Iustitia - Libertas - Dignitas
Festschrift für Adrian Loretan
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Umschlag
- Schmutztitel
- Adnotationes in Ius Canonicum
- Titelseite
- Copyright-Seite
- Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Grusswort Bischof Felix Gmür
- Grusswort RKZ Urs Brosi
- 1. Menschenwürde und Menschenrechte
- Seelsorge: Vertrauensraum und Gefahrenzone. Ein Dringlichkeitsappell
- A. Seelsorge – «Kerngeschäft» und Basisaufgabe aller christlichen Kirchen
- B. Seelsorge – eine berufstypische Vertrauenssituation
- I. Das Seelsorgegeheimnis – ein nicht hinterfragter Schutzraum des Rechtsstaates
- II. Seelsorge – ein «Gespräch mit religiöser Codierung» (Isolde Karle)
- III. Seelsorge – ein Gespräch zwischen zwei Ungleichen
- C. Seelsorge – eine berufstypische Gefahrenzone
- I. Erschreckendes Ausmaß an Macht- und Gewissensmissbrauch und sexualisierter Gewalt
- II. Zum Unterschied von spirituellem Machtmissbrauch und Miss-brauch geistlicher Autorität
- III. Enormer Vertrauens-, Glaubwürdigkeits- und Ansehensverlust als Folge für die Kirche
- IV. Verbrechen durch kollektiven Konsens des Nicht-Benennens administrativ mitermöglicht
- D. Nur eine Krise oder eine Zeitenwende?
- E. Problemanzeige: Es fehlt ein «Kirchliches Grundgesetz»
- I. Grundrechte – klares Instrument gegen den Machtmissbrauch in der Kirche
- II. Empörende Eigenlogik des kirchlichen Rechts
- III. Paradigmenwechsel im Verständnis von «sexuellem Missbrauch»
- F. «Zeitenwende» oder weiterhin «Zeiten ohne Wende»?
- I. Es braucht von der Institution Kirche unabhängige Untersuchungs-kommissionen
- II. Es braucht eine Schärfung des innerkirchlichen Rechtsbewusst-seins
- G. Anzeichen für eine «Zeitenwende»
- I. Der «Synodale Weg» in Deutschland (2019–2023)
- II. Erste handfeste rechtliche Konsequenzen im Bistum Münster
- 1. Errichtung einer Disziplinarordnung für Kleriker im Bistum Münster zum 1. März 2025
- 2. Errichtung eines Schlichtungsrats im Bistum Münster
- III. Maßnahmen im Kampf gegen den Missbrauch geistlicher Autorität und sexueller Gewalt in der Kirche Schweiz
- 1. Vorstoß der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) im November 2023
- 2. Errichtung einer nationalen Dienststelle «Missbrauch im kirchlichen Umfeld»
- 3. Einführung von obligatorischen psychologischen Eignungstests (Assessments) für künftige Seelsorger:innen zum 31. März 2025
- 4. Verabschiedung der Statuten für ein Nationales Straf- und Disziplinargericht
- 5. Selbstverpflichtung (a) der Diözesen, (b) der kantonalkirchlichen Organisationen, (c) der Ordensgemeinschaften und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens im Umgang mit Missbrauchsakten
- H. Das Geschenk neuen Vertrauens ist nur durch Entschlossenheit im Handeln zu erwerben
- Religionsfreiheit indigener Völker und ihrer Angehörigen
- Vorweg
- A. Wachsendes Interesse am Thema
- B. Menschenrechtsverletzungen und ihre Auswirkungen auf die Religionsfreiheit
- C. Ergänzung, nicht Ersetzung der Religionsfreiheit
- D. Testfall für die Glaubwürdigkeit des menschenrechtlichen Universalismus
- Die kirchliche Menschenrechtsrezeption. Eine soziologische Einordung widersprüchlicher Positionierungen und ihrer Folgen
- A. Beschränkte Freiheitsrechte
- B. Abweichende Selektivitäten
- C. Traditionelle Toleranz
- D. Rezente Problematisierung
- E. Fazit
- Religiöse Symbole im öffentlichen Raum
- A. Einleitung
- B. Grundlagen in der Schweiz
- C. Kopfbedeckung als religiöses Symbol
- I. Verbot gegenüber Genfer Primarschullehrerin
- II. Verbot gegenüber Schülerinnen
- III. Unzulässige Anknüpfung für die Verweigerung der Einbürgerung
- D. Allgemeine Verbote religiöser Symbole
- I. Gerichtspersonal im Kanton Basel-Stadt
- II. Staatliche Vertreter:innen und Vertreter im Kanton Genf
- E. Verhüllungsverbot im Besonderen
- F. Religiöse Symbole an oder in öffentlichen Einrichtungen
- G. Fazit und Ausblick
- Menschenwürde und Freiheit – Prinzipien aller Prinzipien der Ethik
- Zusammenfassung
- A. Eröffnung
- B. Was ist Ethik?
- C. Was ist Menschenwürde?
- D. Was ist Freiheit?
- E. Freiheit und Menschenwürde – Prinzipien aller Prinzipien der Ethik
- Balancing Faith and Freedom: Adrian Loretan’s Vision for Human Rights in Pluralistic Societies
- A. Personal Convictions, Public Impact
- B. Conceptualization of Human Dignity and Human Rights
- C. The Tension between Group Rights and Individual Rights
- D. Reconciling Communal Rights with Individual Rights
- E. The Role of the Secular State and Rule of Law
- F. Conclusion
- The place of Human Dignity and Human Rights of members of the Catholic Church in Canon Law
- A. The Universal Declaration of Human Rights 1948
- B. The contemporary Church-Conciliar and Synodal? Not yet!
- C. The Code of Canon Law 1983
- Konnex von Christlicher Spiritualität und unantastbarer Menschenwürde
- A. Aktuelle Situation
- B. Menschenwürde im christlichen Kontext
- I. Kirchengeschichtliche Eckdaten
- 1. Der Begriff Person
- 2. Rolle der Kirche in der Geschichte der Menschenwürde
- 3. Menschenwürde in den Konzilsdokumenten
- 4. Menschenwürde in den nachkonziliaren Dokumenten
- II. Der Begriff Menschenwürde
- III. Philosophie von Jacques Maritain und dessen Einfluss auf die Menschenwürde
- C. Christliche Spiritualität
- I. Begriffsgeschichte von Spiritualität
- II. Begriffsklärung Christliche Spiritualität
- III. Akzente christlicher Spiritualität
- 1. Sie ist Leben aus dem Geist Gottes
- 2. Sie ist eine Spiritualität der Menschwerdung
- 3. Sie ist auf Jesus Christus ausgerichtet
- 4. Sie lebt vom Dialog
- 5. Sie verwirklicht sich im Alltag
- 6. Sie hat den Menschen im Blick
- 7. Sie hat mit Erfahrung zu tun
- D. Conclusio
- ‹Honorare omnes homines› (RB 4,8). Würde, Würdigkeit und Würdigung als Grundelemente der Benediktusregel (6. Jh.)
