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Datenaustausch in der Wissenschaft

Inwieweit trifft den Staat eine Gewährleistungsverantwortung für eine Forschungsdateninfrastruktur?

von Miriam Tormin (Autor:in)
Dissertation 340 Seiten

Zusammenfassung

Um der zunehmenden Bedeutung des Teilens wissenschaftlicher Daten gerecht zu werden, bedarf es einer umfassend vernetzten, standardisierten Infrastruktur, die dem wissenschaftlichen Austausch von Forschungsdaten Vorschub leistet. Eine solche Infrastruktur ist auf staatliche Hilfe angewiesen, um ein ausreichendes Speichervolumen, eine adäquate Vernetzung auch mit internationalen Datenbanken sowie eine langfristige Finanzierung zu garantieren. Die Arbeit geht der Frage nach, welche Verantwortung der Staat bei der Bereitstellung und Aufrechterhaltung dieser Infrastruktur im Lichte der Wissenschaftsfreiheit trägt. Zudem werden rechtliche Aspekte bei der Umsetzung einer Forschungsdateninfrastruktur beleuchtet, insbesondere hinsichtlich Datensicherheit, Interoperabilität und Zugangsgewährung.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titelseite
  • Copyright-Seite
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • Liste der Abkürzungen
  • Kapitel 1: Einleitung
  • A. Begriffsbestimmungen und Ausdifferenzierung des Untersuchungsgegenstands
  • I. Forschungsdaten
  • 1. Begriffsklärung
  • 2. In der Untersuchung behandelte Daten
  • 3. Ausschluss datenschutzrechtlicher Fragen
  • a) Anonymisierung
  • b) Künftige Forschungsprivilegien beim Umgang mit personenbezogenen Daten
  • II. Datenteilen
  • III. Speichermedien
  • B. Erkenntnisinteresse der Untersuchung
  • I. Stand der Forschung
  • II. Staatliche Infrastrukturgewährleistungsverantwortung für Forschungsdaten
  • III. Aufbau und Design der Datenbanken
  • C. Methodisches Vorgehen und Gang der Untersuchung
  • Kapitel 2: Ausgangslage
  • A. Potenziale von Data Sharing in der Wissenschaft
  • I. Effizienzgewinne in der Forschung
  • II. Lösungsansätze für die Klimakrise
  • III. Ressourcenschonung und weniger Tierversuche
  • IV. Validierung geteilter Daten
  • V. Internationale Nutzung vorhandener Daten
  • VI. Weitere Profiteure
  • B. Problemaufriss: Kaum ausreichender Datenaustausch in der Praxis
  • I. Reproduktions- und Auffindbarkeitskrise
  • II. Herausforderungen der Rationalität und Überprüfbarkeit in der Wissenschaft bei unzureichendem Datenaustausch
  • III. Ursachen: Unzureichende Infrastruktur sowie mangelnde Bereitschaft und Expertise der Datenerheber
  • C. (Infrastrukturelle) Maßnahmen zur Förderung des Forschungsdatenaustauschs
  • I. Auf der internationalen Bühne
  • II. In Deutschland
  • 1. Initiativen von Forschungsförderorganisationen
  • 2. Politisches Engagement für mehr Datenaustausch in der Wissenschaft
  • 3. Die Nationale Forschungsdateninfrastruktur
  • D. Konsequenzen
  • Kapitel 3: Forschungsdatenbanken als Infrastruktur
  • A. Der Infrastrukturbegriff
  • I. Infrastrukturarten
  • 1. Materielle Infrastruktur
  • 2. Institutionelle Infrastruktur
  • 3. Personelle Infrastruktur
  • II. Typische Infrastruktureigenschaften
  • 1. Lange Planungs- und Nutzungsdauer
  • 2. Zweck- und Standortgebundenheit
  • 3. Netzgebundenheit
  • 4. Unterscheidung zwischen Infrastruktur und Betrieb
  • 5. Keine Rivalität in der Nutzung
  • B. Funktionen von Infrastruktur und ihr Gemeinwohlbezug
  • I. Lenkungs-, Planungs- und Anschubfunktion
