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Die konzeptuellen Metaphern in den Kirchenliedern des zweisprachigen Gebet- und Gesangbuchs «Weg zum Himmel/Droga do Nieba»

von Marek Dziony (Autor:in)
©2024 Monographie 348 Seiten

Zusammenfassung

In dieser Studie wird erstmals die kulturelle Prägung von Metaphern in religiösen Texten einer mehrsprachigen und multikulturellen Region analysiert. Der Autor vergleicht hierzu deutsche und polnische Kirchenlieder des Gesangbuchs Weg zum Himmel/Droga do Nieba und untersucht, wie kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten die konzeptuellen Metaphern in diesen Liedern beeinflussen. Die Metaphern wurden entsprechend den verschiedenen Arten von Kirchenliedern gruppiert, und die metaphorischen Schemata und Szenarien miteinander verglichen. Die sprachliche Analyse erfolgte vor dem historisch-kulturellen Hintergrund der oberschlesischen Region.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Title
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Theoretischer Teil
  • 1. Schlesien als Beispiel einer mehrsprachigen Region
  • 1.1 Zur Geschichte Schlesiens unter Berücksichtigung der sprachlichen Verhältnisse in der Region
  • 1.2 Identität und Identitätenwandel in Oberschlesien
  • 2. Der Beitrag der Kirche zur Pflege der Mehrsprachigkeit in Schlesien
  • 2.1 Zur Sprachpolitik der Kirche in Schlesien seit dem 19. Jh. bis heute
  • 2.2 Zur Geschichte und Rolle der Gesangbücher in Schlesien
  • 2.3 Das Gebet- und Gesangbuch Weg zum Himmel/Droga do Nieba
  • 3. Die konzeptuelle Metapher und ihre Kulturbedingtheit in der religiösen Sprache
  • 3.1 Der Metaphern-Begriff
  • 3.2 Theolinguistik und das Problem der religiösen Sprache
  • 3.3 Das Kirchenlied als Gattung religiöser Sprache
  • 4. Methodologische Vorgehensweise
  • 4.1 Systematische Metaphernanalyse
  • 4.2 Untersuchungsgegenstand
  • 4.3 Metaphern-Schemata und -Szenarios
  • Empirischer Teil
  • 5. Weihnachtslieder
  • 5.1 Projizierungen bildschematischer Art
  • 5.1.1 Gefäß-Schema
  • 5.1.2 Objekt-Schema
  • 5.1.3 Kriegs-Szenario
  • 5.1.4 Zyklus-Schema
  • 5.1.5 Vertikal-Orientierungs-Schema
  • 5.1.6 Quellen-Schema
  • 5.2 Projizierungen nicht-schematischer Art
  • 5.2.1 Gottes-Konzeptualisierung
  • 5.2.1.1 Gott ist Vater
  • 5.2.2 Jesus-Konzeptualisierungen
  • 5.2.2.1 Jesus ist Gott-Mensch
  • 5.2.2.2 Jesus ist Herr
  • 5.2.2.3 Jesus ist Erlöser
  • 5.2.2.4 Jesus ist Kind
  • 5.2.3 Mensch-Konzeptualisierung
  • 5.2.3.1 Der Mensch ist Kind
  • 6. Fastenlieder
  • 6.1 Projizierungen bildschematischer Art
  • 6.1.1 Gefäß-Schema
  • 6.1.2 Objekt-Schema
  • 6.1.3 Kriegs-Szenario
  • 6.1.4 Weg-/Reise-Szenario
  • 6.1.5 Vertikal-Orientierungs-Schema
  • 6.1.6 Pflanzen-Schema
  • 6.1.7 Quellen-Schema
  • 6.2 Projizierungen nicht-schematischer Art
  • 6.2.1 Gottes-Konzeptualisierungen
  • 6.2.1.1 Gott ist Vater
  • 6.2.1.2 Gott ist Herr
  • 6.2.2 Jesus- und Maria-Konzeptualisierungen
  • 6.2.2.1 Jesus ist Gott-Mensch
  • 6.2.2.2 Jesus ist Herr
  • 6.2.2.3 Jesus ist Erlöser
  • 6.2.2.4 Jesus ist Lamm
  • 6.2.2.5 Jesus ist Kind / Maria ist Mutter
  • 6.2.3 Mensch-Konzeptualisierung
  • 6.2.3.1 Der Mensch ist Kind
  • 7. Kommunionlieder
  • 7.1 Projizierungen bildschematischer Art
  • 7.1.1 Gefäß-Schema
  • 7.1.2 Objekt-Schema
  • 7.1.3 Kriegs-Szenario
  • 7.1.4 Reise-/Weg-Szenario
  • 7.1.5 Zyklus-Schema
  • 7.1.6 Nahrungs-Schema
  • 7.1.7 Quellen-Schema
  • 7.2 Konzeptualisierungen nicht-schematischer Art
  • 7.2.1 Jesus-Konzeptualisierungen
  • 7.2.1.1 Jesus ist Gott-Mensch
  • 7.2.1.2 Jesus ist Herr
  • 7.2.1.3 Jesus ist Arzt
  • 7.2.2 Mensch-Konzeptualisierung
  • 7.2.2.1 Der Mensch ist Kind
  • 7.2.3 Sünde-Konzeptualisierung
  • 8. Eucharistische Lieder
  • 8.1 Projizierungen bildschematischer Art
  • 8.1.1 Gefäß-Schema
  • 8.1.2 Objekt-Schema
  • 8.1.3 Weg-/Reise-Szenario
  • 8.1.4 Vertikal-Orientierungs-Schema
  • 8.1.5 Nahrungs-Schema
  • 8.1.6 Flüssigkeits- und Quellen-Schema
  • 8.2 Projizierungen nicht-schematischer Art
  • 8.2.1 Gottes-Konzeptualisierungen
  • 8.2.2 Jesus-Konzeptualisierungen
  • 8.2.3 Mensch-Konzeptualisierungen
  • 8.2.4 Andere Projizierungen nicht-schematischer Art
  • 9. Fazit
  • Bibliographie
  • Abbildungsverzeichnis
  • Verzeichnis der analysierten Kirchenlieder
  • Zusammenfassung