- A. dignitas, das «Unwort» – dennoch Würde
- I. Die ‚Ungültigkeit‘ der dignitas
- II. Würde als Gleichheit: «aequalis sit»
- III. Würde als Selbstbestimmung
- IV. Das Recht der freien Rede
- V. Die Wahrung der Würde anderer
- VI. Die Wahrung der eigenen Würde
- VII. Würde als Selbstbeherrschung
- VIII. Die Würde des Amtes
- IX. vices Christi (RB 2,2)
- B. Die Würdigkeit des Amtsträgers: «…qui dignus est»
- I. Persönliche Integrität
- II. Übereinstimmung von Leben und Lehre
- C. Aspekte der Würdigung
- I. honor
- II. reverentia
- D. Der würdigende Umgang miteinander
- I. Die Würdigung des Alters
- II. Die Würdigung der Jüngeren
- III. Die Würdigung der Fremden
- IV. Würdigung durch persönliche Anerkennung
- Ordensrecht: Altersvorsorge im Falle einer Trennung – Grundrecht oder Gnade
- A. Problemstellung
- B. Altersvorsorge
- I. Recht auf soziale Sicherheit
- II. Regelung im Ordensrecht
- 1. Universalrecht
- 2. Eigenrecht
- III. Regelung im Staatsrecht
- 1. Schweiz
- 2. Deutschland
- 3. Österreich
- 4. Italien
- IV. Auswirkungen in der Praxis
- 1. Folgen von Austritten und Entlassungen
- 2. Rechtsverfahren
- 3. Aussergerichtliche Lösungen
- 4. Reputationsschäden
- C. Systemkritik
- I. Rechtsverweigerung
- II. Caritas und aequitas (c. 702 § 2 CIC/83)
- III. Ungleichheit / Geschlechterproblematik
- IV. Einsatzeffizienz von Ordensleuten
- V. Spirituelle statt materielle Bindung
- D. Lösungsansätze
- I. Soziale Absicherung unabhängig vom Verbleiben in der Gemeinschaft
- II. Arbeitsrechtliche Vertragsverhältnisse
- III. Ausblick
- The Church, an Unexpected Oasis of Human Freedom
- A. Obligations and Rights of the Christian Faithful
- B. Freedom of Expression and the European Court of Human Rights
- C. The Confrontation
- D. Turning Tables
- E. The Future
- 2. Laien – Amt – Ordination
- Il vescovo moderatore, promotore e custode della vita liturgica
- Introduzione
- A. La lettera di accompagnamento di SP
- B. Il testo legislativo
- I. Il preambolo
- II. Le norme del MP in dettaglio
- C. L’Istruzione Universae Ecclesiae
- D. La lettera di presentazione del MP TC
- E. Il MP TC
- F. A TC hanno fatto seguito alcune integrazioni
- G. Alcune osservazioni critiche e auspici
- H. Conclusione
- Laienämter und Arten von Leitungsgewalt
- A. Ein altes Thema mit neuen Entwicklungen
- B. Rechtliche Ausgangslage
- C. Universalkirchliche Entwicklungen
- I. Laienrichter (Mitis iudex)
- II. Laien in der Bischofssynode
- III. Frauen als Lektoren und Akolythen
- IV. Katecheten
- V. Leitungsämter in der Römischen Kurie
- VI. Laien als Ordensobere
- D. Neue Laienämter in Deutschland
- I. Pfarrbeauftragte
- II. Amtschefin und Verwaltungsdirektor
- III. Laien in der Leitung eines Dekanats
- E. Theologische Konsequenzen
- Die Autorität der Gläubigen
- A. Vorbemerkung
- B. Zwei Weisen des Selbstvollzugs von Kirche
- I. Kirche als «geschlossene Gesellschaft»
- II. Kirche als «offener Vollzug»
- C. Die Autorität der Gläubigen
- D. Pneumatologische Perspektiven
- E. Ekklesiologische Konsequenzen
- Attualità del contributo delle confraternite alla missione evangelizzatrice della Chiesa
- A. Il variegato contributo offerto dalle confraternite alla missione della Chiesa
- B. L’agire dello Spirito nelle confraternite
- C. La ricezione codiciale dell’insegnamento del Vaticano II sui carismi
- D. La complementarità fra l’elemento carismatico e quello istituzionale
- E. La promozione dei carismi da parte della Gerarchia
- F. L’esigenza di ecclesialità posta all’esercizio di un carisma
- G. Formazione cristiana e santità personale quali presupposti per l’impegno evangelizzatore
- «Für Geschlechtergerechtigkeit eintreten» Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche – weltkirchlich-synodale Perspektiven
- A. Geschlechtergerechtigkeit und Kirche – in den Spuren des Zweiten Vatikanischen Konzils
- I. «Gottes starke Töchter» – Frauen weltweit melden sich auf synodalen Wegen zu Wort
- II. Von der Menschenrechtsperspektive und «Frauenfrage» des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Weltsynode (2021–2024)
- B. Hoffnungen: Synodale Prozesse weltweit und die Frage nach Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche
- I. Die Weltsynode: «Frauen in Leben und in der Sendung der Kirche»
- II. Der Synodale Weg der Ortskirche in Deutschland: «Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche»
- C. Notwendige theologische Klärungen: «Smaschilizzare la Chiesa – die Kirche entmaskulinisieren?»
- Rückenwind für laikale Ämter? Neue Suchbewegungen im Licht alter Lerngeschichten
- A. Zur neueren Entwicklung von laikalen Ämtern
- I. Kirchenamtliche Aufbrüche
- II. Spannungen zwischen der Offenheit für Neues und der Bindung an Traditionen
- B. Zur Entwicklung einer Vielfalt von Ämtern
- I. Suche nach Vielfalt
- II. Auf der Suche nach Spezifika
- C. Wechselnde Verhältnisbestimmungen zwischen «laikalen» Ämtern und Ordo
- I. Von scharfer Unterscheidung …
- II. … über komplementäre Verhältnisbestimmungen …
- III. … zu erneuten Grenzziehungen zwecks Bewahrung der laikalen Identität
- IV. Klerikalisierung von Laien: Bedeutungsvarianten eines Begriffs
- V. Kritik an Klerikalisierung als Ausschluss alternativer Zugangswege zum Ordo
- VI. Gebotenes Umdenken
- D. Fazit
- Die Funktion der Laien in der Kirche in Beschlüssen des Synodalen Weges
- A. Präambeltext: Hören, lernen, neue Wege gehen
- B. Grundtext: Macht und Gewaltenteilung in der Kirche
- C. Grundtext: Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche
- D. Handlungstext: Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs
- E. Handlungstext: Verkündigung des Evangeliums durch beauftragte Getaufte und Gefirmte in Wort und Sakrament
- F. Ergebnis
- Weiheliturgie und Priesterbild. Überlegungen zu möglichen Hintergründen von Missbrauch und Vertuschung
- A. «… eine gesteigerte Ähnlichkeit mit dem Priestertum Christi». Eine fragwürdige amtstheologische Ontologisierung als Falltor möglichen Missbrauchs
- B. Die zentrale Stellung der «nachkonsekratorischen Riten» bei der Priesterweihe
- I. Einkleidungs-, Salbungs- und Übergaberiten in der nachtridentinischen Weiheliturgie
- 1. Die Einkleidung als Ritus zur Einsetzung ins Amt
- 2. Die Salbung der Hände
- 3. Die Übergabe von Kelch und Patene
- 4. Rituelle Inszenierungen des Priesteramtes in der Weiheliturgie bis 1968
- II. Ordinationsliturgie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil
- 1. Anlegen der priesterlichen Gewänder
- 2. Salbung der Hände
- 3. Überreichung von Brot und Wein
- 4. Betonung der kultischen Funktion als Ausdeutung der Zeichen des Sakraments
- C. Reinheit und Befleckung
- I. Die Forderung nach kultischer Reinheit als «Urgegebenheit aller voraufklärerischen Religionen»
- II. Kultische Reinheit im Alten und Neuen Testament
- III. Pollutio-Vorstellungen im Christentum
- IV. Das Motiv der ‚kultischen Reinheit‘ in der Gegenwart
- D. Ein verändertes Amtsverständnis und die Weiheliturgie
- Das interdiözesane kirchliche Strafgericht in Frankreich: Ein Modell für die katholische Kirche in der Schweiz?
- A. Das Verfahren für die Einrichtung des Gerichts in Frankreich
- B. Zusammensetzung, Organisation und Arbeitsweise des nationalen kirchlichen Strafgerichts (TPCN)
- I. Die Gerichtsorganisation
- II. Die Mitarbeiter des Gerichts
- III. Strafverfahren
- IV. Weitere Aspekte der Tätigkeit
- C. Die Aktivitäten des nationalen kirchenrechtlichen Strafgerichts
- D. Ein Modell für die katholische Kirche in der Schweiz?
- Wenn Laien nicht nur das Zeitliche segnen – Zum besonderen, aber nicht exklusiven Weltauftrag der Laien im Kontext der Sendung aller Gläubigen in Kirche und Welt
- A. Die Verhältnisbestimmung von Kirche und Welt in Lumen Gentium und Gaudium et Spes
- B. Die Sendung der Gläubigen in Kirche und Welt in der kirchlichen Rechtsordnung
- Zwischenruf
- A. Die Bedeutung des Begriffs cura pastoralis im Spiegel der kanonistischen Erörterungen
- I. Heribert Schmitz
- II. Die kanonistische Diskussion in aller Kürze skizziert
- III. In reflektierender Weise auf den Punkt gebracht
- B. Die Neubestimmung des Begriffs cura pastoralis und ihre Folgen
- I. Wie ist eine geteilte Gemeindeleitung zu begreifen?
