 Rechtsverbindungen zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer

A. Das Organverhältnis des Geschäftsführers

Der Geschäftsführer stellt neben der Gesellschafterversammlung gemäß § 6 Abs. 1 GmbHG ein notwendiges Organ der GmbH dar.23 So vertritt der Geschäftsführer gemäß §§ 35, 37 GmbHG die Gesellschaft nach außen gegenüber Dritten.24 Demnach stellt das Handeln des Geschäftsführers gleichzeitig das Handeln der Gesellschaft dar.25 Im Außenverhältnis hingegen gilt die Vertretungsmacht nach § 37 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich unbeschränkt, sodass auch Beschränkungen in der Satzung, durch Weisungen oder im Anstellungsvertrag keine Wirkung im Verhältnis zu außenstehenden Dritten haben.26 Nach innen hat der Geschäftsführer die Geschäftsführungskompetenz inne, die gesetzlich nicht geregelt ist, gleichwohl aber der Norm des § 35 Abs. 1 GmbHG folgt. Der Geschäftsführer ist grundsätzlich frei in der Leitung der Gesellschaft, obgleich er an etwaige Weisungen der Gesellschafter gebunden ist.27 Dazu obliegt dem Geschäftsführer ein unentziehbarer Kern gesetzlich geregelter Pflichten, die auch nicht durch Satzungsregelungen oder Weisungen der Gesellschafter beschnitten werden können.28 Gemäß § 43 GmbHG hat der Geschäftsführer den Sorgfaltsmaßstab des „ordentlichen Geschäftsmanns“ einzuhalten, der mit dem Sorgfaltsmaßstab des „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ nach § 93 Abs. 1 AktG übereinstimmt,29 womit auch die „Business Judgement Rule“ nach § 93 Abs. 2 AktG analog zur Anwendung kommt.30

Zudem ist hinsichtlich der Geschäftsführung auch die Fremdorganschaft erlaubt. Demnach kann nicht nur ein Gesellschafter, sondern auch ein Dritter als Fremdgeschäftsführer wirksam als Geschäftsführungsorgan bestellt werden. Dies Unterscheidung zwischen dem Fremd- oder Gesellschafter-Geschäftsführer ist vor allem hinsichtlich der Anwendbarkeit arbeits-, sozial- und wettbewerbsrechtlicher Vorschriften von Belang. Selbiges kann zudem für die Unterscheidung der Gesellschafter-Geschäftsführer mit oder ohne Mehrheitsbeteiligung sowie mit oder ohne Sperrminorität von Bedeutung sein.31

Während der Organstellung unterliegt der Geschäftsführer, auch ohne dass eine vertragliche Vereinbarung von Nöten wäre, Wettbewerbsverboten.32 Zum einen ein organschaftliches Wettbewerbsverbot, welches – ungeachtet seiner konkreten dogmatischen Herleitung33 – jedwede Aktivität des Geschäftsführers untersagt, die in den Tätigkeits- und Konkurrenzbereich der Gesellschaft fällt und aus der sich ein Interessenkonflikt entwickeln kann.34 Der Geschäftsführer kann in den Tätigkeitsfeldern der Gesellschaft weder für eigene noch für fremde Rechnung tätig werden.35 Daneben ist es dem Geschäftsführer nach der sogenannten Geschäftschancenlehre, die der aus dem US-amerikanischen Recht bekannten „corporate opportunities doctrine“ entspringt,36 untersagt, Chancen der Gesellschaft für den eigenen Zweck und Vorteil auszunutzen.

Als weitere Pflicht des Geschäftsführer zur Wahrung des Wettbewerbs und der Interessen der Gesellschaft trifft diesen eine Verschwiegenheitspflicht, die über das Anstellungsverhältnis und die Organstellung hinauswirkt und sowohl als Teil der Geschäftsführungspflichten als auch als Teil der organschaftlichen Treuepflicht anzusehen ist.37 Ist auch diese – anders als in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, § 34 Abs. 1 S. 2 GenG – im GmbHG nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, findet sie jedoch durch die strafrechtliche Vorschrift des § 85 GmbHG ihre sanktionsbehaftete Kodifizierung und wird demnach als bestehende Pflicht vorausgesetzt.38