Einleitung

Die Theorie der konzeptuellen Metapher von George Lakoff und Mark Johnson fand seit der Veröffentlichung ihres gemeinsamen Werkes Metaphors We Live By sowohl erklärte Gegner als auch begeisterte Anhänger. Viele haben dank kritischer Überprüfung ihrer Annahmen zur Weiterentwicklung dieser Theorie verholfen. Von ihrer Bedeutung für die Wissenschaft und die Metaphern-Lehre zeugt die Tatsache, dass sie bis heute großes Interesse hervorruft.

Baldauf bemerkt, dass Lakoff und Johnson selbst und in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern1 ihr Metaphernverständnis entwickelt haben (vgl. Baldauf 1997: 29). Die wichtigsten Arbeiten sind hier Johnsons The Body in the mind. The bodily basis of meaning, imagination and reason (1987), Lakoffs Women, fire, and dangerous things. What categories reveal about the mind (1987), Lakoffs und Turners More than cool reason. A field guide to poetic metaphor (1989), Lakkofs und Johnsons Philosophy in the flesh: The embodied mind and its challenge to Western thought (1999). Daneben gibt es eine ganze Reihe von Artikeln, die von den beiden Wissenschaftlern sowie in Zusammenarbeit mit anderen Personen verfasst wurden und die verschiedenen Aspekte der Theorie der konzeptuellen Metapher beleuchten2. Insbesondere mit den kulturellen Aspekten der konzeptuellen Metapher setzt sich Kövecses auseinander. Er untersucht vorwiegend die Konzeptualisierungen verschiedener Emotionen wie Liebe oder Wut innerhalb bestimmter Sprachen und vergleichend zwischen verschiedenen Sprachen. Neben mehreren Artikeln (vgl. Kövecses 2005: 300–301) gehören zu seinen bedeutendsten Werken: Metaphors of anger, pride and love: A lexical approach to the structure of concepts (1986), The language of love. The semantics of passion in conversational english (1988), Emotion concepts (1990), Metaphor and emotion (2000), Metaphor and Culture (2005) und Metaphor. A practical Introduction (2010). Im letztgenannten fasst er die bisherigen Ergebnisse der anglo- amerikanischen und der englischsprachigen Untersuchungen zur konzeptuellen Metapher und Metonymie zusammen. Im Buch Metaphor and Culture befasst er sich mit dem Thema der Universalität und den verschiedenen Ebenen der kulturellen Bedingtheit der metaphorischen Konzepte. Im Literaturverzeichnis des Werkes nennt er auch eine imposante Anzahl von englischsprachigen Arbeiten zur Universalität und kulturellen Bedingtheit der konzeptuellen Metapher innerhalb von verschiedenen Sprachen und im Vergleich verschiedener Sprachen (vgl. Kövecses 2005: 295–305).