  • II. Vermittlungsfunktion
  • III. Gemeinwohlbezug
  • C. Kostenintensität und Finanzierung
  • I. Hoher Kapitalbedarf bei oft fehlender Rentabilität
  • II. Finanzierung über Nutzungsgebühren
  • III. Politische und wirtschaftliche Kriterien bei der Investitionsentscheidung
  • D. Infrastruktur am Beispiel von Geodaten
  • I. Die INSPIRE-Richtlinie
  • II. Umsetzung in Deutschland
  • III. Übertragbarkeit auf Forschungsdatenbanken
  • 1. Metadaten und Dienste als wesentlicher Bestandteil der Infrastruktur
  • 2. Nutzungsbedingungen
  • 3. Komposition aus einem europäischen Datenportal und ergänzenden mitgliedstaatlichen Infrastrukturen
  • Kapitel 4: Herleitung einer staatlichen Infrastrukturgewährlei-stungsverantwortung für Forschungsdatenbanken
  • A. Bereitstellung der Infrastruktur als Staatsaufgabe
  • B. Infrastrukturgewährleistungsverantwortung
  • I. Verantwortung
  • 1. Komponenten der Verantwortung
  • 2. Verantwortung als Rechtsbegriff
  • a) Synonyme für Verantwortung
  • aa) Zuständigkeit und Kompetenz
  • bb) Befugnis, Obliegenheit und Pflicht
  • b) Staatliche Verantwortung
  • 3. Verantwortungsteilung unter den Verantwortungsträgern
  • a) Ursprung der Verantwortungsteilung
  • b) Verantwortungsteilung bei Forschungsdatenbanken
  • II. Die Gewährleistungsverantwortung
  • 1. Gewährleistungsverantwortung allgemein und in Bezug auf Forschungsdatenbanken
  • a) Gemeinwohlsicherung
  • b) Subsidiarität gegenüber privatem Handeln
  • c) Prognoseabhängigkeit
  • 2. Kritik am Begriff der Gewährleistungsverantwortung
  • III. Die Infrastrukturgewährleistungsverantwortung für Forschungsdatenbanken
  • C. Herleitung aus hoheitlichen Vorgaben zum Teilen von Forschungsdaten
  • I. Rechtlicher Vorgaben
  • 1. De lege lata
  • 2. De lege ferenda
  • II. Gewährleistungsverantwortung aus dem Gedanken eines „Konsequenzgebots“
  • 1. Konzept des Konsequenzgebots in Bezug auf die Gewährleistung einer Forschungsdateninfrastruktur
  • 2. Verstärkung der Direktivkraft des Konsequenzgebots aufgrund der Grundsätze der Folgerichtigkeit und des Vertrauensschutzes
  • III. Garantenstellung zur Herleitung einer Gewährleistungsverantwortung
  • IV. Fragen der Kompetenzabgrenzung
  • V. Zwischenergebnis
  • D. Verfassungsrechtliche Herleitung
  • I. Verankerung in der Wissenschaftsfreiheit
  • 1. Subjektiver Anspruch auf eine staatliche Gewährleistung einer Infrastruktur für Forschungsdaten
  • a) Infrastruktur-Anspruch aus dem abwehrrechtlichen Gehalt des Grundrechts
  • b) Infrastruktur als originärer Leistungsanspruch des Forschers
  • aa) Bestehende originäre Leistungsansprüche aus Grundrechten
  • bb) Anspruch aus Sicht der Datennutzer
  • cc) Anspruch aus Sicht derer, die ihre Daten einspeisen wollen
  • c) Derivativer Teilhabeanspruch an der Infrastruktur
  • d) Annex zu einem Anspruch auf Informationszugang
  • e) Zusammenfassung
  • 2. Objektiv-rechtliche Dimension der Wissenschaftsfreiheit zur Begründung einer Gewährleistungsverantwortung
  • a) Kommunikativer Aspekt der Wissenschaftsfreiheit
  • b) Gemeinwohlbezug und gesellschaftliche Bedeutung des Grundrechts
  • c) Schutzpflicht für eine Forschungsdateninfrastruktur?
  • aa) Untermaßverbot
  • bb) Schutzpflichten jenseits des Untermaßverbots
  • cc) Begünstigte von potenziellen Schutzpflicht-Maßnahmen
  • dd) Gestaltungsspielraum des Staates
  • d) Gewährleistungsverantwortung aus einer Vorsorgepflicht