- II. Mögliche Aspekte, die bedacht und diskutiert werden müssten
- Die Zukunft der (Pfarr-)Gemeinden im Nutzen von Freiräumen Pastoraltheologische Überlegungen ausgehend von der Synode 2021–2024
- A. Anstößsse aus dem synodalen Prozess 2021–-2024 zum Gemeindethema
- I. Eröffnungsrede von Papst Franziskus
- II. Das Gemeindethema im Schlussdokument der Weltsynode 2024
- B. Wozu braucht es die Kirche(n) – und wozu darin die Gemeinden? Die Frage nach den Kernkompetenzen
- I. Seelsorge als Kernkompetenz
- II. Solidarität und Hoffnung
- C. Umbruch der Gemeindeseelsorge durch verstärkte Individualisierung
- D. «Freiräume» und Räume des Aufatmens schaffen als Reaktion auf geänderte Rahmenbedingungen
- I. Vorhandene Räume der freien Nutzung übergeben
- II. Freiräume durch Loslassen
- E. Resümee
- Die Teilhabe des christifidelis am dreifachen munus Christi
- Abstract
- Problemstellung
- A. «Participatio» auf philosophischer und theologischer Ebene
- I. Der Teilhabegedanke in der Philosophie
- II. Der Teilhabegedanke in der Theologie
- B. Participatio auf kirchenrechtlicher Ebene
- I. Notwendige Umsetzung in das Recht der Kirche
- II. Differenzierte Teilhabe im kanonischen Recht
- 1. Gleiche Teilhabe
- 2. Differenzierungen
- C. Fazit und Ausblick
- «Wer bin ich […] zu urteilen.» «Ich segne keine ‹homosexuelle Ehe›, ich segne zwei Menschen, die sich lieben.» (Franziskus 8. Februar 2024)
- A. Ehe aus der Sicht der katholischen Kirche
- B. Homosexualität und römisch-katholische Kirche
- I. Homosexualität im Allgemeinen
- II. Homosexualität und christliche Ehe
- C. Der Umgang der römisch-katholischen Kirche mit neueren gesellschaftlichen Entwicklungen im Bereich der Ehe
- I. Katholische Kirche und weltlich rechtliche Entwicklungen
- II. Eingetragene Partnerschaft und Ehe für alle
- III. Sicht der römisch-katholischen Kirche
- D. Vom Verbot zur Ermöglichung einer Segnung
- I. Ausschluss der Segnung von Paaren in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften
- II. Eröffnung der Möglichkeit zur Segnung von Menschen in einer gleichgeschlechtlichen Verbindung
- E. Schluss
- «Dicunt alii, quod si monialis ordinetur, bene recipit caracterem» (Glossa ordinaria ad C.27 q.1 c.23, s. v. ordinari, in fine)
- A. Die Kommentierung zu C.27 q.1 c.23 bei den Dekretisten (ca. 1140–1234)
- B. Die Kommentierung zu C.27 q.1 c.23 in der Summa Lipsiensis und in der Dekretsumme des Honorius von Kent
- C. Die Kommentierung der Glossa palatina
- D. Die Dekretale Veniens (Compilatio III, 5.22.1 = X 3.43.3)
- E. Fazit
- Die Karmelitinnen und der Diözesanbischof von Fort Worth – Strafrecht «at its best»
- A. Einleitung
- B. Das Kloster of the Most Holy Trinity in Arlington
- C. Die Untersuchung
- I. Der Auftakt: Informationen an das Bistum von Forth Worth
- II. Die «ecclesiastical investigation» durch den Diözesanbischof
- III. Die Befragungen
- IV. Der Inhalt des Geständnisses
- V. Die Amtsenthebung als Oberin
- VI. Die Frage der Zurechnungsfähigkeit
- VII. Der hierarchische Rekurs
- D. Die Entlassung aus dem Institut
- E. Der Gehorsam gegenüber dem Bischof
- F. Der Zivilprozess mit kirchenrechtlichen Einschüben
- G. Weitere Entwicklungen
- H. Fazit
- The Synod on Synodality: A Transformative Process through, with and for the People of God
- A. Transformative Process Attending to Experience
- B. Phase 1: Local Churches: October 2021– August 15, 2022
- C. Phase 2: Continental Phase September 2022 – April 15, 2023
- D. Phase 3: XVI Ordinary General Assembly October 2023
- E. Phase 4: From the XVI Ordinary General Assembly in October 2023 to October 2024
- F. Conclusion
- 3. Religion in Staat und Gesellschaft
- Braucht der säkulare Staat Religion? Überlegungen zum Böckenförde-Diktum
- Zusammenfassung
- A. Entstehung, Kontext und Inhalt des Diktums
- B. Zur Wirkungsgeschichte des Diktums
- C. Bedeutung der Religion für den säkularen Staat
- Rechtfertigungsordnungen, Kirche und Kritik – Perspektiven der Soziologie der Konventionen auf das Verhältnis von katholischer Kirche und Gesellschaft
- A. Einleitung
- B. Kirchenkrise und Konflikte
- C. Die Soziologie der Konventionen
- I. Einleitung
- II. Systematisierung der Konventionen (Rechtfertigungsordnungen)
- III. Eigenschaften von Rechtfertigungsordnungen
- IV. Grenzen der Habermasschen Diskursethik
- D. Interpretation der Kritik aus konventionsentheoretischer Perspektive
- I. Sexueller Missbrauch
- II. Nicht gleichberechtigte Stellung der Frauen
- III. Perspektiven auf Problematiken des Kirchenrechts
- Das zentrale Prinzip der Tora
- Summary
- A. Einleitung
- B. Die biblischen Grundlagentexte
- I. Die tōledōt Adams: Ähnlichkeiten (Gen 5,1)
- II. Nächstenliebe – wie oder warum? (Lev 19,18)
- C. Rabbi Aqiva, Ben Azzai und das zentrale Prinzip der Tora
- Die Strafbarkeit der religiös motivierten Gesichtsverhüllung im Lichte der Rechtsgutstheorie
- A. Einleitung
- B. Was ist strafbar?
- C. Strafrechtliche Legitimation?
- I. Rechtsgüterschutz durch Kriminalstrafrecht
- II. Rechtsgüterschutz durch Nebenstrafrecht
- III. Rechtsgut «Kultur, sich mit offenem Gesicht zu begegnen»?
- D. Fazit
- Kirchen und Religionen in der Schweiz. Rahmenbestimmungen für neue Ausrichtungen des schweizerischen Staatskirchenrechts
- A. Das Ende des Friedens in Europa: Ein neuer Kontext, von dem auch in der Schweiz nicht abgesehen werden kann
- B. Die beiden Hauptkoordinaten des schweizerischen Staatskirchenrechts
- C. Unterwegs zu einer vollständigen Rezeption der Lehre des Konzils über die «sana cooperatio»
- I. Die ursprünglichen Zielsetzungen der kirchlichen Körperschaften wiedergewinnen
- II. Auf dem Weg zu neuen Formen der Zusammenarbeit
- D. Zum Schluss
- Wie Jugendliche religiös ticken: Empirische Kernergebnisse und Konsequenzen für die kirchliche Jugendarbeit
- A. Begriffsklärungen: «Jugend», «Religiosität» und «kirchliche Jugendarbeit»
- I. Was «Jugend» meint
- II. Was unter «Religiosität» verstanden wird
- III. «Kirchliche Jugendarbeit» in Deutschland und in der Deutschschweiz
- 1. Kirchliche Jugendarbeit in Deutschland
- 2. Kirchliche Jugendarbeit in der Deutschschweiz
- B. Empirische Kernbefunde zur Religiosität von Jugendlichen
- I. Ziebertz/Kalbheim/Riegel: Religiöse Signaturen heute (2003)
- II. Schnell: Implizite Religiosität und Transzendenzsehnsucht (2004)
- III. Streib/Gennerich: Jugend und Religiosität (2011)
- IV. Sinus-Jugendmilieu-Studien (2008-2024)
- V. Shell-Jugendstudien (2002-2024)
- VI. Kurzbilanz aus den referierten Studien
- C. Religionspädagogische Konsequenzen zur Profilierung der kirchlichen Jugendarbeit
- I. Weitere passgenaue empirische Forschung
- II. Vielfältige subjektorientierte Konzeptionen kreativ weiterentwickeln
- Religiöse Symbole in österreichischen Schulen und Kindergärten
- A. Das Kreuz im Klassenzimmer
- I. Rechtslage
- II. Hintergründe
- III. Rechtsprechung
- B. Das Kopftuch der Schülerinnen
- I. Rechtslage
- II. Hintergründe
- III. Rechtsprechung
- C. Abschließssende Bemerkungen
- Religiöse Hassrede? Wenn Religion zur Quelle oder zum Ziel von «hate speech» wird
- A. Vorbemerkung
- B. Zum Begriff der Hassrede im europäischen Recht
- C. Religiös motivierte Hassrede
- D. Anti-religiöse Hassrede
- E. Resümee
- 75 Jahre Grundgesetz. Wie die korporative Religionsfreiheit den Weg in die deutsche Verfassung fand
- A. 75 Jahre Grundgesetz – 75 Jahre Religionsfreiheit. Einleitung
- B. Theodor Heuss als Vater des Artikels 140 GG?
