Narrative der Gastfeindschaft in westafrikanisch-frankophoner und deutscher Gegenwartsliteratur
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Abdeckung
- Titelseite
- Copyright-Seite
- Hingabe
- Dank
- Inhaltsverzeichnis
- I. Theoretische Überlegungen
- 1. Einleitung und Ziel der Arbeit
- 2. Korpus und Forschungsstand
- 3. Theorien der Untersuchung
- 3.1. Postkoloniale Theorie
- 3.2. Erzähltheorie
- 3.3. Anwendung der postkolonialen Erzähltheorie
- 4. Begriffserklärungen
- 4.1. Gastfeindschaft, Gastfreundschaft
- 4.2. „Gastmigrant“
- 4.3. Gastfreundschaft in afrikanischen Kulturen
- II. Gastfeindschaft in Silence du chœur (2017) von Mohamed Mbougar Sarr
- 1. Mohamed Mbougar Sarr: Autor und Werk
- 2. Silence du chœur: Inhalt
- 3. Migrationen und der „grand Rêve“ als Ausdruck des Conatus
- 4. Gastfeindschaft und die (neo-)koloniale Frage
- Einleitendes
- 4.1. Gastgeberfeindschaft: Erinnerungsdiskurs und Ressentiment von Gastmigranten
- 4.2. Historische Antezedenzien und ihre Auswirkungen auf die Gastfreundschaft
- 5. Kultur der Unerwünschtheit
- Einleitung
- 5.1. Afrikanische Gastmigranten als eklige Andere
- 5.2. Xenophobe Abschreckungsmechanismen
- 5.3. Gastfeindliche Gewalt
- 6. Das destruktive Warten
- 7. Vom Gastfreundlichen zum Gastfeindlichen: Figurenregression
- Einleitung
- 7.1. Gastfeindschaft und Politik: Zwischen Feigheit und Opportunismus
- 7.2. Die Liebe der Gastfreundschaft, die Gastfeindschaft der Liebe
- 8. Schwankende Werte: eine narrative Revision
- Einleitung
- 8.1. Empathie
- 8.1.1 Einleitende Kurzdefinition
- 8.1.2 Nihilismus und Ineffizienz von Empathie
- 8.1.3 „Métaphore du fleuve“ und die Herausforderung der Empathie
- 8.1.4 Vom Eremiten zum Sympathisanten: zur Möglichkeit der Empathie
- 8.2. Humanismus
- Einleitende Überlegungen
- 8.2.1 Dekadenz des europäischen Humanismus
- 8.2.2 Zur Erkenntnis der Ambivalenz des Menschseins
- 8.3. (Not-)Lügen und narrative Performativität als Dispositiv der Gastfeindschaft
- 9. Die Ästhetik des „Mieux vivre ensemble“
- Einleitung
- 9.1. Polyphonische Bilder des Zusammenlebens
- 9.2. Das „Mieux vivre ensemble“ im Gespräch
- 9.3. Ein Integrationsmodell aus dem fiktiven Senegal
- 9.4. Das „Mieux vivre ensemble“: ein gewaltiges Plädoyer der Natur
- 9.5. Die Ästhetik des „Mieux vivre ensemble“: ein postnarrativer Stellenwert
- III. Der Gast als Sündenbock in Christoph Heins Guldenberg (2021)
- Einleitung
- 1. Der Sündenbock: Begriffserklärung
- 2. Christoph Hein: Autor und Werk
- 3. Guldenberg: Inhalt und Ästhetik
- 3.1. Inhalt
- 3.2. Eine verstörende Ästhetik
- 4. „Bad Guldenberg“ und die Berührungsfurcht
- 5. Risse in dem inneren Sozialgefüge
- 6. Zur Beschäftigungsfähigkeit der jungen Guldenberger
- 7. Die kollektive Beschuldigung der Gastmigranten
- 8. Beredtes Schweigen oder das Instrument der Sündenbockpraktik
- 9. Gastgeberfeindschaft und Binnengastfeindschaft
- 9.1. Gastgeberfeindschaft
- 9.2. Binnengastfeindschaft: Feindschaft unter betroffenen Gastmigranten
- 10. Gastfreundschaftsoasen: Ästhetische Verhandlung des Ankommens
- Fazit
- IV. Resilienz gegen Gastfeindschaft: Asyl als Arznei in Le Médicament (2003) von Sénouvo Agbota Zinsou
- 1. Zum Roman: Inhalt und Stil
- 2. Gesichter der Gastfeindschaft
- 2.1. Biopolitisches Dispositiv
- 2.1.1 Transitzentren
- 2.1.2 Polizeikontrollen
- 2.2. Die Stimme der „Citoyenne“