In der deutschsprachigen Wissenschaft befassten sich mit dem Thema der konzeptuellen Metapher die schon erwähnten Christa Baldauf (1997) und Olaf Jäkel (2003). Sie versuchten nicht nur die bisherige Entwicklung der Theorie der konzeptuellen Metapher zu verfolgen, ihre Ergebnisse zusammenzufassen, diese zu ergänzen und weiter zu entwickeln, sondern nannten auch Vorläufer der Theorie der konzeptuellen Metapher in der europäischen Philosophie und Sprachwissenschaft. In dieser Strömung bleibt auch die 1993 verfasste Arbeit von Michael Pielenz (1993), der die Theorie von Lakoff und Johnson mit der Theorie von Black in Verbindung bringt. Er unternimmt zudem den Versuch einer Aufteilung der Metapherntheorien in konstruktivistische (Betrachtung der Metapher als Ergebnis eines kognitiven Prozesses) und nicht-konstruktivistische Theorien (Leugnung des Zusammenhangs zwischen Metapher und Kognition). Petra Drewer untersucht die Funktion der Metapher in den Erkenntnisprozessen anhand von Fachtexten der Astrophysik (2003). Sie beweist, dass auch die Naturwissenschaften sich konzeptueller Metaphern bedienen müssen, um ihre Erkenntnisse weiterzuvermitteln. Xiaohu Feng (2003) ist darum bemüht zu zeigen, ob und wie konzeptuelle Metaphern als Konzepte Textkohärenz herstellen. Dies versucht er auf der Grundlage der chinesischen Metaphernforschung zu machen. Susanne Kirchhof (2010) setzt sich zum Ziel, eine diskursorientierte Metaphernanalyse durchzuführen. Sie betont die diskursive Funktion und die Kulturalität der Metaphern und berücksichtigt das Problem der Entstehung bestimmter Metaphern im Diskurs und die Notwendigkeit für die Sprecher, auf diese zurückzugreifen, weil keine anderen zur Verfügung stehen. Wolf-Andreas Liebert (1992) versucht in seiner Arbeit anhand konzeptueller Metaphern einen Beitrag zur kognitiven Lexikographie zu leisten und die Perspektiven derselben zu skizzieren. Dabei hebt er hervor, dass bestimmte kognitive Modelle durch den Zusammenhang mit der sozial-geschichtlichen Entwicklung motiviert, und somit kulturbedingt sind. Derselbe Autor (1997: 180–209) untersucht, wie metaphorische Denkmodelle im Verlauf mündlicher Kommunikation herausgebildet werden. Peter Gansen (2010) widmet sich der interdisziplinären Untersuchung des metaphorischen Denkens im Kindesalter und der Bedeutung der konzeptuellen Metapher für die Pädagogik. Tamás Kispál (2013) unternimmt den Versuch, anhand deutscher metaphorischer Lebens-Idiome die Ausgangsbereiche der Konzeptualisierung des Lebens aufzudecken und diese zu strukturieren. Den Versuch einer umfangreichen zwischensprachlichen Untersuchung der konzeptuellen Metaphern in den romanischen Sprachen (Italienisch, Spanisch, Französisch, Rumänisch)3 finden wir im Sammelband der deutschen Romanisten Alberto Gil und Christian Schmitt (1998). Eine konfrontative Studie zur Nahrungsmetaphorik im Französischen und Deutschen legt Dietmar Osthus (2000) vor.