- C. Der Gang der Verhandlungen zur korporativen Religionsfreiheit im Parlamentarischen Rat
- D. Begründungen der korporativen Religionsfreiheit im Parlamentarischen Rat
- E. Fazit: Korporative Religionsfreiheit im Religionsverfassungsrecht
- Die aktuelle Konkordatspolitik des Hl. Stuhls – Ein Blick über den Tellerrand des deutschen Staatskirchenrechts hinaus
- A. Konkordatsrecht als universalkirchliche Disziplin
- B. Die Rechtsnatur der Konkordate gemäß der kirchenrechtlichen Dogmatik
- I. Die fundamentalen Prinzipien der Konkordatstheorie
- II. Wesentliche inhaltliche Aspekte der Konkordatspolitik
- III. Kategorien konkreter konkordatärer Bestimmungen
- C. Die aktuelle Konkordatspolitik des Heiligen Stuhls ab 2011
- I. Die Vertragspartner des Heiligen Stuhls seit 2011
- II. Die Präambeln der einzelnen Konkordate seit 2011
- III. Einblicke in die konkreten Materien der Konkordate seit 2011
- D. Fundamente, Materien und Generationen – zur Zukunft der Konkordate
- Quoi de neuf? Die aktuelle Praxis des Bundesgerichtes zur Religionsfreiheit
- A. Klärung von Rechtsfragen in Zusammenhang mit der religiösen Pluralisierung
- I. Religiöse Symbole in der öffentlichen Schule
- II. Dispensation von schulischen Veranstaltungen
- III. Anliegen von Muslimen:innen und Muslimen in anderen staatlichen Institutionen
- B. Keine vorschnelle Einschränkung der Religionsfreiheit Privater durch Behörden
- I. Kopftuch der Schülerin
- II. Aufhebung von Behördenverboten
- C. Behördenvertreter müssen den Anschein konfessioneller Voreingenommenheit vermeiden, besonders in Genf
- I. Gerichtspersonal des Kantons Basel-Stadt
- II. Genfer Laizitätsgesetz
- D. Traditionsanschlüsse sind weiterhin zulässig
- E. Denkbare Themen der nächsten Dekade
- I. Anpassungsbedarf
- II. Verweigerung der Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften
- III. Stoßssende Fälle der negativen religiösen Finanzierungsfreiheit
- IV. Religionsfreiheit vs. Diskriminierungsverbot
- V. Schlussgedanke
- Europa und Religion im 21. Jahrhundert Herausforderungen für das Religionsrecht
- A. Einleitung
- B. Die «Wiederkehr von Religion»
- C. Die religiöse Pluralisierung der europäischen Gesellschaft
- D. Resumé
- De Concordia inter Codices und die Religionsfreiheit – eine Problemanzeige am Beispiel von can. 111 § 2 CIC
- A. Ein Fallbeispiel
- B. Rechtsfragen
- I. Eine rechtliche Gemengelage
- II. Hintergrund der Entscheidung
- III. Einige rechtssprachliche Anmerkungen zur uneinheitlichen Verwendung von Rechtsbegriffen
- IV. Normative Spannungen
- V. Ökumenische Implikationen
- VI. Staatskirchenrechtliche Implikationen
- C. Ergebnisse
- D. Lösungsversuch
- Katholische Kirche und Parteien am linken und rechten Rand in Deutschland – eine kirchenrechtliche Problemanzeige
- A. Aktuelle Situation
- B. Der Coup der Erklärung der Deutschen Bischöfe vom 22.02.2024
- C. Und jetzt? – erste diözesanrechtliche Folgen
- D. Und in kirchlichen Vereinigungen und Organisationen?
- E. Ausblick
- Kirchen(rechts)bilder in der Schweizerischen Bundespolitik
- A. Einleitung
- B. Eigenwahrnehmung in lehramtlichen Aussagen
- C. Fremdwahrnehmung in der Bundespolitik
- I. Erste Annäherung
- II. Menschenrechtsanwältin und Helferin
- III. Opfer
- 1. Fehlende Rücksichtnahme
- 2. Teil der verfolgten Christenheit
- IV. Sonderfall
- 1. Religiöse Bedeutung
- 2. Finanzielle Dunkelkammer
- 3. (Mit-) Inhaberin antiquierter Privilegien
- V. Gefährderin des konfessionellen Friedens
- 1. Im Allgemeinen
- 2. Im Besonderen: Bischof Wolfgang Haas
- 3. Durch ungerechtfertigte Bevorzugung
- 4. Ende des Bildes
- VI. Übergriffige Verletzerin von Grundrechten
- VII. Missbrauchs- und Täterschutzorganisation
- 1. Bekanntwerden von Fällen vornehmlich im Ausland
- 2. Schweizerische Pilotstudie 2023
- D. Bewertung und Ausblick
- Religionspolitik zwischen Gestaltung und Nichtstun
- A. Kantone mit aktiver Religionspolitik
- I. Basel-Stadt
- II. Zürich
- III. Bern
- IV. Solothurn
- B. Kantone mit inaktiver Religionspolitik: Zentralschweiz
- I. Luzern
- II. Zug
- III. Schwyz
- C. Fazit und Ausblick
- Die Charta Oecumenica als Wegweiser auf dem Weg der Neuapostolischen Kirche der Schweiz in die Ökumene
- A. Vom konfessionskundlichen zum ökumenischen Zugang
- B. Die Gesprächspartner
- I. Die Neuapostolische Kirche
- II. Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK.CH)
- C. Der Weg
- D. Wachsendes Vertrauen
- Quellen und Literatur
- Der Heilige Stuhl und das kinderrechtliche Territorialargument
- Einleitung
- A. Die Ausgangsfrage
- B. Die aktuellen Rechtspositionen
- C. Abkommenstext und übernommene Verpflichtung
- D. Genealogischer Ansatz
- E. Die einseitig vorgenommene Inhaltsbestimmung
- F. Replies und Comments
- G. Concluding Observations
- H. Ergebnis
- 4. Freiheit der Person
- Akademische Freiheit und kirchliche Bindung Theologie und Wissenschaftsfreiheit im Kirchenrecht
- A. Hinführung
- B. Kirchenrechtlicher Rahmen der Freiheit der akademischen Theologie
- C. Freiheit der akademischen Theologie im Codex Iuris Canonici von 1983
- D. Freiheit der akademischen Theologie und Gehorsam
- E. Abschließssendes
- Freiheit in Kirche und Staat Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit
- Einleitende Bemerkungen
- Teil I: Gewissensfreiheit in der Kirche
- A. Selbstverständliches
- I. Terminologische Klarstellungen
- II. Abgrenzungen ad intra
- III. Erkenntnistheoretische Voraussetzungen
- IV. Ja zur Wahrheit als Ja zur Wirklichkeit
- V. Methodische Unsauberkeiten
- VI. Verhältnis von Philosophie und Theologie
- 1. Die drei «Aufweise»
- a. Aufweis der Vernünftigkeit von Religion
- b. Aufweis der Vernünftigkeit (Glaubwürdigkeit) des christlichen Glaubens…
- c. … und Aufweis der Vernünftigkeit (Glaubwürdigkeit) des Katholischen Glaubens
- VII. Ja zu ewigen Wahrheiten
- VIII. Ja zum Sinn …
- 1. … der Schöpfung
- 2. … von Offenbarung überhaupt
- 3. … der historischen (konkreten) Offenbarung
- B. Kontroverses
- I. Verhältnis von Naturrecht und Offenbarungs-Recht
- II. Naturrecht und Menschenrechte
- 1. Versuchte Relativierung der Menschenrechte
- 2. Menschenrechte gelten semper et ubique
- a. … unabhängig von ihrer Achtung durch den Staat …
- b. … oder eine Religionsgemeinschaft …
- III. Katholische Kirche und Menschenrechte
- 1. Erklärung über die Religionsfreiheit
- 2. Lex fundamentalis ecclesiae – ein gestoppter Anlauf
- 3. «Menschenrechte in der Kirche» – die römische Sicht
- 4. Fazit: Keine anerkannten «Menschenrechte in der Kirche»
- 5. Gescheiteter «Griff nach dem Naturrecht»
- IV. Vorrang des Gewissens
- 1. Stufenbau der Rechtsordnung
- 2. Das Gewissen als Zugang des Einzelnen zum kirchlichen Recht
- 3. Gewissen – vom Subjektivismus zum Relativismus?
- 4. Exkurs: Was tun gegen eine nicht mehr zeitgemäße Kirchenstruktur?
- 5. Religionsfreiheit in der Kirche?
- 6. Ungewollte positive Wirkungen von Humanae vitae und Ordinatio sacerdotalis
- V. Historische und theoretisch-logische Entfaltung der kirchlichen Verfasstheit
- Teil II: Religionsfreiheit im Staat
- A. Die Kirchenfreiheit
- B. Die Religionsfreiheit
- I. Terminologie
- II. Inhalt
- III. Historischer Hintergrund des Staatskirchenrechts
- IV. Päpstliche Funktion im Verhältnis von «Kirche und Staat»
- V. Die Funktion des Staates im Verhältnis von «Kirche und Staat»
- 1. Träger der Religionsfreiheit ist der Einzelne
- 2. Staatliche und überstaatliche Rechtsschutzinstanzen
- 3. Testfall Kirchensteuer
- a. Der vom Standpunkt der Religionsfreiheit geforderte Ansatz
- b. Die vom alten Kirche-Staat-Denken beeinflusste Praxis
- c. Kirchensteuer kein «Vereinsbeitrag»
- d. Zwang zum Kirchenaustritt mit der Religionsfreiheit unvereinbar
- 4. Wer ist Wer für den Staat?