Können einige der beschriebenen organschaftlichen Wettbewerbsverbote auch für den Bereich nach der Organstellung weiterhin Wirkung entfalten, ist der Geschäftsführer mit der Beendigung und dem Ausscheiden aus der Organstellung sowie der Beendigung des Anstellungsverhältnisses grundsätzlich vollkommen frei in der Ausgestaltung seines weiteren beruflichen Fortkommens sowie in der Verwertung seiner beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen. Möchte sich die Gesellschaft über den Schutzbereich des § 85 GmbHG hinaus vor einer Konkurrenztätigkeit und der Verwertung von Kenntnissen und Informationen durch den ausgeschiedenen Geschäftsführer schützen, kann ein weitergehender Schutz allein durch die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes erfolgen,39 welches zumeist zeitgleich mit der Anstellung im Anstellungsvertrag vereinbart wird.40 Besteht folglich ein weitergehendes nachvertragliches Schutzbedürfnis der Gesellschaft, ist die vertragliche Vereinbarung eines solchen Verbotes notwendig. Die inhaltlichen sowie normativen und methodischen Vorgaben der rechtlichen Beurteilung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern werden im späteren Verlauf der Arbeit eingehender besprochen.

B. Verhältnis zwischen Organstellung und Anstellungsverhältnis

Neben der Organstellung ist der Geschäftsführer schuldrechtlich durch ein Anstellungsverhältnis in Form des Geschäftsführeranstellungsvertrages mit der Gesellschaft verbunden. Bei der Abgrenzung und Betrachtung dieser beiden Rechtsverhältnisse ist zuvörderst das Trennungsprinzip zu beachten, welches grundsätzlich sowohl vom BGH41 als auch vom BAG42 anerkannt und angewandt wird. Das Trennungsprinzip beschreibt die rechtliche Selbstständigkeit der Beziehungen der Gesellschaft zum Geschäftsführer und somit die strikte Trennung der gesellschaftsrechtlichen Beziehung als Organ (Organverhältnis) und der schuldrechtlichen Beziehung (Anstellungsverhältnis).43 Folglich sind die Regelungen und Wirkungen der beiden Verhältnisse getrennt voneinander zu beachten und zu bewerten und haben grundsätzlich keinen Einfluss auf das jeweils andere Rechtsverhältnis. Anerkannt ist dennoch, dass beide sonst selbstständigen Verhältnisse in einem Gegenseitigkeitsverhältnis miteinander verbunden sein können. Dieses Gegenseitigkeitsverhältnis besteht vor allem bei der Bestellung und Abbestellung des Geschäftsführers, der bei der Bestellung zugleich auch ein Interesse daran hat, einen Anstellungsvertrag abzuschließen, sowie ein Interesse an der Kündigung im Fall des Widerrufes bzw. Abbestellung aus dem Organverhältnis.44 Des Weiteren wird auch die Möglichkeit der schuldrechtlichen Koppelung beider Verhältnisse durch sogenannte Koppelungsklauseln für zulässig erachtet, mit denen die Abberufung aus dem organschaftlichen Verhältnis mit dem Ausspruch einer Kündigung des Anstellungsverhältnisses verknüpft werden kann.45 Ungeachtet dieser Ausnahmen zum Trennungsprinzip sollen die beiden Rechtsverhältnisse auch vorliegend grundsätzlich getrennt betrachtet werden. Sollte es sodann dennoch zu Überschneidungen der beiden Sphären kommen, sind diese an der jeweiligen Stelle der Arbeit zu erörtern.46

C. Die Rechtsnatur des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers

Seit langer Zeit ist die rechtliche Einordnung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers als Arbeits- oder Dienstvertrag umstritten. Die Frage der Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers kann eine weisende Funktion für die Frage, ob dem im gewissen Maße schutzbedürftigen Geschäftsführer ein arbeitsrechtlicher Schutz durch die direkte oder analoge Anwendung bestimmter arbeits- sowie sozialrechtlicher Schutzvorschriften, wie zum Beispiel auch die der §§ 74 ff. HGB, zukommen soll. Demgemäß stellt eine mögliche Arbeitnehmereigenschaft die erste zu diskutierende Weichenstellung für die sach- und systemgerechte rechtliche Behandlung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern dar.