Die Rolle der konzeptuellen Metapher in der religiösen Sprache wird in dem schon erwähnten Werk Jäkels Wie Metaphern Wissen schaffen (vgl. 2003: 261–2834) untersucht. Ryszard Ziaja (2015) widmet seine Arbeit den konzeptuellen Metaphern in den Kirchenliedern von Paul Gerhard. Dabei versucht er die Hauptthesen der kognitiven Metapherntheorie zu bestätigen. Zwei weitere Untersuchungen zu konzeptuellen Metaphern in der religiösen Sprache von Johannes Hartl (2021) und Benedikt Gilich (2011) gehen einen Schritt weiter und versuchen die Befunde der Theorie für verschiedene Bereiche der Theologie anzuwenden. Seit dem Jahr 2001 entwickelt sich ein Online-Forum für wissenschaftliche Diskussion über die Metapher und Metonymie: metaphorik.de, wo ein sprach- und fachübergreifender Austausch zum Thema stattfindet (vgl. metaphorik.de/de).

In der polnischsprachigen Wissenschaft fand die Metapherntheorie von Lakoff und Johnson bisher keine so breite Resonanz wie in der deutschsprachigen Wissenschaft, was nicht den Beitrag zur kognitiven Linguistik der polnischen Sprachwissenschaftler vermindert. Ewelina Woźniak-Wrzesińska (2018: 333–350) präsentiert eine Zusammenstellung der von ihr ermittelten polnischsprachigen Arbeiten, die sich mit den konzeptuellen Metaphern befassen. Es sind insgesamt 23 sowohl analytische als auch kritische Texte, dabei überwiegen Artikel (22); 19 davon versuchen die Methode der konzeptuellen Metapher anzuwenden, vier weitere kommentieren dieselbe. Mit der konzeptuellen Metapher befasst sich in ihrer Dissertation auch Barbara Konat (2013). An die Theorie von Lakoff und Johnson knüpft in ihrer Untersuchung zu Metaphern in Medien Agnieszka Ogonowska an (2010). Die konzeptuellen Metaphern in der polnischen Rechtssprache untersuchen Sylwia Wojtczak, Iwona Witczak-Plisiecka und Rafał Augustyn (2017). Das Problem der konzeptuellen Metaphern in verschiedenen Bereichen der Wissenschaft und Aspekten des alltäglichen Lebens behandelt die Monografie von Dorota Rybarkiewicz (2017). 2019 hat Aleksander Kiklewicz einen weiteren kritischen Artikel zum Ansatz von Lakoff und Johnson veröffentlicht.

Obwohl, wie die angeführten Beispiele bezeugen, vieles gemacht wurde, finden sich immer wieder Gebiete der Sprache, die mithilfe der Theorie der konzeptuellen Metapher überprüft werden und ihren Wert für die Entwicklung der kognitiven Sprachwissenschaft beweisen. Es betrifft seit einiger Zeit zunehmend nicht nur die Alltagssprache, die Sprache der Wirtschaft und Ökonomie, sondern auch spezifische Sprachbereiche, wie etwa die religiöse Sprache (was die oben genannten Beispiele bezeugen). Die Religion stellt genau diesen Lebensbereich des Menschen dar, der ohne Metaphern unvorstellbar ist, weil er den Menschen das zu vermitteln versucht, was unsichtbar, unfassbar und oft unaussprechlich ist (vgl. Gilich 2011, 11–12). Die genannten Barrieren versuchte der Mensch immer wieder mithilfe des Mediums Sprache zu überwinden und die Religion ist oft das Werkzeug gewesen, das den einzelnen Sprachen zu ihrer Weiterentwicklung verholfen hat (man denke nur an die Werke der Mystiker oder Luthers Bibelübersetzung). Denn die Sprache ist das, was dem Menschen aus seiner Immanenz heraufhilft, um das Transzendente zu erfassen und es zu benennen. Schließlich war „[i]‌m Anfang […] das Wort, und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. […] Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1, 1.14). Die Sprache und die Transzendenz sind und bleiben wohl ein Geheimnis, das viele weitere Geheimnisse verbirgt. Die konzeptuelle Metapher ermöglicht zumindest einige dieser Geheimnisse aufzudecken, um sie den Menschen näher zu bringen.

Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel die Untersuchung der konzeptuellen Metaphern in deutschen und polnischen Kirchenliedern aus dem zweisprachigen Gebet- und Gesangbuch Weg zum Himmel/Droga do Nieba, das von Gläubigen in den Bistümern Oppeln und Gleiwitz, die in den Grenzen von historischen Oberschlesien liegen, benutzt wird5. Dabei geht es in erster Linie darum, die Metaphern unter dem Aspekt kultureller Bedingtheit zu untersuchen, um festzustellen, ob sich in einer mehrsprachigen Grenzregion, wo die deutsche und polnische Sprache seit Jahrhunderten im engen Kontakt bleiben, die metaphorischen Bilder in beiden Sprachen ähneln oder voneinander unterscheiden und worauf diese Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zurückzuführen sind. Um diese Aufgabe überhaupt möglich zu machen und um deren Ergebnisse zu verstehen, muss man zuerst den historisch-kulturellen Hintergrund eines derartigen Unternehmens schaffen, denn jeder, der sich in irgendeiner Weise mit Schlesien bzw. dessen Subregionen befassen will, steht vor einer schwierigen Aufgabe. Auch dann, wenn – wie in dem hier vorliegenden Fall – die sprachlichen Verhältnisse und die Kulturbedingtheit der konzeptuellen Metapher in der Region untersucht werden. Man darf den Schluss wagen, dass es ohne der Kenntnis der Geschichte, der Mentalität, der Identitäts- und Sprachfragen gar nicht möglich ist, zu glaubwürdigen Ergebnissen einer auf Schlesien bezogenen Untersuchung zu kommen. Es scheint, dass man im Falle Schlesiens nicht völlig objektiv sein kann, doch sollte man mithilfe von wissenschaftlichen Werkzeugen zumindest versuchen, möglichst objektive Untersuchungsergebnisse zu erzielen.

Selbst die Begriffe Schlesien, Oberschlesien und Niederschlesien stellen denjenigen, der sich mit dieser Region auseinandersetzen will, vor Fragen und Probleme, die die vorwiegend polnische und deutsche Wissenschaft seit über zwei Jahrhunderten beschäftigen. Tiefgreifende und weitgehende Forschungen machen die Sache nicht einfacher. Schon die Herkunft des Wortes Schlesien ist umstritten und die Diskussion darüber blieb nicht emotionslos und brachte bisher keine eindeutigen Ergebnisse (vgl. Chmiel 2009: 163)6. Die Bestimmung des Begriffs Oberschlesien (poln. Górny Śląsk), der hier insofern relevant ist, weil er sich mit der Ausdehnung des zweisprachigen Gebet- und Gesangbuches Weg zum Himmel/Droga do Nieba weitgehend deckt, ist deswegen schwierig, weil er zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen nationalen Perspektiven mit unterschiedlichen Inhalten verbunden wurde (vgl. Bahlcke 2011: 17, 35). Das thematisierte Gebet- und Gesangbuch ist in zwei von drei oberschlesischen Bistümern, nämlich Oppeln und Gleiwitz (außer dem Erzbistum Kattowitz) von den Gläubigen benutzt, und diese drei sollten räumlich, kulturell und vor allem sprachlich als Einheit unter dem Begriff Oberschlesien zusammengefasst werden (vgl. Worbs 2003: 123; vgl. Fabiańczyk 2021). Dabei entweicht man der Gefahr, einen Fehler zu begehen, denn es gibt keine „richtige“ und keine „falsche“ Verwendung des Begriffes Oberschlesien: Seine terminologische Bedeutung ist immer untersuchungsspezifisch und bedarf jedes Mal einer Konkretisierung bei der Veränderung der ursprünglichen Annahmen (vgl. Bahlcke 2011: 18).

Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Damit man den Gegenstand der Untersuchung und ihren Gedankengang verstehen kann, lohnt es sich zunächst einen Blick auf die Geschichte und die Bedingtheiten der Grenzregion zu werfen. Somit beginnt der erste, theoretische Teil, mit der kurzen Schilderung der Geschichte Oberschlesiens mit besonderer Berücksichtigung der sprachlichen Verhältnisse in der Region.

Im zweiten Kapitel wird die Sprachpolitik der Kirche in Schlesien vom 19. Jh. bis in die Gegenwart dargestellt. Eine besondere Rolle spielten dabei diverse Gebet- und Gesangbücher, sodass auf ihre Geschichte in Schlesien näher eingegangen wird. Besondere Berücksichtigung erfährt dabei der Weg zum Himmel/ Droga do Nieba, da diesem das im Rahmen der Arbeit untersuchte Metaphernkorpus entnommen wird.