- a. Testfall Kündigung des österreichischen Konkordats von 1855
- b. Testfall Katholische Kirche: Alt- oder Neu-Katholisch?
- c. Staatliches Verständnis und kirchliches Selbstverständnis
- VI. Exkurs. Kirchenspaltungen
- 1. Versöhnte Verschiedenheit
- 2. … unvermeidlich …
- 3. … als Offenbarungseid für Sein in der Kirche
- VII. Nationale und internationale Religionsgemeinschaften
- 1. Internationale Religionsgemeinschaften
- 2. Exkurs. Konkordate
- VIII. Anspruch der Katholiken auf staatliche Förderung ihrer legitimen Interessen
- IX. Kirche und Religionsfreiheit
- C. Befund und Ausblick
- Die Gewissensfreiheit im kanonischen Recht
- A. Einleitung
- B. Die Wiederentdeckung der Gewissensfreiheit in der Kirche
- C. Ein innerkirchliches Grundrecht auf Gewissensfreiheit
- I. Das Menschenrecht auf Gewissensfreiheit als kirchliches Grundrecht
- II. Träger eines innerkirchlichen Grundrechts auf Gewissensfreiheit
- III. Sachlicher Schutzbereich eines innerkirchlichen Grundrechts auf Gewissensfreiheit
- IV. Zusammenfassende Bemerkungen zu einem Grundrecht der Gewissensfreiheit innerhalb der katholischen Kirche
- «Natural Marriage is Fully Understood in the Light of its Fulfilment in the Sacrament of Matrimony»: Ecumenical-Legal Reflection
- Introductory remarks
- A. «God’s action in the marriage rite»
- B. «The Eucharist is the very source of Christian marriage»
- C. Final remarks
- Vergebung und Ressentiment
- A. Vergebung – eine christlich prinzipielle Haltung?
- B. Widerstand im Ressentiment?
- C. Ressentiment als Selbstbehauptung
- D. Ressentiment gegen den kirchlichen Totalitarismus
- Church membership in the Roman-Catholic Church and freedom of religion
- A. Baptism and membership of the Roman Catholic Church
- I. Joining and leaving the church
- II. Formal act of defection from the Catholic Church 1983–2009
- III. The indelible nature of baptism and permanent membership
- B. Voluntary membership
- C. Freedom of religion
- I. Individual freedom of religion
- II. Collective freedom of religion
- III. Freedom of internal organisation
- IV. Vertical and horizontal application of Human Rights
- D. Defecting from the church from the perspective of secular law and human rights
- I. Is the impossibility of lawfully defecting from the church a violation of individual freedom of religion?
- II. Does an individual definitively renounce a fundamental right when they are baptised?
- III. Are the internal canon law rules liable for an assessment by the ECHR?
- Conclusion
- Autorenverzeichnis
Adnotationes in Ius Canonicum
Herausgegeben von Elmar Güthoff und Karl-Heinz Selge
Band 62
Inhaltsverzeichnis
1. Menschenwürde und Menschenrechte
Manfred Belok
Seelsorge: Vertrauensraum und Gefahrenzone. Ein Dringlichkeitsappell
Heiner Bielefeldt
Judith Hahn
Julia Hänni / Cedric Marti
Peter G. Kirchschläger
Menschenwürde und Freiheit – Prinzipien aller Prinzipien der Ethik
Elham Manea
Balancing Faith and Freedom: Adrian Loretan’s Vision for Human Rights in Pluralistic Societies
Mary McAleese
The place of Human Dignity and Human Rights of members of the Catholic Church in Canon Law
Sr. Franziska Mitterer
Konnex von Christlicher Spiritualität und unantastbarer Menschenwürde
Michaela Puzicha
Paul Richard Schneider
Ordensrecht: Altersvorsorge im Falle einer Trennung – Grundrecht oder Gnade
Rik Torfs
-
Pier Virginio Aimone Braida
Il vescovo moderatore, promotore e custode della vita liturgica
Burkhard Berkmann
Michael Böhnke
Arturo Cattaneo
Attualità del contributo delle confraternite alla missione evangelizzatrice della Chiesa
Margit Eckholt
Eva-Maria Faber
Rückenwind für laikale Ämter? Neue Suchbewegungen im Licht alter Lerngeschichten
Heribert Hallermann
Die Funktion der Laien in der Kirche in Beschlüssen des Synodalen Weges
Birgit Jeggle-Merz
Astrid Kaptijn
Thomas Meckel
Elmar Maria Morein
Johann Pock
Helmuth Pree
Wilhelm Rees
Martin Rehak
Martina Tollkühn
Die Karmelitinnen und der Diözesanbischof von Fort Worth – Strafrecht «at its best»
Myriam Wijlens
The Synod on Synodality: A Transformative Process through, with and for the People of God
3. Religion in Staat und Gesellschaft
Felix Bernard
Braucht der säkulare Staat Religion? Überlegungen zum Böckenförde-Diktum
Rainer Diaz-Bone
Matthias Ederer
Andreas Eicker
Die Strafbarkeit der religiös motivierten Gesichtsverhüllung im Lichte der Rechtsgutstheorie
Libero Gerosa
Christian Höger
Sabine Konrad / Franziska Seiler
Religiöse Symbole in österreichischen Schulen und Kindergärten
Andreas Kowatsch
Religiöse Hassrede? Wenn Religion zur Quelle oder zum Ziel von «hate speech» wird
Antonius Liedhegener
75 Jahre Grundgesetz. Wie die korporative Religionsfreiheit den Weg in die deutsche Verfassung fand
Thomas Neumann
René Pahud de Mortanges
Quoi de neuf? Die aktuelle Praxis des Bundesgerichtes zur Religionsfreiheit
Richard Potz
Europa und Religion im 21. Jahrhundert Herausforderungen für das Religionsrecht
Matthias Pulte
Thomas Schüller
Marius Tongendorff
Andreas Tunger-Zanetti / Martin Baumann
Rolf Weibel
Franz Wittmann
Der Heilige Stuhl und das kinderrechtliche Territorialargument
-
Andreas Graßmann
Akademische Freiheit und kirchliche Bindung Theologie und Wissenschaftsfreiheit im Kirchenrecht
Heribert Köck
Freiheit in Kirche und Staat Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit
Martin Krutzler
Andrzej Pastwa
Wolfgang Treitler
Hildegard Warnink
Church membership in the Roman-Catholic Church and freedom of religion
Vorwort
Beim Verfassen eines Artikels für eine andere Festschrift teilte Adrian Loretan mit, dass er selbst eine solche Würdigung für sich nicht wolle. Die Zeit und Energie sollten lieber in andere Forschungsleistungen fliessen.
Nun kommt der Geehrte, nolens volens, trotzdem zu einem solchen wissenschaftlichen Geschenk anlässlich seiner Emeritierung. Die grosse Zahl an Beiträgen zeigt, dass es zwar keinen expliziten Wunsch des Beschenkten, wohl aber ein Bedürfnis der Schenkenden gibt.
Mit dem 31. Januar 2026 geht eine Ära für die Professur für Kirchen- und Staatskirchenrecht in Luzern zu Ende. Zu Beginn des neuen Jahrtausends drohte die Abschaffung der Universitären Hochschule Luzern. Adrian Loretan wäre als damals neugewähltem Dekan die unliebsame Aufgabe der Abwicklung der theologischen Fakultät zugekommen. Statt einem Sich ergeben in einen Niedergang wurde allerdings genau das Gegenteil gewagt: eine Universität mit drei Fakultäten sollte eingerichtet werden! Nach zwei abschlägig beschiedenen Volksabstimmungen zum Aufbau einer Universität in Luzern wurde am 21. Mai 2000 das Gesetz über die universitäre Hochschulbildung in der Volksabstimmung mit deutlicher Mehrheit angenommen – die Universität Luzern war geboren!
Diese Motivation – nicht aufgeben, sondern stattdessen aktiv werden und durch kreative, relevante Ideen ausbauen – zeichnete das Schaffen des Geehrten immer wieder aus. Mit seiner kirchenrechtlich und staatskirchenrechtlich profunden Forschung gelang es ihm, mit Fachvertretern innerhalb des eigenen Fachs, aber auch interdisziplinär, interfakultär, international und interkulturell gewinnbringend zusammenzuarbeiten. Entsprechend lang und vielfältig ist auch die Liste der Beiträge.