I. Rechtsprechung des BGH und BAG

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und der ihr zustimmenden gesellschaftsrechtlichen Literatur47 ist der Geschäftsführer strikt durch ein freies Dienstverhältnis im Sinne eines auf „Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramtes gerichtete[n]“ Vertrages48 mit der Gesellschaft vertraglich verbunden ist.49 Dies sei zwingende Folge der Stellung als (Vertretungs-)Organ der Gesellschaft sowie der Wahrnehmung der organschaftlichen Aufgaben.50 Weiterhin nehme der Geschäftsführer die Arbeitgeberfunktionen wahr, infolgedessen er die Stellung des übergeordneten Prinzipals innehat, welches durch das ihm gegenüber den untergeordneten Arbeitnehmern zustehende Weisungsrecht ausgedrückt wird. Dazu tritt die im Außenverhältnis bestehende Vertretungsmacht, nach der er die Stellung als Repräsentant der Gesellschaft einnimmt.51 Zwar obliege der Gesellschafterversammlung und somit den Gesellschaftern ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer, dieses entspringt jedoch allein der gesellschaftsrechtlichen Sphäre und ist damit alleiniger Ausdruck der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung innerhalb der Gesellschaft. Ein das Organmitglied treffendes arbeitsbegleitendes Weisungs- und Direktionsrecht könne folglich nicht bestehen.52

In einem „kaum verständlichem Gegensatz“53 zur BGH-Rechtsprechung, wie einige vor allem gesellschaftsrechtliche Autoren dies formulierten, nimmt das BAG in ständiger Rechtsprechung an, dass es sich beim Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers grundsätzlich um einen freien Dienstvertrag handelt.54 Gleichwohl wendet das BAG ein „Regel-Ausnahme-Prinzip“ an, nach dem das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers eben nur regelmäßig einen freien Dienstvertrag darstellen wird. Entsprechend erkennt das BAG die Ausnahme an, dass es sich beim Anstellungsvertrag unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls sowie aller spezifischen Umstände und Besonderheiten auch um einen Arbeitsvertrag handeln kann.55 Als wesentlichstes Abgrenzungskriterium wendet das BAG die persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 611a Abs. 1 BGB an. So liegt die persönliche Abhängigkeit bei demjenigen vor, der sich auf der Grundlage des privatrechtlichen Vertrages zur Erbringung von Leistungen in weisungsgebundener und fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet habe. Maßgeblich ist damit die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten, die zugleich im Wesentlichen an ein arbeitsrechtliches Weisungsrecht gebunden ist. Dementsprechend müsse auch der Geschäftsführer einem arbeitsrechtlich geprägten Weisungsrecht unterliegen, innerhalb dessen es vor allem um die Weisungsgebundenheit hinsichtlich örtlichen oder zeitlichen Vorgaben sowie bezüglich der Art und Weise seiner Tätigkeitsausübung geht. Die Betrachtung der arbeitsrechtlichen Weisungen findet dabei unter Beachtung der jeweiligen Art und Besonderheit der ausgeübten Tätigkeit statt.56 Demnach ist auch nach Ansicht des BAG das bestehende gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht nach § 37 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich unbeachtlich für das Vorliegen eines arbeitsrechtlichen Weisungsrechts, was zudem auch der Berücksichtigung des Trennungsprinzips entspricht. Folglich dürfen die gesellschaftsrechtlichen und organschaftlichen Umstände zutreffenderweise keinen (unmittelbaren) Einfluss auf die rechtliche Einordnung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers haben. In extremen Ausnahmefällen sei es gleichwohl denkbar, dass auch das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht infolge der tatsächlichen Ausübung derartige Formen annehme, dass ein Arbeitnehmerstatus begründet wird.57 Kommt es somit zuvörderst darauf an, ob ein arbeitsrechtliches Weisungsrecht im Sinne der persönlichen Abhängigkeit sowie nach § 611a Abs. 1 BGB vorliegt, können die angesprochenen Ausnahmen vor allem an diesem Kriterium begründet werden.58

II. Der Arbeitnehmerbegriff nach § 611a Abs. 1 BGB

Ausgangspunkt der rechtlichen Qualifizierung als Arbeitnehmer stellt im Allgemeinen der Arbeitnehmerbegriff dar, der seit dem Inkrafttreten am 01.04.2017 nunmehr legal im § 611a Abs. 1 BGB normiert ist. Demnach soll derjenige Arbeitnehmer sein, der aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages einem anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.59 Dabei stellt diese Kodifizierung auch keine Neuerung der Rechtslage dar, sondern sollte allein die höchstrichterliche Rechtsprechung sowie die schon bestehende Rechtslage zum allgemeinen Arbeitnehmerbegriff einfangen und wiedergeben. Zudem soll der Arbeitnehmerbegriff sodann allenfalls dort keine finden, wo „andere Rechtsvorschriften eine abweichende Definition des Arbeitnehmers, des Arbeitsvertrages oder des Arbeitsverhältnisses vorsehen“60. Aber gerade das Gesellschaftsrecht enthält jedoch keine entsprechende abweichende Regelung.61 Folglich hat sich die Beurteilung des rechtlichen Charakters des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers, nicht nur in Anbetracht der erfolgten Kodifizierung des § 611a Abs. 1 BGB, an den allgemeinen Voraussetzungen des Arbeitnehmerbegriffs zu richten und eben nicht anhand einer typologischen Einordnung der wahrgenommenen Tätigkeiten.62 Folglich ist demzufolge auch die Rechtsprechung des BGH entsprechend kritisch zu bewerten..