  • II. Verfassungsrechtliche Herleitung mithilfe des Grundrechts auf Informationsfreiheit
  • 1. Der klassische Schutzgehalt der Informationsfreiheit
  • 2. Effektivitätsorientierte Auslegung der Informationsfreiheit
  • a) Vorüberlegung: Das Verhältnis von Daten zu Informationen und der Wissenschaftsfreiheit zur Informationsfreiheit
  • b) Internationaler und europäischer Einfluss auf die Auslegung der Informationsfreiheit
  • c) Gewährleistungsverantwortung für einen Informationszugangsanspruch
  • d) Gewährleistungsverantwortung aus der objektiv-rechtlichen Komponente
  • III. Handlungspflicht aus kumulativer Verstärkung verfassungsrechtlich geschützter Interessen
  • 1. Schutzpflicht des Staates für Leben und Gesundheit
  • 2. Klima- und Tierschutz als verfassungsrechtliche Maßstäbe
  • 3. Rechtsstaats-, Demokratie- und Sozialstaatsprinzip
  • 4. Kompetenznormen
  • E. Ergebnis
  • Kapitel 5: Ausgestaltung der Forschungsdateninfrastruktur
  • A. Inhalt und Umfang der Gewährleistungsverantwortung
  • I. Errichtung und Betrieb der Infrastruktur
  • II. Gewährleistung der Sicherheit der eingespeisten Daten und der Nutzerdaten
  • 1. Forschungs- und Nutzerdaten als vulnerables Schutzgut
  • 2. Mögliche Kontrollmechanismen
  • III. Fragen der Vernetzung und einheitlicher Standards
  • 1. Überregionale und fachübergreifende Vernetzung
  • 2. Internationale Vernetzung
  • 3. Einheitliche technische Standards
  • 4. Standards guter wissenschaftlicher Praxis
  • a) Qualität der Daten
  • b) Umfang der Datenspeicherung
  • c) Kontrolle der Einhaltung
  • B. Verhältnis zwischen Staat und Privaten bei der Aufgabenwahrnehmung
  • I. Formen der Beteiligung Privater
  • II. Beteiligte Akteure
  • III. Aufgabenteilung
  • 1. Aufbau, Ausbau und Betrieb der Infrastruktur
  • 2. Sicherheit, Vernetzung und Standardsetzung
  • a) Gewährleistung der Sicherheit der Daten und der Nutzer
  • b) Vernetzung
  • c) Standardsetzung
  • IV. Verteilung der Finanzierungslast
  • 1. Wissenschaftsexterne Finanzierung
  • 2. Wissenschaftsinterne Finanzierung
  • a) Kostenindividualisierend
  • b) Kostenkollektivierend
  • c) Zwischenfazit
  • V. Ausblick
  • C. Ausgestaltung des Zugangs zu den Daten
  • I. Der verfassungsrechtliche Rahmen
  • II. Art und Umfang des Datenzugangs unter Berücksichtigung international entwickelter Prinzipien
  • 1. Openness by design
  • a) Offener Zugang
  • aa) Begriff
  • bb) Umsetzung innerhalb des (grund-)rechtlichen Rahmens
  • b) Eingeschränkter Zugang
  • aa) Zugangsberechtigte, ihre Rechte und Pflichten
  • (1) Auswahl des Nutzerkreises
  • (2) Zugangserteilungsverfahren
  • (3) Pflichten des Zugangsberechtigten
  • bb) Entscheidungsgremium und Differenzierungkriterien bei der Zugangsentscheidung
  • cc) Zugriffsform und Bereitstellungsfrist
  • 2. FAIR Data
  • 3. Five Safes Model
  • III. Regulatorischer Rahmen
  • Kapitel 6: Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen
  • A. Das „Ob“ der Gewährleistungsverantwortung für eine Forschungsdateninfrastruktur
  • B. Ausgestaltung des „Wie“ bei einer Infrastrukturgewährleistungsverantwortung
  • I. Inhalt der Verantwortung
  • II. Verantwortungsteilung
  • 1. Verantwortung der Forscher, ihrer Einrichtungen und der wissenschaftlichen Gemeinschaft
  • 2. Verantwortung der Datenbankbetreiber
  • 3. Verantwortung des deutschen Staates
  • III. Zugangsgestaltung
  • C. Schlusswort
  • Glossar
  • Literaturverzeichnis
  • Back Cover