Nicht nur universitäts-organisatorisch, sondern auch fachlich-inhaltlich setzte der Geehrte neue Initiativen. Für seine zentralen Anliegen stehen die drei lateinischen Leitworte im Titel der Festschrift: Iustitia, Libertas und Dignitas. Das Recht, auch das Kirchenrecht, muss auf der Gerechtigkeit gründen, Freiheit ermöglichen und die menschliche Würde schützen. Gerade seine Leidenschaft für das Kirchenrecht drängte ihn, sich für dessen Erneuerung und Weiterentwicklung einzusetzen. Gemäss Loretans Forschungsschwerpunkten sind die Beiträge der Festschrift in vier Blöcken angeordnet: (1) Menschenwürde und Menschenrechte (2) Laien – Amt – Ordination (3) Religion in Staat und Gesellschaft (4) Freiheit der Person.
Ein Werk dieses Umfangs bedarf der Zusammenarbeit vieler Menschen. Zunächst danken wir allen, die einen Beitrag verfasst und so die Substanz für die Festschrift geschaffen haben. Für die Organisation bei der Entstehung der Festschrift sei Martina Ferrari sehr herzlich gedankt. Sie trug zusammen mit Vanessa Studerus (Lektorat und redaktionelle Bearbeitung), welcher ebenfalls grosser Dank gebührt, wesentlich zum Gelingen des Projekts bei. Gedankt sei in diesem Zusammenhang auch Chantal Dobler. Für die Aufnahme in die Reihe «Adnotationes in Ius Canonicum» sei ihren Herausgebern Elmar Güthoff und Karl-Heinz Selge ebenso gedankt wie dem Verlag Peter Lang für die wohlwollende und verlässliche Verwirklichung.
Dem Bistum Basel, der Kirchgemeinde Stadt Luzern und der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz (RKZ), sowie der Theologischen Fakultät der Universität Luzern danken wir sehr herzlich für ihre Wertschätzung des Geehrten und des Projekts, die sich in ihren Beiträgen zu den Druckkosten niedergeschlagen hat.
Wir freuen uns, das Schaffen unseres ehemaligen Co-Direktors, Gutachters, Vorgesetzten oder Kollegen würdigen zu können. Wir wünschen ihm weiterhin viel Schaffenskraft und der Leserschaft viel Freude bei der Lektüre.
Die Herausgeberschaft
Burkhard Berkmann
Andreas Eicker
Peter G. Kirchschläger
Martina Tollkühn
Grusswort Bischof Felix Gmür
Wer sich mit der Trias «Staat – Kirche – Recht» in der Schweiz auseinandersetzt, stösst unweigerlich auf den Namen Adrian Loretan. Seine breitgefächerte Forschungstätigkeit und seine zahlreichen Publikationen sprechen für sich. Prof. Dr. Adrian Loretan ist ein renommierter Schweizer Staatskirchenrechtler und Kirchenrechtler, der einen bedeutenden Beitrag zur akademischen und kirchlichen Landschaft der Schweiz geleistet hat. Dieses Engagement möchte ich hier würdigen.
Geboren 1959 in Brig, studierte er Philosophie, katholische und evangelische Theologie sowie Religionsrecht an den Universitäten Freiburg (Schweiz), Tübingen und an der Gregoriana in Rom. 1993 promovierte er mit summa cum laude zum Dr. iur. can. Seit 1996 ist er ordentlicher Professor für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht an der Universität Luzern. Er hat viele Dissertations- und Habilitationsprojekte betreut und wird für seine äusserst engagierte Lehrtätigkeit geschätzt. Seit 2012 ist er Co-Direktor des Zentrums für Religionsverfassungsrecht an der Universität Luzern.
In seiner Forschung und Lehrtätigkeit konzentrierte er sich auf Menschenrechte, Grundrechte und Religionsverfassungsrecht. Er ist bekannt für seine interdisziplinäre Herangehensweise und arbeitet eng mit verschiedenen Fakultäten in Europa zusammen. Unter anderem organisiert er seit 2000 gemeinsame Seminare mit der Rechtswissenschaftlichen und der Theologischen Fakultät der Universität Basel (Engelberger Seminare).
Zahlreich sind seine Publikationen, die sich aktuellen und brisanten Themen widmen: Laien im pastoralen Dienst: ein Amt in der kirchlichen Gesetzgebung (1994), Religionen im Kontext der Menschenrechte (2010), Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt in der Kirche (2023), um nur einige zu nennen. Er ist ausserdem Herausgeber der Reihe ReligionsRecht im Dialog. Alle seine Werke widerspiegeln die umfassende Forschung und sein grosses Engagement in den Bereichen Kirchenrecht, Staatskirchenrecht und Menschenrechte. Ein Vers aus dem Jakobusbrief passt gut zu ihm: «Wer sich aber in das vollkommene Gesetz der Freiheit vertieft und an ihm festhält, wer es nicht nur hört und es wieder vergisst, sondern zum Täter des Werkes geworden ist, wird selig sein in seinem Tun» (Jak 1,25).
Adrian Loretan setzte sich mit grosser Hingabe für Recht und Freiheit in der katholischen Kirche ein. Seine unbeirrbare und in die Zukunft gerichtete Tätigkeit für Universität und Kirche sind musterhaft. Hiermit danke ich ihm herzlich für dieses langjährige Engagement und wünsche Adrian Loretan alles Gute und Gottes Segen für die Zukunft!
+Felix Gmür, Bischof von Basel
Magnus Cancellarius der Theologischen Fakultät der Universität Luzern
Grusswort RKZ Urs Brosi
Nach dreissigjähriger Lehr- und Forschungstätigkeit wird Prof. Dr. iur. can. Adrian Loretan als Professor für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht aus jener Professionspflicht entbunden, die ihm spürbar stets viel mehr als blosse Pflicht bedeutete: Übersprudelnd mit unaufhörlich neuen Ideen für interdisziplinäre Themenstellungen, mit vielfältigen Kontakten zu Fachpersonen anderer Disziplinen, euphorisiert durch den wissenschaftlichen Nachwuchs, für den er sich in seiner empathischen Art engagierte, stellte die Professur für ihn mehr Passion als Pflicht dar.
Adrian Loretan und die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) waren über zwanzig Jahre lang durch eine Leistungsvereinbarung verbunden. Als Dachorganisation der katholischen kantonalkirchlichen Körperschaften der Schweiz (häufig als Landeskirchen bezeichnet) möchte sich die RKZ gemäss ihren Statuten beteiligen «an der Entwicklung eines staatlichen Religionsrechts, das es den Kirchen und Religionsgemeinschaften ermöglicht, sich frei zu entfalten, und sie zum friedlichen Zusammenleben im Rahmen der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung verpflichtet» (Art. 3 Abs. 5 der RKZ-Statuten). Im Bestreben, einen zukunftsorientierten Beitrag zur Entwicklung des Staatskirchenrechts zu leisten, waren sich Adrian Loretan und die RKZ von Anfang an einig.
Denn bereits 1996, als neugewählter Ordinarius, wollte Adrian Loretan seine Professur nicht auf das kanonische Recht beschränken, sondern auch das staatliche Recht über die Kirchen und Religionsgemeinschaften mit einbeziehen, wie er mit der Doppelbezeichnung «Kirchenrecht und Staatskirchenrecht» kundtat. Dieses spannende Themenfeld vermittelte er einer interessierten Öffentlichkeit: Über die rechtliche Einordnung des Kirchenaustritts, das unternehmerische Denken in den Kirchen, die Gleichstellung der Geschlechter, die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit bis zur Missbrauchsproblematik hat er über unzählige Themen referiert, spannende Persönlichkeiten an öffentliche Podien nach Luzern eingeladen und den Medien zahlreiche Interviews gegeben.
Auslöser für die Leistungsvereinbarung mit der RKZ waren jedoch die «Engelberger Seminare». Bei diesen Blockseminaren verbrachten Professoren und Studierende aus drei Fakultäten von Luzern und Basel jedes Jahr vier Tage zunächst im Kloster Engelberg, später ausserhalb des Klosters, um interdisziplinär und ökumenisch an Themen im Spannungsfeld von Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft zu arbeiten. Die Seminare waren beliebt und entsprechend gut besucht, in der Vorbereitung und Durchführung aber auch aufwendig. Hier sprang die RKZ ein und unterstützte den organisatorischen Rahmen, weil sie es für wertvoll erachtete, wenn angehende Jurist:innen und Theolog:innen beider Konfessionen Theologie, Kirchenrecht und Jurisprudenz in Beziehung setzten und sich gegenseitig verstehen lernten. Im Weiteren wurden aber auch öffentliche Veranstaltungen und einzelne Forschungsprojekte der Professur unterstützt.
Am Ende dieser langen Kooperation bleibt zu danken: Dass Generationen von Theologiestudierenden das Kirchen- und Staatskirchenrecht unter vielfältigen Perspektiven als spannende Materie kennen und reflektieren lernten, dass eine ungewöhnlich grosse Zahl von Doktorierenden und Habilitierenden dieses Fach wählten, von denen einige heute auch der Kirche in verschiedenen Funktionen zur Verfügung stehen, dass Katholikinnen und Katholiken sich nicht nur als dem Kirchenrecht Unterworfene wahrnahmen, sondern selber eine verantwortete Rechtspraxis gestalten wollten.