Maßgeblich für die fragliche Arbeitnehmereigenschaft ist somit, ob der Geschäftsführer ausgehend von der genannten Legaldefinition des § 611a Abs. 1 BGB63 persönlich abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit wiederum bestimmt sich anhand der Kriterien der Weisungsgebundenheit und Fremdbestimmtheit,64 wobei zur rechtlichen Würdigung dieser Kriterien zu beachten ist, dass nach § 611a Abs. 1 S. 4 und 5 BGB letztlich eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls sowie die jeweilige Eigenart der Tätigkeit maßgeblich sein soll. Insofern soll gerade die wichtige wertende Gesamtbetrachtung die Möglichkeit bieten, Besonderheiten der jeweiligen Branchen und Bereiche sowie „Spezifika auf Grund grundrechtlich geschützter Werte“ einzubeziehen und zu berücksichtigen.65

Die Weisungsgebundenheit stellt sodann das zentrale Merkmal der persönlichen Abhängigkeit und damit des Arbeitnehmerbegriffs dar. Bei dieser geht es im Grunde darum, ob der Beschäftigte unselbstständig in der Festlegung der Modalitäten der Leistungserbringung ist und knüpft damit maßgeblich an die Bestimmung des § 106 GewO an.66 Abgegrenzt wird die unselbstständige Tätigkeit damit von der sonstigen selbstständigen Tätigkeit, die durch die Norm des § 84 Abs. 1 S. 2 HGB definiert wird. Dabei wohnt der Norm des § 84 Abs. 1 S. 2 HGB insoweit insgesamt ebenfalls eine allgemeine gesetzgeberische Wertung für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft inne und ist damit nach wie vor auch für die Abgrenzung des Arbeits- vom Dienstverhältnis von Bedeutung.67 Die Weisungsgebundenheit richtet sich im Grundsatz also danach, ob zeitliche, örtliche und inhaltliche (bzw. fachliche) Weisungen und Vorgaben durch den Dienstnehmer erteilt werden, wobei es unschädlich ist, wenn einzelne Merkmale kaum oder gar nicht vorliegen.68 Entsprechend wurde im Fall von Rundfunk- und Fernsehmitarbeitern, die aufgrund der kreativen und gestalterischen Eigenart der Tätigkeit keinen örtlichen und zeitlichen Vorgaben unterlagen, dennoch die persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 611a Abs. 1 BGB bejaht. Nach der Rechtsprechung des BAG müssen sodann jedoch andere Merkmale in den Vordergrund treten, wobei das BAG die Anforderungen an die dann stärker hinzutretenden weiteren Merkmale nicht weiter spezifizierte.69 Sind einzelne Merkmale zudem deutlich ausgeprägt, kann diesen Ausprägungen starke Indizwirkung zukommen. In diesem Sinne wird die Arbeitnehmereigenschaft größtenteils schon dann verneint, wenn schon eine gänzlich freie Einteilung der Arbeitszeit durch den Beschäftigten erfolgen kann.70 Im Gegenzug wurde die Arbeitnehmereigenschaft bejaht, wenn vom Beschäftigten eine ständige Dienstbereitschaft verlangt wird.71