Das dritte Kapitel befasst sich mit der Theorie der konzeptuellen Metapher, ihrer Entwicklung und der Kulturbedingtheit der kognitiven Metaphern. Dies alles wird vor dem Hintergrund der Theolinguistik und der Hymnologie betrachtet, da sich das Kirchenlied als Gattung religiöser Sprache auf diese beiden Bereiche bezieht.

Als Nächstes beschreibt das vierte Kapitel die bei der Untersuchung angewandte methodologische Vorgehensweise. Ausgehend von der systematischen Metaphernanalyse wird der Untersuchungsgegenstand detailliert beschrieben. Hier eine kurze Bemerkung: In dieser Arbeit wird zwischen den Textkorpus und dem Untersuchungskorpus unterschieden. Den Untersuchungskorpus bilden die konzeptuellen Metaphern. Um diese zu ermitteln, musste ein Textkorpus zusammengestellt werden, dem sie entstammen. Mit dem Textkorpus werden die vier Liedergruppen bezeichnet, in denen die später besprochenen Metaphern ausfindig gemacht wurden. Zusätzlich werden in diesem Kaitel die im empirischen Teil vorzufindenden metaphorischen Schemata und Szenarios dargestellt, die sich in den untersuchten Liedergruppen wiederholen.

Die weiteren vier Kapitel bilden schon den zweiten, empirischen Teil der Arbeit. In diesen werden die Ergebnisse der systematischen Metaphernanalyse in den untersuchten deutschen und polnischen Weihnachts-, Fasten-, Kommunion- und eucharistischen Liedern dargestellt und miteinander verglichen, um anhand der Gemeinsamkeiten und Unterschiede den Grad der Kulturbedingtheit der konzeptuellen Metaphern in Kirchenliedern aus dem zweisprachigen oberschlesischen Gebet- und Gesangbuch Weg zum Himmel/Droga do Nieba zu bestimmen.

Im neunten Kapitel folgt ein umfangreiches Fazit der Ergebnisse der vorgenommenen Analyse. Bei ihrer Auswertung werden mögliche Gründe sowohl der Universalität als auch der Kulturbedingtheit der konzeptuellen Metapher im Bereich der religiösen Sprache einer zweisprachigen Region, wie Oberschlesien, angegeben.


1 Oder andere Wissenschaftler (vgl. Turner 1987; vgl. Sweetser 1990) selbst.

2 Diese werden von Kövcses (2010: 354, 356) genannt.

3 In der Sprache des Internets, der Presseberichte, der Fußballspiele etc.

4 Im 9. Kapitel.

5 Die Bistümer Oppeln und Gleiwitz liegen in den Grenzen der 1945 von Kardinal August Hlond gebildeten Apostolischen Administratur (man versteht darunter „eine diözesenähnliche Teilkirche […], die aus schwerwiegenden Gründen [noch] nicht als Diözese errichtet wird. Sie ist einem Apostolischen Administrator übertragen, der sie im Namen des Papstes mit ordentlicher stellvertretender Gewalt leitet“ [Listl, 2017: 161]) für das Oppelner Schlesien. Vor 1945 gehörten die Gebiete zu dem von Kardinal Adolf Bertram geleiteten Erzbistum Breslau und dem tschechischen Erzbistum Olmütz (zu dem der Kreis Leobschütz mit dem südlichen Teil des Kreises Ratibor gehörte [vgl. Hanich 2009: 11]). Im Jahr 1972 hat Papst Paul VI. die Frage der kirchlichen Grenzen in den ehemaligen ostdeutschen Gebieten, die nach dem Krieg Polen zufielen, geregelt, und die Apostolische Administratur für das Oppelner Schlesien wurde zur eigenständigen Diözese Oppeln erhoben (vgl. Hanich 2009: 11–13). Das Bistum blieb in seinen Grenzen bis zum 25.03.1992 erhalten. Infolge der von Papst Johannes Paul II. veranlassten Reform der Verwaltungsstruktur der polnischen Kirche (vgl. Drygier 2020: 11) hat man aus dem östlichen, industriellen Teil des Bistums Oppeln das Bistum Gleiwitz herausgesondert (vgl. Hanich 2009: 11). Dabei entsprechen, wie schon erwähnt, die Grenzen der beiden Bistümer nicht gänzlich dem historischen Oberschlesien (vgl. Zarys dziejów Kościoła na Śląsku Opolskim o. A.). Anderseits ist zu berücksichtigen, dass die historischen und gesellschaftlichen Prozesse im westlichen Teil Oberschlesiens (sog. Provinz Oberschlesien) (vgl. Smolorz 2016: 27), anders als in der 1922 gegründeten polnischen Woiwodschaft Kattowitz und der Apostolischen Administratur für Polnisch-Schlesien waren (vgl. Linek 2002: 145; vgl. Archidiecezja Katowicka, 2019). Ebenso verhielt es sich in der schon unter polnischer Regierung aus den genannten westlichen Teil Oberschlesiens in den 50er Jahren des 20. Jh. entstandenen Woiwodschaft Oppeln (vgl. Linek 2014a: 175). Infolge dieser Prozesse gibt es heutzutage im 1925 entstandenen Bistum Kattowitz keine eigenständige Seelsorge für nationale und ethnische Minderheiten, die durch ein zweisprachiges Gebet- und Gesangbuch verfügt; es gibt nur einen Verantwortlichen für die Seelsorge der deutschen Minderheit, seine Stelle ist aber seit dem Jahr 2022 nicht besetzt, (vgl. Archidiecezja Katowicka 2019; Archidiecezja Katowicka 2022).