Möge dem Neo-Emeritus die Passion für spannendes Querdenken im Kirchen- und Staatskirchenrecht erhalten bleiben, und er sein inneres Feuer noch möglichst lange anderen Menschen weitergeben können.
Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz
Urs Brosi, Generalsekretär
Zürich, 22. Januar 2025
Seelsorge: Vertrauensraum und Gefahrenzone. Ein Dringlichkeitsappell
Manfred Belok
Inhaltsverzeichnis
A. Seelsorge – «Kerngeschäft» und Basisaufgabe aller christlichen Kirchen
C. Seelsorge – eine berufstypische Gefahrenzone
I. Erschreckendes Ausmaß an Macht- und Gewissensmissbrauch und sexualisierter Gewalt
II. Zum Unterschied von spirituellem Machtmissbrauch und Miss-brauch geistlicher Autorität
III. Enormer Vertrauens-, Glaubwürdigkeits- und Ansehensverlust als Folge für die Kirche
IV. Verbrechen durch kollektiven Konsens des Nicht-Benennens administrativ mitermöglicht
H. Das Geschenk neuen Vertrauens ist nur durch Entschlossenheit im Handeln zu erwerben
Als Pastoraltheologe sehe ich den Auftrag des Kirchenrechts darin, theologisch und pastoral Wichtiges zu schützen. Zu den schützenswertesten Gütern der römisch-katholischen Kirche gehört das Seelenheil (sowie das Körperheil) eines jeden Menschen, das, wie es im letzten Canon des Codex Iuris Canonici – als Grundhaltung und Maxime jedweden christlich-kirchlichen Handelns – heißt: «in der Kirche immer das oberste Gesetz (salus animarum suprema lex) sein muss» (c. 1752 CIC/1983).
A. Seelsorge – «Kerngeschäft» und Basisaufgabe aller christlichen Kirchen
Das «Kerngeschäft» aller christlichen Kirchen ist darum die Seelsorge. Zu Recht erinnert auf katholischer Seite Karl Lehmann: «Seelsorge bleibt eine einzigartige, ja die erste und vornehmste Aufgabe der Kirche, die ihr von niemandem sonst abgenommen werden kann. Ihre Sendung steht und fällt mit diesem Auftrag.»1 Ähnlich formuliert es von evangelischer Seite zum einen Jürgen Ziemer: «Die Kirche der Zukunft kann ich mir nur als eine Kirche der Seelsorge vorstellen. Seelsorge wird jedenfalls zu ihren Basisaufgaben gehören. An ihrer Erfüllung oder Nichterfüllung wird für mich, menschlich gesprochen, das Schicksal der Kirche entschieden.»2 Und für Petra Bosse-Huber, Vizepräsidentin des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), ist Seelsorge die «Muttersprache der Kirche». Sie meint zu Recht: «Nur durch die Qualität ihrer Seelsorge kann die Kirche noch überzeugen.»3
Voraussetzung für Seelsorge ist ein Vertrauensverhältnis zwischen der Seelsorgerin/dem Seelsorger und der Seelsorge suchenden Person. Dieses bislang selbstverständliche Vertrauens-verhältnis aber ist durch die weltweiten Missbrauchsskandale in der katholischen wie in der evangelischen Kirche weitgehend verloren gegangen. Bedrückend ist dies allein schon deshalb, weil die überwiegende Zahl der Priester, Diakone, Ordenschrist:innen und hauptberuflichen Pastoralen Mitarbeiter:innen, die in ihrem Dienst als Seelsorger:innen von den Menschen zu Recht wertgeschätzt werden, sich durch die «schwarzen Schafe» in ihren Reihen in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung nun unter Generalverdacht gestellt und ungeprüft in Mithaftung genommen erfahren.
Hinzu kommt der immer noch nicht entschieden in Angriff genommene Reformstau innerhalb der römisch-katholischen Kirche, der sich zu den Machtmissbrauchsskandalen gesellt. Dies hat in Westeuropa inzwischen auch Auswirkungen auf den theologischen, den religionspädagogischen wie den pastoralen Nachwuchs. Denn wer möchte schon in einer solch zwiespältigen Kirche arbeiten?4
B. Seelsorge – eine berufstypische Vertrauenssituation
Seelsorger:innen wissen – ebenso wie Ärzt:innen, Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen – um den persönlichen Schutzraum, den es braucht, damit Menschen, gerade in besonderen Lebens- und Grenzsituationen, sich mit ihren existenziellen Fragen und mit der Bitte um Rat und Hilfe an sie wenden und sich ihnen vertrauensvoll öffnen können.
I. Das Seelsorgegeheimnis – ein nicht hinterfragter Schutzraum des Rechtsstaates
Ausdruck dieses unbedingten Schutzraumes, das der freiheitliche-demokratische-soziale Rechtsstaat – auf Basis der Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte – gewährleistet, ist das Seelsorgegeheimnis. Seelsorgegespräche offenbaren «innere Vorgänge wie Empfindungen und Gefühle sowie Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art», so die Recht-sprechung des Bundesverfassungsgerichts, die daher als Kernbereich privater Lebensgestaltung zu schützen sind5. Das Seelsorgegespräch und die Beichte, als förmlicher Akt des Sündenbekenntnisses und der Vergebungszusage, sind als religiöse Ausprägung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung Ausfluss des absoluten Schutzes der Menschenwürde. Das Seelsorgegeheimnis ist damit sowohl vom Schutzbereich der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) als auch vom Schutzbereich der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) umfasst.
II. Seelsorge – ein «Gespräch mit religiöser Codierung» (Isolde Karle)
«Seelsorge» – wie zum Beispiel Jugendseelsorge, Spital- und Krankenhausseelsorge – ist keinesfalls ein geschützter Begriff, sondern ein säkularer Rahmen- und Mantelbegriff. Kirchenleitungen, die Menschen zur Seelsorge beauftragen, müssen daher klären, was sie theologisch und pastoral mit «Seelsorge» meinen. In der Regel wird in der Seelsorge, die sich als offene, vorbehaltlose Zuwendung versteht, vor allem die Gesprächsseelsorge favorisiert, in Anwendung der von Carl R. Rogers begründeten klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie und seiner Basisvariablen Empathie, Wertschätzung und Kongruenz. In diesem Sinne wird Seelsorge zumeist als ein «Gespräch mit religiöser Codierung» (Isolde Karle) verstanden und geschieht ausdrücklich «im Bewusstsein der Gegenwart Gottes» und stellt daher nicht einfach ein Beratungsgespräch dar.6
III. Seelsorge – ein Gespräch zwischen zwei Ungleichen
Wer eine Seelsorgerin/einen Seelsorger mit der Bitte um Rat und Hilfe aufsucht, tut dies in der Annahme, dass die Seelsorgerin/der Seelsorger in der Frage, die es zu erörtern gilt, erfahrener und kompetenter ist als man selbst. Das Gesprächssetting und die Gesprächsführung setzen darum ein klares Rollenverständnis und ein professionelles Rollenverhalten der Seelsorgerin/des Seelsorgers voraus, das den Vertrauensraum, der zwischen zwei Menschen entsteht, achtet und respektiert und selbstredend jede verbale oder körperliche Übergriffigkeit vermeidet.
C. Seelsorge – eine berufstypische Gefahrenzone
Dieses in der Seelsorgebeziehung entstehende Vertrauensverhältnis verleiht der Seelsorgerin/dem Seelsorger aufgrund der institutionellen Rolle persönliche Macht und ist darum auch eine berufstypische Gefahrenzone, in der die Person, die Seelsorge sucht, manipuliert, benutzt und in ihrer menschlichen Würde zutiefst beschädigt werden kann, wie Vergangenheit und Gegenwart zeigen.
I. Erschreckendes Ausmaß an Macht- und Gewissensmissbrauch und sexualisierter Gewalt
Die römisch-katholische Kirche mit ihren mehr als 1,3 Milliarden Mitgliedern weltweit, darunter über 300 Millionen Kinder, steckt als Institution in einer abgrundtiefen Krise. Ihre Zustimmungswerte waren bisher schon sehr rückläufig, zum einen, da der Reformstau nach wie vor immens ist. Und zum anderen, da die Plausibilität der römisch-katholischen Kirche als «Gnadenanstalt» (Max Weber), als einzig vermittelnder Weg zum christlichen Heil («extra ecclesiam nulla salus»), ebenso wie die Frage nach Gott7, auch unter katholischen Christ:innen weithin verloren gegangen ist. Nun aber, zusätzlich zutiefst empört über die zahlreichen Fälle von «Macht- und Gewissensmissbrauch»8 und sexualisierter Gewalt an minderjährigen Schutzbefohlenen wie schutzbedürftigen Erwachsenen durch Priester, Diakone, männliche und weibliche Ordensangehörige – 2002 erst in den USA aufgedeckt und seit 2010 dann in Nord- und Westeuropa (Irland, Deutschland, Belgien, Frankreich, und seit September 2023 in der Schweiz), inzwischen auch in Ost- und Südeuropa (Polen, Italien, Spanien, Portugal) – haben viele für sich entschieden: «Es reicht!».