Neben zeitlichen und örtlichen Vorgaben zur Leistungserbringung kann hinsichtlich des Geschäftsführers besonders das inhaltliche bzw. fachliche Weisungsrecht von Bedeutung sein. Dies insbesondere ausgehend davon, dass es sich auch bei der Geschäftsführertätigkeit um eine im gewissen Maße spezialisierte Tätigkeit handelt. Gerade bei Diensten höherer Art, die von entsprechend hochqualifizierten und spezialisierten Beschäftigten ausgeübt werden, kann beispielsweise das fachliche Weisungsrecht gänzlich entfallen, ohne dass damit auch eine Arbeitnehmereigenschaft unmittelbar entfällt. Das fachliche Weisungsrecht im arbeitsrechtlichen Sinne muss zudem ein gewisses Maß an Erheblichkeit und Intensität aufweisen und in Abgrenzung zu fachlichen Weisungen, die auch der Dienstverpflichtete oder der Verpflichtete aus einem Werkvertrag bei Erbringung der Leistung unterliegen kann,72 arbeitsbegleitend und verfahrensorientiert wirken. Demnach müssen diese Weisungen entscheidend über das Maß hinausgehen, welches beispielsweise die Weisungen enthalten, die nur einen bestimmten Rahmen für die Leistungserbringung vorgeben. Es ist vielmehr erforderlich, dass die Weisung die konkrete Art der Leistungserbringung zum Inhalt hat, diese im Wesentlichen bestimmt und demnach verfahrensorientierte und arbeitsbezogene Weisungen vorliegen.73 Bei Diensten höherer Art kann das Vorliegen von fachlichen Weisungen aufgrund der hohen Spezialisierung und infolge der Eigenart der Tätigkeit gleichwohl vollkommen entfallen, obgleich eine persönliche Abhängigkeit weiter vorliegen wird.74 Wird von einem rechtlich möglichen fachlichen Weisungsrecht kein Gebrauch gemacht, entfällt damit nicht die Weisungsgebundenheit im Sinne des § 611a Abs. 1 BGB, dies vor allem dann nicht, wenn auf die fachgerechte Erbringung der Leistung vertraut wird oder eine fachliche Weisung infolge der Spezifikationen und Besonderheiten faktisch unmöglich ist.75

Neben der Weisungsgebundenheit normiert der § 611a Abs. 1 BGB des Weiteren die Fremdbestimmtheit als weiteres Merkmal der persönlichen Abhängigkeit. Unter der Fremdbestimmtheit ist allgemein die Eingliederung in das fremde Arbeitsgefüge in Form der organisatorischen Einbindung in die Betriebsstätte des Arbeitgebers zu verstehen.76 Die Fremdbestimmtheit hat trotz der eingeständigen Normierung als Kriterium der persönlichen Abhängigkeit im § 611a Abs. 1 BGB keine besondere eigenständige Bedeutung, da die Schnittmenge mit dem vorrangigen Merkmal der Weisungsgebundenheit evident ist. So wird sich die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation insbesondere darin zeigen, dass der Beschäftigte einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.77 Insoweit ist davon auszugehen, dass der Geschäftsführer grundsätzlich die Organisationskompetenz der Arbeitsprozesse sowie der betrieblichen Struktur innehat und damit nicht selbst dermaßen in eine fremde Arbeitsstruktur eingegliedert ist,78 um durch die Annahme einer arbeitsorganisatorischen Eingliederung eine persönliche Abhängigkeit zu begründen. Auch die nur gelegentliche Angewiesenheit der Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern ist nicht ausreichend für eine solche Annahme.79 Die Weisungsgebundenheit stellt folglich das maßgebliche Kriterium der persönlichen Abhängigkeit dar, sodass der Fremdbestimmtheit vor allem im vorliegenden Fall keine eigenständige Bedeutung beizumessen ist.80

Als weiteres Kriterium der persönlichen Abhängigkeit könnte noch die Fremdnützigkeit der Tätigkeit ins Gewicht fallen, die vorliegt, wenn die Beschäftigten ihre „Arbeitskraft nicht – wie ein Unternehmer – nach selbstgesetzten Zielen unter eigener Verantwortung und mit eigenem Risiko am Markt verwerten können, sondern daß sie darauf angewiesen sind, ihre Arbeitsleistung fremdnützig“81 dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. In der früheren Rechtsprechung des BAG wurde zur Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft ebenfalls auch auf das Unternehmerrisiko abgestellt.82 Früher war auch die Möglichkeit, frei über die eigene Arbeitskraft zu disponieren, für die persönliche Abhängigkeit ausschlaggebend.83 Der BAG hat sich nunmehr von dem Kriterium der Fremdnützigkeit der Tätigkeit in der dargestellten Form distanziert.84 Dies wohl auch zu Recht, da auch der Dienstleistungsverpflichtende die (unternehmerische) Verwertung seiner Dienstleistung grundsätzlich allein dem Empfänger der Dienstleistung überlässt85 und die Verwendung dieses Kriteriums in der früheren Gewichtung als nicht mehr sachgerecht erschien. Die Kriterien, ob die gesamte Arbeitskraft zur Verfügung gestellt wird,86 ein eigenes Unternehmerrisiko besteht87 oder ein eigenes weiteres Auftreten am Markt vorliegt88, entfalten heutzutage allenfalls indizielle und mittelbare Wirkung innerhalb der wertenden Gesamtbetrachtung und sind damit vorliegend unbeachtlich.89