Liste der Abkürzungen

Abs.

Absatz

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

allg.

allgemein/allgemeine/allgemeines/allgemeiner

Anm.

Anmerkung

ArbSchG

Arbeitsschutzgesetz

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

Aug.

August

a.A.

andere Ansicht

ähnl.

ähnlich

BauGB

Baugesetzbuch

Bd.

Band

BeckOK

Beck’scher Online-Kommentar

Begr.

Begründer

Beschl.

Beschluss

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

BHO

Bundeshaushaltsordnung

BStG

Bundesstatistikgesetz

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Bundesverfassungsgerichtsentscheidung

bzgl.

bezüglich

bzw.

beziehungsweise

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BK

Bonner Kommentar

bspw.

beispielsweise

BT-Drs.

Bundestagsdrucksache

ders.

derselbe

dies.

dieselbe

DS-GVO

Datenschutzgrundverordnung

DSchR

Datenschutzrecht

DVBl.

Deutsche Verwaltungsblätter

EG

Europäische Gemeinschaft

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EL

Ergänzungslieferung

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

EU

Europäische Union

EUV

Vertrag über die Europäische Union

f.

folgend

ff.

folgende

FG

Festgabe

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

gem.

gemäß

GG

Grundgesetz

GVwR

Grundlagen des Verwaltungsrechts

GRC

Grundrechte-Charta

grds.

grundsätzlich

Hdb.

Handbuch

HGrG

Haushaltsgrundsätzegesetz

Hrsg.

Herausgeber

h.M.

herrschende Meinung

IKRK

Internationales Komitee vom Roten Kreuz

insb.

insbesondere

i.R.d.

im Rahmen des/der

i.d.R.

in der Regel

i.E.

im Ergebnis

i.V.m.

in Verbindung mit

J

Journal (Abkürzung in amerikanischen Zeitschriften)

Lit.

Literatur

lit.

littera (Buchstabe)

MüKo

Münchener Kommentar

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NFDI

Nationale Forschungsdateninfrastruktur

NIH

National Institutes of Health (US-amerikanischer Forschungsförderer)

Nov.

November

Nr.

Nummer

NRW

Nordrhein-Westfalen

OVG

Oberverwaltungsgericht

öff.

öffentlich

OWiG

Ordnungswidrigkeitengesetz

Rn.

Randnummer

RegE

Regierungsentwurf

RL

Richtlinie

Rspr.

Rechtsprechung

S.

Seite

SGB

Sozialgesetzbuch

st.

ständige

StGB

Strafgesetzbuch

StR

Staatsrecht

TK

Telekommunikation

TKG

Telekommunikationsgesetz

UNFCC

Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen

u.

und

u.a.

unter anderem

u.U.

unter Umständen

USA

Vereinigte Staaten von Amerika

v.

vom/von

VG

Verwaltungsgericht

vgl.

vergleiche

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

WRV

Weimarer Reichsverfassung

z.B.

zum Beispiel

ZPO

Zivilprozessordnung

Kapitel 1: Einleitung

Deutschland entwickelt sich von einer Industrienation zu einer Wissensgesellschaft. Daten sind für die Digitalisierung, was Kohle für die Industrialisierung war. Sie sind der Rohstoff der Zukunft.1 Anders als Güter wie Erdöl und Stahl sind sie unsichtbar, von räumlichen Grenzen unabhängig und lassen sich beliebig oft teilen, ohne sich abzunutzen.

Wertschöpfungsprozesse basieren zunehmend auf kodierten Informationen.2 Das trifft insbesondere auf die Wissenschaft zu. Sachliche Informationen sind die Basis für empirische Versuche einzelner Forscher.3 Der Erkenntnisbedarf wächst beständig.4 Forschungsdaten gelten zunehmend als wichtiger wissenschaftlicher Output.5 Neue Entdeckungen bauen regelmäßig auf bestehenden auf. Um Erkenntnisse zu gewinnen und weiterzugeben,6 ist die Wissenschaft auf eine umfassende Öffnung von Datensätzen angewiesen.7 Dafür bedarf es verfügbarer Informationen über eine zugängliche Dateninfrastruktur.

