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Rainer Maria Rilke und Rudolf Bodländer

Briefe in schwierigen Zeiten

von Erich Unglaub (Autor:in)
©2024 Prompt 68 Seiten

Zusammenfassung

Der Band rekonstruiert den Lebenslauf des aus der Berliner jüdischen Gesellschaft stammenden und 1933 nach Paris und in die USA emigrierten Rudolf Bodländer (1903-1988). Angelpunkte sind bisher z.T. erstmals publizierte Briefe aus der Korrespondenz mit Rainer Maria Rilke, Anton Kippenberg und C.G. Jung. Im März 1922 erhielt der Dichter Rainer Maria Rilke ein erstes Schreiben des ihm völlig unbekannten jungen Manns. Rudolf Bodländer war ein begeisterter Rilke-Leser und stand vor einer schwierigen Berufswahl: Er sollte nach dem Willen der Eltern Jura studieren, hatte jedoch eine Neigung zu Geisteswissenschaften. Ohne den Briefschreiber je getroffen zu haben, gab Rilke eine hilfreiche Wegweisung. Sie begleitete den jungen Mann ins Berufsleben, in die Emigration nach Frankreich und 1941 mit den Briefen des Dichters im Gepäck in die USA. Aus dem Internierungslager heraus wurde der Bücherliebhaber zum Korrespondenzpartner des Zürcher Psychologen C.G.Jung und in der Neuen Welt als Rudolf C. Bodlander zu einem Vertreter der Analytischen Psychologie mit Studien zu Heraklit und Franz Kafka.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Vorwort
  • Ein verlorener Adressat
  • Der „junge Mensch“
  • Exil
  • Zwischen Alter und Neuer Welt
  • Impuls und neue Utopie
  • Literaturverzeichnis

Vorwort

Diese kleine Studie widmet sich dem Andenken eines jungen Manns, der sich im Frühjahr 1922 an einem berühmten Dichter mit für ihn in einer Lebensentscheidung schwierigen Frage mit der Bitte um Rat wandte. Rudolf Bodländer wurde durch die ausführlichen Antworten von Rainer Maria Rilke zu einer wichtigen Person in der ausgedehnten ‚Briefwelt‘ des Dichters, der in seinen letzten Lebensjahren nicht nur Rat gab, sondern auch Aufschlüsse über sein eigenes Leben und Werk. So sind Rilkes Briefe an Bodländer häufig zitierte Referenzen der Forschung.

Leider ist über den damals jungen Manns aus Berlin bislang wenig bekannt geworden. Auch sein jüdischer Hintergrund und sein Verfolgungsschicksal blieben so unbeachtet. Seine Spur schien über die Jahre verwischt, sein Leben und seine Anliegen von weitergehenden Forschungsinteressen überdeckt.

Nun sind aus dem Archiv der Rilke-Familie und der Familie Bodländer Dokumente zugänglich geworden, die ein deutlicheres Bild von Rudolf Bodländer zu gewinnen ermöglichen und seinen schwierigen und gefahrvollen Lebenslauf zu würdigen. Rudolf Bodländer war mehr als nur ein Stichwortgeber für Rilkes Briefe.

Diese Recherche konnte nur mit Unterstützung der Familie von Rudolf Bodländer erfolgen. Besonderer Dank geht dabei an Gerald J. Bodlander. Eine große Hilfe war auch die Unterstützung von Hella Sieber-Rilke (Rilke-Archiv, Gernsbach). Dokumente stellten dankenswerterweise zur Verfügung: Deutsches Literaturarchiv (Marbach am Neckar), die Akademie der Künste (Berlin), das Leo Baeck Institute (New York), das Bundesarchiv (Berlin) und die Fondation Rilke, (Sierre).

Bad Harzburg, April 2024

Erich Unglaub

Ein verlorener Adressat

In Rilkes ausgedehntem Briefwechsel erscheint im Frühjahr 1922 für eine kurze Zeit ein junger Mann. Der Dichter antwortet ihm mit zwei Briefen, die in der Folge in vielen Publikationen zitiert werden. Der Verleger Siegfried Unseld charakterisierte (1976): „In einem großartigen Brief vom 13. März 1922 fasst Rilke, als Antwort auf den Ruf eines jungen Mannes, noch einmal zusammen, was für ihn Kunst ist.“1 Nicht ganz unbedeutende Impulse sind von diesem kurzen Austausch ausgegangen.2 Nun ist es durchaus nicht ganz selten, dass junge Menschen sich mit der Bitte um Orientierung an bekannte Persönlichkeiten wenden, auch bei Rilke sind die Fälle bekannt: Der Banater Schriftsteller Franz Kappus, der sich mit einem Schreiben an ihn gewandt hat, hat die Folge der ‚Briefe an einen jungen Dichter‘ (1903–1909) veröffentlicht, andere Anstöße sind weniger dauerhaft geblieben, manche Briefschreiber sind wieder ‚verschwunden‘ und für die Forschung nicht mehr auffindbar.3 Ein ziemlich verlässliches Repertoire der Rilke-Kontakte bietet die ,Rilke-Chronik‘, die das Leben des Dichters von Tag zu Tag dokumentiert. Hier taucht der junge Mann von 1922 mit Namen auf: Rudolf Bodländer. Das Register vermerkt (1975) dazu: „(*1903), studierte Jura, wurde Bankfachmann; er lebte in Berlin“.4 Der Wortlaut wird in den revidierten Neuausgaben von 19965 und 20096 wiederholt. Mehr scheint nicht bekannt zu sein über diese Person, die bei Rilke wichtige Stellungnahmen zu Kunst und Künstler,7 aber auch freimütige Äußerungen zum Thema Sexualität ausgelöst haben. War der Adressat nur ein trockener Bankangestellter?