Das Kriterium der Fremdnützigkeit spiegelt sich gleichwohl im Rahmen der Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des Gesellschafter-Geschäftsführers wieder. Da der Gesellschafterversammlung die Kompetenz zur Weisung gegenüber dem Geschäftsführer sowie die Annexkompetenz zum Abschluss des Anstellungsverhältnisses aus § 46 Nr. 5 GmbHG zukommt, können der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer sowie auch der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer mit Sperrminorität grundsätzlich nicht solchen Weisungen unterliegen, die die persönliche Abhängigkeit begründen. So haben diese maßgeblichen Einfluss auf die letztentscheidende Leitungsmacht und somit sowohl in gesellschaftsrechtlicher wie anstellungsvertraglicher Hinsicht auf die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Weisungen. In diesem Sinne wird die arbeitsrechtliche Weisungsgebundenheit und damit persönliche Abhängigkeit allenfalls für den Fremdgeschäftsführer oder den Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer ohne Sperrminorität möglich sein, was insoweit auch der sozialrechtlichen und -gerichtlichen Beurteilung der abhängigen Beschäftigung hinsichtlich Geschäftsführer entspricht.90

III. Eigene Wertung

Unter Beachtung des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs ist die Ansicht des BAG, der sich auch eine Minderheit der gesellschaftsrechtlichen Literatur sowie die arbeitsrechtliche Literatur91 dem Grunde nach anschließt, vorzugswürdig. Die Rechtsprechung des BGH hat in ihrer Klarheit und Eindeutigkeit zwar zugegebenermaßen das Argument der Rechtssicherheit für sich.92 Dies ändert jedoch nichts daran, dass es ausschließlich auf die allgemeinen Abgrenzungskriterien des § 611a Abs. 1 BGB ankommen muss.

Somit kommt es allein auf das Vorliegen arbeitsrechtlicher Weisungen zur Begründung der persönlichen Abhängigkeit an, wobei unter Beachtung des Trennungsprinzips die gesellschaftsrechtliche Weisungsunterworfenheit nach § 37 Abs. 1 GmbHG richtigerweise – wie dies auch der BGH erwähnt – nicht maßgeblich ist. So ist das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht nach § 37 Abs. 1 GmbHG als gesetzlicher Ausdruck des Unter- und Überordnungsverhältnisses der Organe der GmbH zu verstehen, welches grundsätzlich allein unternehmerische Entscheidungen und Weisungen sowie die unternehmerische Ausrichtung der Gesellschaft zum Gegenstand hat.93 Das Weisungsrecht nach § 37 Abs. 1 GmbHG ist grundsätzlich allein der gesellschaftsrechtlichen und organschaftlichen Sphäre zuzuordnen, sodass diese unternehmerischen Weisungen richtigerweise grundsätzlich keinerlei Bedeutung für ein notwendiges arbeitsrechtliches Weisungsrecht haben und dementsprechend einen anderen rechtlichen Charakter als arbeitsrechtliche Weisungen aufweisen.94

Folglich müssen gegenüber dem Geschäftsführer arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen im arbeitsrechtlichen Sinne vorliegen, auf Grundlage dessen die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung – wie Inhalt, Art und Weise der Tätigkeit, Zeit, Dauer, Ort und sonstige Modalitäten – bestimmt werden können. Ob eine solche Weisung hinsichtlich der konkreten Modalitäten der Leistungserbringung vorliegt, muss dann unter Berücksichtigung der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit sowie der wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände beurteilt werden. Demnach werden die unternehmerischen Weisungen zutreffenderweise unmittelbar keine Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Sphäre haben. Gleichwohl können unter Beachtung der tatsächlichen Durchführung des Vertrages Weisungen vorliegen, die eine Qualifizierung als Arbeitnehmer rechtfertigen, obgleich dies – wie das BAG es schon betont – eine Ausnahme darstellen wird.95 Diesbezüglich ist jedoch zu diskutieren, ob unternehmerische Weisungen nicht dennoch mittelbar arbeitsrechtlich wirken können. Insoweit ist zu bedenken, dass es der Gesellschafterversammlung üblicherweise möglich sein wird, nicht nur gesellschaftsrechtlich, sondern auch anstellungsvertraglich Weisungen zu erteilen.96 Wird von dem Weisungsrecht nun Gebrauch gemacht, wird es in der Praxis kaum rechtssicher möglich sein, jedwede Weisung eindeutig der unternehmerischen oder anstellungsvertraglichen Sphäre zuzuordnen. Entscheidend kann es damit letzten Endes nur auf die faktisch feststellbare Wirkung der Weisungen ankommen, nicht auf einen vorher festgelegten rechtlichen Charakter. In diesem Sinne darf es nicht zur unangemessenen, überambitionierten sowie realitätsfernen Anwendung des Trennungsprinzips kommen.97 Betrachtet man sodann den infolge eines umfangreich in Anspruch genommenen Weisungsrechts zum reinen Exekutivorgan98 herabgestuften Geschäftsführer,99 liegt es nahe, dass dem Geschäftsführer neben dem unentziehbaren Bereich der gesetzlichen Mindestpflichten im Einzelfall kaum einmal mehr als der Kernbereich seiner Handlungsbefugnisse verbleibt und er somit unternehmerischen und gesellschaftsrechtlichen Weisungen unterliegt, die zugleich auch die Art und Weise seiner Tätigkeitsausübung in tatsächlicher Hinsicht betreffen und beeinflussen.100