6 Die Probleme mit der Bestimmung dessen, was der Begriff Schlesien bedeutet, mögen daraus resultieren, dass sich die Grenzen der Region im Laufe der Geschichte mehrmals verändert haben. Ganz am Anfang galt als Schlesien nur das von den Slensanen bewohnte Gebiet. Im Mittelalter bezog sich diese Bezeichnung ausschließlich auf den niederschlesischen Teil: Die niederschlesischen Piasten nannten sich Herzöge von Schlesien, im Unterschied zu den oberschlesischen Piasten, die als Herzöge von Oppeln bekannt waren. Eine natürliche Grenze zwischen den ober- und niederschlesischen Herzogtümern bildete ein breiter, unbewohnter Grenzwaldgürtel, die sog. Preseka. Dieser verlief südlich und östlich der Stadt Neisse, die Glatzer Neiße entlang bis zur Mündung derselben in die Oder, dann Richtung Nordosten, entlang der Stober bis hin zur Prosna (vgl. Chmiel 2009: 164).

Die Bestimmung der natürlichen Grenzen beider schlesischen Subregione wird durch die unterschiedliche staatliche Zugehörigkeit der Region im Laufe der Zeit kompliziert, weil sie verschiedene Bedeutungen des Begriffs Schlesien mit sich brachte und die Entstehung anderer verwandter Begriffe bewirkte. Im deutschsprachigen Raum wird mit Schlesien die ganze Region in ihren historischen Grenzen (von der mittleren Oder, der Lausitzer Neiße, den Beskiden und der Mährischen Pforte begrenzt), unabhängig von der staatlichen Zugehörigkeit der einzelnen Teile, bezeichnet. Wenn die Rede von Oberschlesien ist, meint man damit die heutige Woiwodschaft Oppeln (ohne den Landkreis Namslau und den Hauptteil des Landkreises Brieg), die oberschlesischen Gebiete in der Woiwodschaft Schlesien und den tschechischen Teil Schlesiens. Die österreichische Geschichtsschreibung verstand unter „Schlesien“ den nach den Schlesischen Kriegen in der Habsburger Monarchie verbliebenen Teil der Region, den die Herzogtümer Teschen (Ostschlesien) und Troppau/Jägerndorf (Westschlesien) bildeten. Den größten Wandel hat der Begriff in der polnischen Sprache erfahren. Der Name Schlesien wird mit der 1922 gegründeten Woiwodschaft Schlesien (oberschlesische Gebiete, die nach der Volksabstimmung dem polnischen Staat einverleibt wurden) oder in der neuesten Zeit mit der 1999 neu gegründeten Woiwodschaft Schlesien (oberschlesisches Industriegebiet mit den Kreisen Saybusch, Myszków, Kłobuck, Zawiercie, Tschenstochau und dem Dombrowa-Revier) assoziiert, obwohl sich das historische Schlesien in den Grenzen von Polen noch auf drei weitere Woiwodschaften (Oppeln, Niederschlesien und Lebus) ausdehnt. Diese Beschränkung mag wohl daraus resultieren, dass in das Polnische die meisten verwandten Begriffe Einzug gefunden haben, welche die einzelnen Teile Schlesiens bezeichnen. So wird der westliche Teil Oberschlesiens, der 1922 bis 1945 in den deutschen Staatsgrenzen geblieben ist (vgl. Linek 2002: 145), als Oppelner Schlesien (poln. Śląsk Opolski), der in Tschechien gebliebene Teil des sog. Westschlesiens als Troppauer Schlesien (poln. Śląsk Opawski) und das zwischen