So wie die ökonomische Infrastruktur das Fundament jeder Volkswirtschaft ist,8 ist eine Forschungsinfrastruktur elementar für eine funktionierende, leistungsfähige und produktive wissenschaftliche Gemeinschaft. Der Wandel von einer Industrie- zu einer Informationsgesellschaft erfordert auch in der wissenschaftlichen Praxis technische Anpassungen, Mobilität von Ideen und jederzeit zugängliche Informationen.9 Der heutige Lebensstandard ist ohne Energieverteilungssysteme nicht denkbar. Entsprechend ist der wissenschaftliche Betrieb künftig ohne miteinander verbundene Datenrepositorien kaum vorstellbar.

Ein funktionierender Wissenschaftsbetrieb ist unabdingbares Fundament für freiheitlichen, gesellschaftlichen Fortschritt. Der Austausch von verknüpfbaren, weiterverwertbaren Forschungsdaten gewinnt dabei an Relevanz.10 Damit der Forschungsstandort Deutschland in der europäischen und transnationalen Forschung attraktiv und wettbewerbsfähig bleibt, sollte er die Potenziale verfügbarer und vernetzter Daten11 ausschöpfen. Um zukünftig anschlussfähig im internationalen Wirtschaftsbetrieb zu agieren, braucht Deutschland eine geregelte Infrastruktur, die Daten aufbewahrt, verknüpft, zugänglich und damit verwertbar macht.12

Deutsche Behörden üben sich bereits in einer Transparenzkultur und ermöglichen auf Grundlage des Open-Data- und Datennutzungsgesetzes13 Zugang zu staatlichen Daten.14 Open Government Data lebt eine effektive Verwaltung vor.15 Wenngleich es nicht speziell um Forschungsdaten geht, profitieren Wissenschaftler von den verfügbaren Informationen. Zudem deuten offene Verwaltungsdaten auf die Bereitschaft für eine künftige Öffnung von Daten auch in anderen Bereichen hin.16

Bisher gibt es nur wenige rechtliche oder wissenschaftsinterne Vorgaben zum Teilen von Forschungsdaten, die über unverbindliche Empfehlungen17 hinausgehen. Wissenschaftliche Verlage, Forschungseinrichtungen und Forschungsförderorganisationen setzen sich aber vermehrt dafür ein, dass Wissenschaftler auf Daten zugreifen können.18 Datenteilen und -abrufen wird dadurch zunehmend Bestandteil der wissenschaftlichen Praxis.19 Besonders in der Phase, in der involvierte Akteure Anwendungsrichtlinien entwickeln und Ausgestaltungsoptionen austesten, sollten sie dabei die Bedürfnisse einzelner Wissenschaftler ebenso wie die der Scientific Community20 berücksichtigen.

Der Wandel der Anforderungen an nachnutzbare Daten in Gesetzen, Publikations- und Förderbedingungen und das insgesamt steigende Volumen verfügbarer Datensätze werfen die Fragen auf, wer wo und wie Informationen speichern und bereitstellen soll. Es kristallisiert sich ein wachsender Bedarf an Datenbanken heraus, die Zugang zu Informationen verschaffen. Dafür bedarf es einer Infrastruktur, die mit ihren Speicherkapazitäten einen erhöhten Umfang an Daten verwahren kann.21 Gleichermaßen muss ein regulatorischer Rahmen bestehen, der einen sicheren Umgang mit Daten gewährleistet. Dazu gehört auch ein urheberrechtlicher Datenbankschutz, der die Aufbereitung der investierten Arbeit in einem Repositorium schützt und dadurch Wissenschaftler zum Teilen ihrer Daten motivieren kann.

Gegenstand dieser Untersuchung ist es, herauszuarbeiten, ob und inwieweit den Staat eine Gewährleistungsverantwortung trifft, eine Infrastruktur für Forschungsdaten bereitzustellen und welche möglichen Formen der Ausgestaltung zweckmäßig sind.

A. Begriffsbestimmungen und Ausdifferenzierung des Untersuchungsgegenstands

Der folgende Abschnitt bestimmt den Untersuchungsgegenstand näher und erläutert grundlegende Begriffe. Ein einheitliches Begriffsverständnis erhöht den Erkenntniswert und soll einen Bezugspunkt für die nachstehenden Erwägungen bilden. Die Materie wird zu benachbarten Themenfeldern abgegrenzt.