- 3. Strategien der Resilienz
- 3.1. Das Konzept atike-kpame
- 3.2. Der sexualisierbare Körper: Sex, Prostitution und arrangierte Heiraten als wirkungslose Medikamente
- 3.3. Das vorbildliche Verhalten der Ich-Erzählerin
- 3.4. Proteste gegen die neue Sozialleistung
- 3.5. Kodjo Enuglo als individualistischer und opportunistischer Informant
- Fazit
- V. Die Verabschiebung von Joachim Zelter (2021): Kritik Der Institutionellen Gastfeindschaft Und Literarisches Plädoyer Für Das Recht Des Fremdlings
- 1. Zum Roman
- 2. Kant und das Recht auf Hospitalität: eine kurze Erläuterung
- 3. (Schein)-Ehe und Aufenthaltsrecht
- 4. „Was hier verletzt wird, (…) das entscheidet die Bundesrepublik Deutschland“. Die Willkür und das Absurde im Asylverfahren
- 4.1. Die Anhörung
- 4.2. Die Ermittlung der Wohnung
- 5. Asylbürokratische Instrumente der Gastfeindschaft
- Einleitendes
- 5.1. Die Flüchtlingsunterkunft
- 5.2. Die persönliche Anhörung und ihre Auswirkung auf den Geflüchteten
- 5.3. Die Wohnungsbegehung als Gewaltakt
- 5.4. Das Vokabular der Gastfeindschaft: zwischen Euphemismus und Gewalt
- 5.5. Die Abschiebung
- 6. Julia, ein starkes Vorbild der Gastfreundschaft
- VI. Zusammenfassung der Ergebnisse
- Erscheinungsformen der Gastfeindschaft
- Charakterisierung der Akteure
- Gastfeindschaft als existenzieller Kampf
- Gastgeber- und Binnengastfeindschaft
- Institutionelle Gastfeindschaft
- Gastfeindschaft und kulturelle Identität
- Das Warten als Dispositiv der Gastfeindschaft
- (Post-)koloniale Auswirkungen
- Topografie der Gastfeindschaft
- Erzählstrategische Förderung der Gastfreundschaft
- Schluss
- Ausblick
- Literaturverzeichnis
- Primärliteratur
- Andere Bücher der Autoren
- Sekundärliteratur
Narrative der Gastfeindschaft in westafrikanisch-frankophoner und deutscher Gegenwartsliteratur

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Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 2024
Gedruckt bzw. veröffentlicht mit Unterstützung des Deutschen
Akademischen Austauschdienstes.
DE-188
ISSN 0721-2968
ISBN 978-3-631-93235-3 (Print)
E-ISBN 978-3-631-93236-0 (E-PDF)
E-ISBN 978-3-631-93237-7 (E-PUB)
DOI 10.3726/b22672
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Rejeter un autre homme est la chose la plus simple qui soit pour un esprit humain. Il ne suffit que d’éteindre ce dernier, de le disposer tout entier au relâchement intellectuel. L’inverse, qui consiste à tenter de comprendre, coûte toujours trop d’efforts. C’est en ce sens que la paresse, la paresse au sens fort, la paresse intellectuelle donc, est la mère de tous les péchés capitaux. La source de la haine se trouve moins dans le cœur que dans l’esprit qui abandonne sa première prérogative, penser ; ce qui n’empêche nullement, bien entendu, qu’il y ait de pures haines fondées sur de grandes machines d’intelligence1.
Dank
Allen Personen, die mich im Verlauf der Jahre in diversen Formen bei der Erstellung meiner Doktorarbeit unterstützt haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Ohne die finanzielle Förderung durch das Stipendium der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien (FSGS), welches durch den Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD) ermöglicht wurde, wäre die Realisierung dieser Promotionsschrift nicht möglich gewesen. Beiden Förderinstitutionen gebührt mein besonderer Dank.