Polen und Tschechien geteilte Ostschlesien als Teschener Schlesien (poln. Śląsk Cieszyński) bezeichnet. Historisch betrachtet, hat sich die Bezeichnung Schlesien (poln. Śląsk) im Laufe des 19. Jh. auf Kosten von Oberschlesien (poln. Górny Śląsk) in der polnischen Sprache immer stärker durchgesetzt und nach dem Ersten Weltkrieg, der Teilung Oberschlesiens und der Gründung der polnischen Woiwodschaft Schlesien (poln. województwo śląskie) 1922 die zweite ersetzt. Der in Deutschland verbliebene Teil wurde seitdem in der polnischen Sprache als Oppelner Schlesien (poln. Śląsk Opolski) bzw. Oppelner Land (poln. Opolszczyzna) bezeichnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Grenzverschiebung hat sich die Situation noch mehr kompliziert, denn der Name Schlesien wurde seither eher inkonsequent benutzt. Die Oberschlesier bezeichnen sich heutzutage selbst als Schlesier (poln. Ślązacy) und ihren Dialekt als schlesisch (poln. śląski). Auch die Bezeichnung Oppelner Schlesien hat sich weitgehend durchgesetzt, worauf z. B. der Name der deutschen Volksgruppe in der Woiwodschaft Oppeln, nämlich Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien, hinweist. Zwar erlebte der Begriff Oberschlesien in den 90er Jahren des 20. Jh. eine Renaissance, doch er wurde weitgehend nur auf den östlichen Teil (das Industriegebiet) bezogen. Mehr Konsequenz in der Benutzung der Bezeichnung Oberschlesien zeigte die katholische Kirche. Nach der Neuordnung der kirchlichen Strukturen im Jahre 1992 entstand aus den Bistümern Kattowitz, Gleiwitz und Oppeln die oberschlesische Kirchenprovinz. So hat die kirchliche Provinz die historischen Grenzen von Oberschlesien (bis auf die Gegend von Bielitz, die als Bistum Bielitz-Saybusch der Krakrauer Kirchenporvinz angehört, und den tschechischen Teil Oberschlesiens) weitgehend behalten (vgl. Chmiel 2009: 164–171; mit der Bedeutung und dem Verständnis dessen, was man unter dem Begriff Oberschlesien in verschiedenen Zeitperioden verstanden hat, setzt sich auch Bahlcke 2011: 24–35) auseinander.

Details

Seiten
348
Jahr
2024
ISBN (PDF)
9783631911280
ISBN (ePUB)
9783631911297
ISBN (Hardcover)
9783631910900
DOI
10.3726/b21354
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (April)
Schlagworte
Konzeptuelle Metapher metaphorische Schemata und Szenarios konfrontative Analyse Kirchenlied Gebet- und Gesangbuch Grenzregionen Multikulturalität und Mehrsprachigkeit Oberschlesien
Erschienen
Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford, 2024. 348 S., 40 s/w Abb., 1 Tab.

Biographische Angaben

Marek Dziony (Autor:in)

Marek Dziony absolvierte sein Studium in Germanistik und Theologie an der Universität Oppeln. Er ist ständiger Diakon und Leiter der Deutsch-Polnischen Joseph-von-Eichendorff-Caritas-Zentralbibliothek in Oppeln. Zudem ist er als Übersetzter tätig.

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Titel: Die konzeptuellen Metaphern in den Kirchenliedern des zweisprachigen Gebet- und Gesangbuchs  «Weg zum Himmel/Droga do Nieba»