Wird eine klare Trennung der Weisungssphären also nicht durchweg sauber möglich sein, müssen alle Weisungen hinsichtlich der einzelfallbezogenen tatsächlichen Wirkung sowie des Grades der Intensität beachtet werden. Folglich können auch grundsätzlich der unternehmerischen Sphäre entspringende Weisungen derart stark arbeitsbegleitende Vorgaben enthalten, deren damit einhergehende arbeitsrechtliche Wirkung ebenfalls beachtet werden muss. Dieser Herangehensweise könnte zwar wieder das Trennungsprinzip entgegenstehen, gleichwohl darf dieses Prinzip, wie Diller schon beschrieben hat, nicht in allen Fällen überstrapaziert werden. Vor allem in der Praxis werden Weisungen auf beiden Sphärenebenen relevante Wirkung entfalten.101 So kann das Trennungsprinzip beispielsweise auch nicht einerseits dafür herangezogen werden, eine Einheit der Bestellung und Anstellung vorauszusetzen, aufgrund dessen das Organverhältnis den Vorrang vor dem Anstellungsverhältnis erhält und anderseits im Rahmen von gesellschaftsrechtlichen Weisungen der Gesellschafter eine klare Trennung zwischen dem organschaftlichen und anstellungsvertraglichen Bereich vorzunehmen, sodass diese ausnahmslos nur der organschaftlichen Sphäre zugerechnet werden sollen.102 Benötig wird vielmehr eine gewisse einzelfallbezogene Flexibilität, die richtigerweise auf ein Mindestmaß begrenzt sein muss, gleichwohl aber zur Lösung der einzelnen und äußerst seltenen Ausnahmefälle den gewissen Spielraum zur interessengerechten Beurteilung zulässt. Für die grundsätzlich notwendige Beachtung sowie einzelfallabhängige erforderliche flexible Anwendung des Trennungsprinzips und die sachgerechte Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen und organschaftlichen Besonderheiten bietet vor allem die wertende Gesamtbetrachtung gemäß § 611a Abs. 1 S. 4 und 5 BGB ein geeignetes Einfallstor103 zur Erfassung der tatsächlich entfaltenden Bindungswirkung der Weisungen.104 Im Ergebnis wird das Trennungsprinzip und die damit einhergehende Differenzierung zwischen den unternehmerischen und arbeitsrechtlichen Weisungen grundsätzlich vorrangig zu beachten sein und zu sachgerechten Ergebnissen führen.105 Allein das Vorliegen eines Ausnahmefalls kann die einzelfallgerechte Anwendung veranlassen, womit eine sachgerechte Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft möglich sein, die auch nicht zur befürchteten Rechtsunsicherheit106 führen wird.

Für die vorrangige Anwendung des § 611a Abs. 1 BGB sprechen zudem auch gewichtige Gründe der Rechtssicherheit sowie das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG. Ist der Rechtsanwender zwar nicht zwingenderweise ausschließlich an das geschriebene Recht gebunden, soll gleichwohl vorrangig auf Grundlage der Gesetze Recht gesprochen werden.107 Diesen Vorgaben entsprechend bietet der § 611a Abs. 1 BGB, wie vormals auch schon der § 84 Abs. 1 S. 2 HGB, eine allgemein anwendbare gesetzliche Grundlage zur Abgrenzung und Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft, womit es ein Abstellen auf die der BGH-Rechtsprechung zugrunde liegende Kasuistik nicht bedarf.108