Prof. Dr. Cornelia Ortlieb und Prof. Dr. Susanne Gehrmanne, meinen Doktormüttern, spreche ich ebenfalls meinen herzlichen Dank für die fachliche Begleitung dieser Arbeit aus. Die anregenden und konstruktiven Diskussionen mit Ihnen haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Qualität meiner Forschung.
Prof. Dr. Jutta Müller-Tamm, Prof. Dr. Anita Traninger und Dr. Bernadette Grubner sei herzlich gedankt für ihre Mitwirkung in der Promotionskommission.
Andreas Schmid und Berit Schulz danke ich für ihre gewissenhafte Korrekturarbeit, die einen bedeutenden Beitrag zur sprachlichen Qualität meiner Arbeit leistete. Ich danke auch meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen der FSGS für die konstruktiven Diskussionen zu Teilen dieser Arbeit bei den jeweiligen Colloquien. Ihre Rückmeldungen haben zur Verbesserung und Weiterentwicklung meiner Forschung beigetragen.
Ein spezielles Dankeschön gilt meinem Freund Kofi K. Mawusé N’sougan für unsere gemeinsamen „Kämpfe“ und die gegenseitige Unterstützung.
Christian und Denise Harbig verdienen meine aufrichtige Dankbarkeit für die Bereitstellung einer äußerst günstigen und angenehmen Wohnmöglichkeit, die mir Ruhe und Geborgenheit während des Schreibprozesses gewährte.
Rainer Schulz, Wolfgang und Heike Kain, Philipp-Richard und Catharina Schulz, Joachim und Christine Volkmann, Oma Rita Harbig und Susanne Adams – eure vielfältige Unterstützung war mir in diesen anspruchsvollen Jahren von unschätzbarem Wert. All meinen christlichen Geschwistern der Christlichen Versammlung Oranienburg danke ich herzlich. Ohne die geistliche Gemeinschaft mit euch wären diese Jahre für mich deutlich herausfordernder gewesen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Ziel der Arbeit
3.3. Anwendung der postkolonialen Erzähltheorie
4.1. Gastfeindschaft, Gastfreundschaft
4.3. Gastfreundschaft in afrikanischen Kulturen
II. Gastfeindschaft in Silence du chœur (2017) von Mohamed Mbougar Sarr
1. Mohamed Mbougar Sarr: Autor und Werk
3. Migrationen und der „grand Rêve“ als Ausdruck des Conatus
4. Gastfeindschaft und die (neo-)koloniale Frage
4.1. Gastgeberfeindschaft: Erinnerungsdiskurs und Ressentiment von Gastmigranten
4.2. Historische Antezedenzien und ihre Auswirkungen auf die Gastfreundschaft
5.1. Afrikanische Gastmigranten als eklige Andere
5.2. Xenophobe Abschreckungsmechanismen
7. Vom Gastfreundlichen zum Gastfeindlichen: Figurenregression
7.1. Gastfeindschaft und Politik: Zwischen Feigheit und Opportunismus
7.2. Die Liebe der Gastfreundschaft, die Gastfeindschaft der Liebe
8. Schwankende Werte: eine narrative Revision
8.1.1 Einleitende Kurzdefinition
8.1.2 Nihilismus und Ineffizienz von Empathie
8.1.3 „Métaphore du fleuve“ und die Herausforderung der Empathie
8.1.4 Vom Eremiten zum Sympathisanten: zur Möglichkeit der Empathie
8.2.1 Dekadenz des europäischen Humanismus
8.2.2 Zur Erkenntnis der Ambivalenz des Menschseins
8.3. (Not-)Lügen und narrative Performativität als Dispositiv der Gastfeindschaft
9. Die Ästhetik des „Mieux vivre ensemble“
9.1. Polyphonische Bilder des Zusammenlebens
9.2. Das „Mieux vivre ensemble“ im Gespräch
9.3. Ein Integrationsmodell aus dem fiktiven Senegal
9.4. Das „Mieux vivre ensemble“: ein gewaltiges Plädoyer der Natur
9.5. Die Ästhetik des „Mieux vivre ensemble“: ein postnarrativer Stellenwert
III. Der Gast als Sündenbock in Christoph Heins Guldenberg (2021)
1. Der Sündenbock: Begriffserklärung
2. Christoph Hein: Autor und Werk
3. Guldenberg: Inhalt und Ästhetik
3.2. Eine verstörende Ästhetik
4. „Bad Guldenberg“ und die Berührungsfurcht
5. Risse in dem inneren Sozialgefüge
6. Zur Beschäftigungsfähigkeit der jungen Guldenberger
7. Die kollektive Beschuldigung der Gastmigranten