Es erscheint wenig glaubhaft, dass Rilke hinter dem ihm bis dahin völlig unbekannten Briefschreiber nichts anderes, nicht mehr vermutet und doch eine durchaus ernsthafte Antwort formuliert hatte. Rilkes erster Brief, die Antwort an den Neunzehnjährigen, erschien im Frühjahr 1935 in der Zeitschrift ‚Das Inselschiff‘ der Hauszeitschrift des Inselverlags.8 Es war der Vorabdruck aus dem angekündigten Rilke-Band ‚Briefe aus Muzot‘. Er steht hier an erster Stelle, es folgt nur noch der Brief „An Frau Nora Gräfin Purtscher-Wydenbruck“. Als Adressat des ausschnittsweise wiedergegebenen Schreibens wird „Rudolf Bodländer“ genannt. Das ist eine eher lapidare Redaktionsnotiz, denn wohl kaum jemand unter den Rilke-Lesern kannte den Namen. Die Bedeutung des Briefs wird nur durch eine Mittteilung des Verlags zum Gesamtband erkennbar: „Die ganze Strenge und ernste Auffassung vom Leben, aber auch die schöne Bereitschaft des Einsamen zur Teilnahme am Dasein der anderen haben in diesen Briefen ihren vollkommenen Ausdruck gefunden.“9

Die Briefausgabe des folgenden Jahrs (1936) druckt die beiden Briefe (vom 13. und 23. März 1922) Rilkes an Bodländer im ganzen Wortlaut, allerdings ohne weiteren Kommentar ab, Bodländer ist lediglich in der Liste der Empfänger verzeichnet. Die Herausgeber wussten allerdings, dass er inzwischen nach Paris emigriert war. Doch das war eine Information, deren Veröffentlichung damals nicht ratsam war.10 Im Nachwort der Sammlung wird eine allgemeine Begründung für die Aufnahme der Schreiben erkennbar: „Es ist der Jugend ein natürliches Bedürfnis nach dem Rilkeschen Zuspruch vorhanden, wie die hohe Auflagenziffer der ‚Briefe an einen jungen Dichter‘ beweist. Eine ähnliche Hilfe kann sich die junge Generation aus den hier veröffentlichten Briefen holen, und diese Hilfe ihr nicht vorzuenthalten, erschien uns Pflicht.“11 Dies betonen die Herausgeber Ruth Sieber-Rilke und Carl Sieber mit der Datierung „Weimar, Januar 1935“.12 Die Ausgabe erschien unverändert 1937 und 1940.

Inmitten dieser sehr erfolgreichen Briefpublikationen erschien ein gesonderter Band (1936) mit Rilkes Briefen an den Verleger der Insel, Anton Kippenberg und dessen Frau Katharina Kippenberg, die der Dichter als „meine lieben Freunde“ anspricht. Ein Schreiben ist datiert vom selben Tag (13. März 1922) wie Rilkes erste Antwort an Rudolf Bodländer. Rilke berichtet an die Freunde in Leipzig:

Details

Seiten
68
Erscheinungsjahr
2024
ISBN (PDF)
9783631920688
ISBN (ePUB)
9783631920695
ISBN (Paperback)
9783631920671
DOI
10.3726/b22035
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (August)
Schlagworte
Rudolf Bodländer Emigration Judentum Rainer Maria Rilke
Erschienen
Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford, 2024., 68 S., 1 farb. Abb., 3 S/W-Abb.
Produktsicherheit
Peter Lang Group AG

Biographische Angaben

Erich Unglaub (Autor:in)

Erich Unglaub studierte Germanistik, Geschichte und Politik in München. Auf das Staatsexamen folgte die Promotion zur Rezeption des Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz. Er hatte Dozenturen für Komparatistik und Germanistik an den Universitäten in München, Innsbruck und Aarhus (Dänemark) inne und erhielt 1995 den Ruf an die Universität Flensburg, 2001 an den Lehrstuhl für Deutsche Literatur und ihre Didaktik an der TU Braunschweig. Er war 2014-2021 Präsident der internationalen Rilke-Gesellschaft und ist Mitherausgeber der Rilke-Blätter.

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Titel: Rainer Maria Rilke und Rudolf Bodländer