Liegt nach dem bereits Gesagten ein die persönliche Abhängigkeit begründendes arbeitsrechtliches Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer vor, stehen der Qualifizierung als Arbeitnehmer zudem – wie dies der BGH anführt – weder der Umfang der Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis noch die Organstellung und die Übernahme der organschaftlichen Funktionen entgegen, da gerade diese Aufgaben unter Beachtung des Trennungsprinzips lediglich das Außenverhältnis der Gesellschaft zu Dritten betreffen und damit keine Schlüsse auf den rechtlichen Charakter des Anstellungsverhältnisses zulassen.109 In diesem Sinne hat das BAG richtigerweise für den Fall der Unter- und Überordnungskompetenz innerhalb einer Mehrpersonen-Geschäftsführung die Arbeitnehmereigenschaft von untergeordnete (Mit-)Geschäftsführer angenommen, bei denen es eben möglich ist, dass diese arbeitsrechtlichen Weisungen des übergeordneten (Mit-)Geschäftsführers unterliegen können, ohne dass der untergeordnete (Mit-)Geschäftsführer in der Wahrnehmung seiner organschaftlichen Pflichten und Funktionen gestört werde.110 Selbiges gilt auch für einen stellvertretenden Geschäftsführer, sofern ein arbeitsrechtlich wirkendes Weisungsrecht vorliegt.111

IV. Ergebnis und Ausblick

Die methodisch und dogmatisch saubere rechtliche Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers hat anhand des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs zu erfolgen, wobei hinsichtlich des Geschäftsführers eine persönliche Abhängigkeit aufgrund fehlender arbeitsrechtlicher Weisungsgebundenheit regelmäßig nicht vorliegen wird. Allein in extremen Ausnahmefällen kann es dennoch sein, dass auch der Geschäftsführer einer arbeitsrechtlichen Weisungsunterworfenheit unterliegt. Bei sachgerechter Anwendung des Trennungsprinzips wird es nötig sein, eine einzelfallbezogene Unterscheidung der Wirkungen der Weisungen zur Bestimmung des Grades der persönlichen Abhängigkeit vorzunehmen.

Ist der Geschäftsführer also „in der Regel“ kein Arbeitnehmer, ist dennoch zu beachten, dass sich ein Geschäftsführer aufgrund seiner Geschäftsführertätigkeit in einer Situation befinden kann, die ihn im Vergleich zu den sonstigen Arbeitnehmern ähnlich schutzbedürftig erscheinen lässt. Allerdings ist nicht die Frage der rechtlichen Einordnung des Anstellungsverhältnisses, sondern vielmehr die Frage, welche Schutzvorschriften des Arbeitsrechts auf den Geschäftsführer entsprechend Anwendung finden können,112 zuvörderst von zentraler Bedeutung. Diesbezüglich ist auch in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt,113 dass dem Geschäftsführer aufgrund einer einzelfallabhängigen Schutzbedürftigkeit ein arbeitsrechtlicher Schutz zukommen kann.114 Kommt eine direkte Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften zugunsten Geschäftsführer also in der Regel nicht in Betracht, ist gleichwohl die analoge Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften – wie der §§ 74 ff. HGB – zu diskutieren.


23 Altmeppen, GmbHG § 6 Rn. 2; MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, § 35 Rn. 14; Erbs/Kohlhaas/Schaal, GmbHG § 6 Rn. 2; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider, GmbHG § 6 Rn. 3. Als weiteres Beispiel muss dem Geschäftsführer die Mindesteinlage der Gesellschafter nach § 8 Abs. 2 GmbHG zur freien Verfügung stehen. Die Notwendigkeit der Gesellschafterversammlung hingegen ergibt sich nicht ausdrücklich aus dem Gesetz, wird jedoch in den §§ 46, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GmbHG vorausgesetzt, vgl. MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, GmbHG § 35 Rn. 13.

Details

Seiten
524
Jahr
2023
ISBN (PDF)
9783631908501
ISBN (ePUB)
9783631908518
ISBN (Paperback)
9783631908495
DOI
10.3726/b21174
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (September)
Schlagworte
Rechtsfortbildung Richterliche Vertragskontrolle Analoge Anwendung Konkretisierung von Generalklauseln Allgemeine Rechtsgedanken Inhaltskontrolle
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2023. 524 S.

Biographische Angaben

Sven Büttner (Autor:in)

Sven Büttner studierte Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum sowie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Nach seinem Studium war er an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht tätig.

Zurück

Titel: Nachvertragliches Wettbewerbsverbot des GmbH-Geschäftsführers
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
526 Seiten