8. Beredtes Schweigen oder das Instrument der Sündenbockpraktik
9. Gastgeberfeindschaft und Binnengastfeindschaft
9.2. Binnengastfeindschaft: Feindschaft unter betroffenen Gastmigranten
10. Gastfreundschaftsoasen: Ästhetische Verhandlung des Ankommens
2. Gesichter der Gastfeindschaft
2.1. Biopolitisches Dispositiv
2.2. Die Stimme der „Citoyenne“
3.3. Das vorbildliche Verhalten der Ich-Erzählerin
3.4. Proteste gegen die neue Sozialleistung
3.5. Kodjo Enuglo als individualistischer und opportunistischer Informant
2. Kant und das Recht auf Hospitalität: eine kurze Erläuterung
3. (Schein)-Ehe und Aufenthaltsrecht
4.2. Die Ermittlung der Wohnung
5. Asylbürokratische Instrumente der Gastfeindschaft
5.1. Die Flüchtlingsunterkunft
5.2. Die persönliche Anhörung und ihre Auswirkung auf den Geflüchteten
5.3. Die Wohnungsbegehung als Gewaltakt
5.4. Das Vokabular der Gastfeindschaft: zwischen Euphemismus und Gewalt
6. Julia, ein starkes Vorbild der Gastfreundschaft
I. Theoretische Überlegungen
1. Einleitung und Ziel der Arbeit
Der Traum eines Geflüchteten ist es, in einem Land anzukommen, in dem er gastfreundlich aufgenommen wird und sicher und unter besseren Bedingungen leben kann. In dieser Hinsicht verkörpert Europa seit Jahrzehnten vermehrt das Traumziel vieler Schutzsuchender. Allerdings stellt die Aufnahme von Asylsuchenden eine der derzeit größten Herausforderungen für europäische Grenzregime dar. Die Gastfreundschaft, wie sie traditionell in der homerischen Odyssee dokumentiert wurde, befindet sich offensichtlich in einer tiefgreifenden Krise, wobei sogar ihr Ende befürchtet wird.2 Es scheint, dass Europa nicht mehr nur ein Traumland darstellt, sondern vielmehr ein Traumaland für Geflüchtete geworden ist. Seit einigen Jahren verfolgen europäische Festungsnationen das Ziel, ihre Länder für fremde Asylsuchende unattraktiv zu gestalten. Sie entwickeln gegenüber den Letzteren eine „Politik des Misstrauens und der Verdächtigung“,3 die zu einer restriktiven Gesetzgebung und Ablehnungspraxis führt und ihre effektive Integration in den einheimischen Gesellschaften erheblich behindert. Geflüchtete Menschen werden als Figuren des Abnormalen, des Illegalen und der sozialen Unordnung (figures du désordre social)4 dargestellt. Der fremde Geflüchtete wird dementsprechend als öffentlicher Feind, „ennemi public numéro un“,5 als Parasit konstruiert, „welche[r] in das Innerste [der Gesellschaft] eindringt und das Eigene entfremdet, transformiert und korrumpiert“.6 Er sollte dafür „abgewiesen oder im Aufnahmeritual kontrolliert (…) werden, damit er nicht auch im ‚Inneren‘ des Staatswesens weiterwirkt und das Gemeinwesen angreift, den Volkskörper kontaminiert.“7 Aus diesem Blickwinkel macht „die problematische, in unseren Tagen politisch hochbrisante Nähe von Fremdheit und Feindschaft“8 Sorgen. In diesem Sinne verwendete Jacques Derrida den Terminus „Gastfeindschaft“ (hostipitalité)9 und schlug vor, Gastfreundschaft und Feindschaft zusammenzudenken. Die Feindschaft gegenüber schutzflehenden10 Fremden ist eine der Tragödien der postkolonialen Gesellschaften der Feindschaft – „sociétés d’inimitiés“11 – geworden. Die gegenwärtig scharfen Rhetoriken in den Debatten über Migration und Asyl, verbunden mit einer Fülle neuer einwanderungsfeindlicher und rechtsorientierter Gesetze sowie verschärfter Maßnahmen in Ländern wie Deutschland, Frankreich und Italien, lassen die Befürchtung aufkommen, dass Gastfeindschaft – auch in der Form einer selektiven Gastfreundschaft – in den kommenden Jahren eine dominierende soziokulturelle und politische Ausrichtung sein könnte. Angesichts dieser Realität bemühen sich vermehrt Akteure im soziopolitischen, medialen und wissenschaftlichen Bereich um die Förderung und Kultivierung der Gastfreundschaft.