I. Forschungsdaten

1. Begriffsklärung

Die Begriffe „Forschung“ und „Wissenschaft“ lassen sich kaum abschließend bestimmen, will man die gebotene juristische Trennschärfe wahren.22 Die vom Bundesverfassungsgericht betonte Schlüsselfunktion von Wissenschaft für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung fußt auf der Gesamtheit der freien wissenschaftlichen Betätigung.23 Dieses weite Verständnis ist hier zugrunde gelegt. Danach betreibt derjenige wissenschaftliche Forschung, dessen Tätigkeit nach ihrem Inhalt und ihrer Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Wahrheitsermittlung erscheint.24 Der Begriff der Forschung umfasst in dieser Arbeit die systematische Suche nach neuen Erkenntnissen einschließlich deren Dokumentation und Veröffentlichung. Das kann in der Grundlagenforschung ebenso geschehen wie in der angewandten Forschung. Öffentlich geförderte Forschungsprojekte, aus denen die zu speichernden Daten stammen, generieren in der Regel Erkenntnisse im Interesse der Allgemeinheit.

„Daten“ bezeichnen allgemein unkörperliche Gegenstände, die Informationen mit verschiedenen Inhalten kodieren. Sie können elektronisch verarbeitet werden.25 Forschungsdaten sind aufgezeichnete Erkenntnisse, die Wissenschaftler als primäre Quelle in ihrer Arbeit verwenden und anhand derer sie Forschungsergebnisse validieren können.26 Es handelt sich um digitale oder digitalisierbare Ergebnisse, zum Beispiel aus Messreihen oder empirischen Umfragen.27

Der Begriff Open Research Data steht für das offene Bereitstellen von Daten aus Studien, damit andere Forscher die Informationen nutzen können. Die Bereitschaft, Daten auf Nachfrage verfügbar zu machen, ist von dem Begriff nicht umfasst.28

2. In der Untersuchung behandelte Daten

Die Arbeit behandelt vorrangig, aber nicht ausschließlich biomedizinische Daten aus dem Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens und solche aus der Umwelt- und Klimaforschung. Bei ihnen wird das größte Nutzenpotenzial und deshalb Erfordernis zum Datenteilen gesehen.29 Sie können die Lebensqualität zahlreicher Menschen oder die Effizienz von Sozialdiensten konkret verbessern.

Ausgangs- und Mittelpunkt sind Daten, die Wissenschaftler im Rahmen öffentlich geförderter Forschungsprojekte unter Einhaltung allgemein anerkannter wissenschaftlicher Standards generieren. Öffentlich geförderte Daten umfassen sowohl solche aus der staatlichen Hochschulforschung, aus anderen staatlichen Forschungseinrichtungen als auch aus der Projektförderung durch (semi-)staatliche Förderorganisationen. Privat finanzierte Forschung kommerzieller Einrichtungen sowie die Industrieforschung fallen nicht darunter.30

Verschiedene Datenarten31 und Besonderheiten im Zusammenhang mit sensiblen Informationen32 sind zur rechtlichen Bewertung zu unterscheiden. Daten nach ihrer Art zu klassifizieren, hilft dabei, geeignete Analysemethoden und Speicheranforderungen für sie festzulegen. Unterscheiden lassen sich quantitative und qualitative Daten.33 Daten lassen sich auch nach der Art ihrer Erhebung unterscheiden.34 Es wird nicht danach abgegrenzt, ob die Daten gezielt oder rein zufällig erhoben wurden.35

Details

Seiten
340
ISBN (PDF)
9783631927212
ISBN (ePUB)
9783631927229
ISBN (Paperback)
9783631927120
DOI
10.3726/b22382
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2025 (Mai)
Schlagworte
Infrastrukturgewährleistungsverantwortung Infrastruktur Wissenschaftsfreiheit Open Data Datenaustausch Data Sharing
Erschienen
Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford, 2025. 340 S.
Produktsicherheit
Peter Lang Group AG

Biographische Angaben

Miriam Tormin (Autor:in)

Miriam Tormin studierte Rechtswissenschaften an der Universität Münster und war wissenschaftliche Mitarbeiterin im interdisziplinären Forschungsprojekt "DATABLIC" an der Bucerius Law School in Hamburg, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Sie promovierte bei Prof. Dr. Michael Fehling und ist derzeit Rechtsreferendarin am Kammergericht.

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Titel: Datenaustausch in der Wissenschaft