Die vorliegende Arbeit verfolgt dasselbe Ziel und versteht sich als literaturwissenschaftliche Reflexion zum Thema der Gastfeindschaft und deren Implikationen für die Akteure und die Gesellschaft. Denn auch in der Literatur, einem „der zentralen Orte der Reflexion über Gäste, Gastgeber, glückende und eskalierende Situationen der Gastlichkeit“,12 ist seit Jahrzehnten die Thematik des Umgangs mit fremden Gastmigranten13 en vogue. Im Allgemeinen werden öfter xenophobe Fremderfahrungen von Gastmigranten im europäischen Raum inszeniert. Das Ziel solcher Inszenierungen besteht darin, im Sinne einer kritischen littérature réparatrice oder littérature remédiatrice14 die Welt zu reparieren, um mit Alexandre Gefen zu sprechen.15 Gefen zufolge versteht diese Literatur das Schreiben als „manière de renouer, ressouder, combler les failles des communautés contemporaines, de retisser l’histoire collective et personnelle, de suppléer les médiations disparues des institutions sociales et religieuses.“16 Dies impliziert, dass durch Schreiben Risse und Spaltungen in zeitgenössischen Gemeinschaften repariert werden können. Anhand von den ausgewählten Erzähltexten der deutschsprachigen und französischsprachigen Literatur aus Togo und Senegal möchte diese Arbeit Narrative der Gastfeindschaft untersuchen. Dies setzt voraus, den Fokus sowohl auf der narrativen oder fiktionalisierten Darstellung und Thematisierung der Gastfeindschaft als auch auf werkimmanente Einstellungen, Diskurse, Handlungen, Maßnahmen und Praktiken der handelnden Figuren und Institutionen zu legen. Die Forschungsfrage befasst sich damit, welche Manifestationen der Gastfeindschaft in den ausgewählten Romanen erkennbar sind, wie die handelnden Akteure charakterisiert werden, und wie sich die Praxis und die Erfahrung der Gastfeindschaft auf die einzelnen Protagonisten sowie auf die soziale Kohäsion in den fiktiven Gemeinschaften auswirken. Postkoloniale Literaturen, so Bill Ashcroft, „negotiate a gap between ‘worlds’.“17 In diesem Zusammenhang wird recherchiert, welche ästhetischen Strategien die jeweiligen Autoren verwenden, um Praktiken der Gastfeindschaft zu hinterfragen und Gastfreundschaft zu fördern.
Die Hypothese dieser Dissertation ist darauf ausgerichtet, dass die ausgewählten Erzählungen individuelle, soziale, politisch-strukturelle Dispositionen und Dispositive18 der Gastfeindschaft herausstellen, die sowohl den Gastmigranten als auch der Harmonie in den fiktiven Gesellschaften schaden. Die Gastfeindschaft verwandelt das Land, in dem die Schutzsuchenden ihre Träume von einem besseren und sicheren Leben zu verwirklichen hoffen, in ein Traumaland. Durch unterschiedliche ästhetische Strategien verurteilen die Autoren die Gastfeindschaft und plädieren für eine Kultur der Gastfreundschaft gegenüber Gastmigranten.
Details
- Seiten
- 348
- ISBN (PDF)
- 9783631932360
- ISBN (ePUB)
- 9783631932377
- ISBN (Hardcover)
- 9783631932353
- DOI
- 10.3726/b22672
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2025 (Juni)
- Schlagworte
- Deutschsprachige Gegenwartsliteratur Afrikanische Literatur Resilienz Zusammenleben Humanismus Empathie Abschiebung Sündenbock Fremdenfeindlichkeit Postkolonialismus Integration Asylpolitik Migration Feindschaft Gastmigrant Gastfreundschaft Gastfeindschaft
- Erschienen
- Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford, 2025. 348 S.
- Produktsicherheit
- Peter Lang Group AG