II. Zum Unterschied von spirituellem Machtmissbrauch und Miss-brauch geistlicher Autorität
Religiös-spiritueller Machtmissbrauch fand und findet in der Kirche zwar auch ohne sexualisierte Gewalt statt. Diese ist in kirchlichen Kontexten aber fast immer mit spirituellem Machtmissbrauch verknüpft. Geistlicher Missbrauch, so die Deutsche Bischofskonferenz in ihrer Arbeitshilfe zum Umgang mit Geistlichem Missbrauch, ist als «Missbrauch geistlicher Autorität zu verstehen. Denn ein Missbrauch selbst kann nie geistlicher Art sein. Aber Kleriker wie Laien als Seelsorgerinnen und Seelsorger, geistliche Begleiterinnen und Begleiter, Ordensverantwortliche, Leiterinnen und Leiter von geistlichen Gemeinschaften u. a. können die ihnen eigene oder ihnen zugeschriebene geistliche Autorität missbrauchen. Im Unterschied zum spirituellen Machtmissbrauch durch kirchliche Amtsträger nimmt der Missbrauch geistlicher Autorität auch diejenigen in Blick, die andere geistlich manipulieren, ohne eine institutionelle oder strukturelle Machtfunktion in der Kirche innezuhaben. In einer Vielzahl von Fällen bahnt(e) dieser Missbrauch geistlicher Autorität in der Kirche den sexuellen Missbrauch von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen an.»9.
III. Enormer Vertrauens-, Glaubwürdigkeits- und Ansehensverlust als Folge für die Kirche
Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt sind zwar seit jeher ein gesamtgesellschaftliches Problem, auch außerhalb der römisch-katholischen Kirche, nämlich überall dort, wo ein Vertrauensverhältnis ein besonderes Maß an Nähe ermöglicht, wie in der Familie, in Sportvereinen, in Schulen und Erziehungseinrichtungen, im kulturellen Bereich usw. Für eine Institution wie die römisch-katholische Kirche aber, die für sich in Anspruch nimmt, eine hohe moralische Instanz zu sein, und inner- und außerkirchlich als solche auch weitgehend anerkannt wird, bedeuten die aufgedeckten Fälle von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt an Schutzbefohlenen in der Kirche einen enormen Vertrauens-, Glaubwürdigkeits- und Ansehensverlust. Dies umso mehr, als der Heilige Stuhl – als international wirkende geistliche Körperschaft, als weltweite Regierungsinstanz der römisch-katholischen Kirche mit Sitz im Stadtstaat Vatikan in Rom – einer der ersten war, der die UN-Kinderrechtskonvention von 1989 unterzeichnet, ratifiziert und erklärt hat: «Der Heilige Stuhl betrachtet die vorliegende Konvention als ein geeignetes und lobenswertes Instrument zum Schutz der Rechte und Interessen der Kinder.»10 An den UN-Generalsekretär schrieb Papst Johannes Paul II. damals: «Aus christlicher Sicht wird unser Umgang mit Kindern zu einem Maßstab für unsere Treue zum Herrn selbst.»11
IV. Verbrechen durch kollektiven Konsens des Nicht-Benennens administrativ mitermöglicht
Leitend für das persönliche Handeln von Personalverantwortlichen war die systemimmanente, in der Institution tradierte Werthaltung des «Institutionen-/Täterschutz vor Opferschutz». So wurde beispielsweise von Kardinal Joachim Meisner nach seinem Tod 2017 bekannt, dass er als Erzbischof von Köln (1989–2014), durch seine Zeit als Bischof von West- und Ost-Berlin (1980–1989) im notwendigen Verschleiern – zum Schutz von Priestern vor der DDR-Staatssicherheit – geschult, im Hinblick auf die Missbrauchsverbrechen von Priestern an minderjährigen Schutzbefohlenen wie schutzbedürftigen Erwachsenen einen Aktenordner unter dem Titel «Brüder im Nebel» angelegt hatte. In der Haltung kirchlicher Vertuschungstäter, die Missbrauchsverbrechen in Geheimordnern aktenkundig festgehalten und vertuscht haben, erkennt die Kirchenhistorikerin Annette Jantzen Haltungen und Muster aus der Geschichte totalitärer Systeme. Es ist ein Ineinandergreifen von «Wirklichkeitsverweigerung und Erfahrungsverlust, Pflichttreue und Verantwortungslosigkeit»12. So haben politische, aber auch kirchliche Verantwortungsträger in ihrem Zuständigkeitsbereich Verbrechen durch kollektiven Konsens des Nicht-Benennens administrativ (mit)ermöglicht. «Es wurde vertuscht und verschleiert, weil man offenbar taub war für das Geschehene. Man sah nur ‹Fälle› auf dem Schreibtisch der Kirchenbürokratie.»13
D. Nur eine Krise oder eine Zeitenwende?
Zu fragen ist: Sind die Missbrauchsskandale, oder deutlicher: die Missbrauchsverbrechen in der römisch-katholischen Kirche nur eine weitere, zwar schmerzliche, aber letztlich vorübergehende institutionelle Krise in ihrer langen Geschichte? Oder erschüttern die weltweit tsunamiartig zu Tage getretenen Verbrechen von Macht- und Gewissensmissbrauch und sexualisierter Gewalt die Fundamente des kirchlich-institutionellen Selbstverständnisses? Und zwar derartig, dass sie eine Überprüfung des kirchlichen und kirchenrechtlichen Umgangs mit Macht und Machtmissbrauch verlangen?
Das Bearbeiten der Symptome wird diese «Krise» nicht lösen. In der Medizin bezeichnet Krise den Höhepunkt einer Krankheit. Von hier führt der Weg entweder in den Tod oder zur Genesung. An diesem Scheitelpunkt steht die Institution römisch-katholische Kirche jetzt. Umso dringlicher ist zu fragen: Warum nur entzieht sie sich der Kritik an ihren theologischen Vorgaben und der Kritik an ihren Strukturen, obwohl sie selbst sich doch als «ecclesia semper reformanda» versteht? Braucht es nicht, und zwar um der Zukunftsfähigkeit der Kirche willen, eine grundsätzliche Neuausrichtung ihrer Strukturen und ihres kanonischen Rechts? Denn im Sinne Jesu – «Was ihr dem Geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan» (Mt 25,40) – müssten die Rechte der Opfer jetzt schon besser geschützt werden.
Für die Bewältigung der aktuellen Situation braucht es einen Perspektivenwechsel, der sich auch im Rechtsverständnis niederschlägt: von Top down (hierarchisch-administrativ-organisatorisch) auf Bottom up (von der Kirche als Volk Gottes ausgehend). Letzteres wäre eine Konsequenz aus dem Vatikanum II, die erst halbherzig vollzogen ist. Inhaltlich hat die römisch-katholische Kirche als Institution und als Glaubensgemeinschaft zwar einen Schritt gewagt. Strukturell zögert aber die Institution Kirche. Das rächt sich nicht nur in der Bewältigung der Missbrauchsverbrechen.
E. Problemanzeige: Es fehlt ein «Kirchliches Grundgesetz»
Der Rechtsstaat gewährleistet Rechtssicherheit, da alles staatliche Handeln an das Gesetz gebunden ist. In der römisch-katholischen Kirche dagegen «verfügt der höchste kirchliche Amtsinhaber, der zugleich Regent, Gesetzgeber und Richter ist, ‹kraft seines Amtes über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann› (c. 331 CIC/1983), ohne dabei von einer anderen Instanz kontrolliert zu werden»14. «[W]ährend Bürger und Bürgerinnen im modernen Rechtsstaat umfassende Beteiligungs-, Freiheits- und Abwehrrechte besitzen, die sie vor unabhängigen Gerichten einklagen können, steht es Mitgliedern der römisch-katholischen Kirche zwar frei, ihre Wünsche und Belange gegenüber der zuständigen kirchlichen Autorität zu äußern […], sie haben aber keinen Anspruch darauf, dass in ihrer Sache auch etwas unternommen wird»15.
Adrian Loretan, Inhaber des Lehrstuhls für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht an der Universität Luzern, benennt das Kernproblem: «Die Betroffenen sexueller Gewalt haben in der Kirche keine Menschenrechte, auf die sie sich stützen könnten, um gegen diejenigen vorzugehen, die ihre priesterliche Institutionsmacht missbrauchen, sei es als Täter oder als Vertuscher.»16 Und das, obwohl Papst Paul VI., ein Kirchenrechtler, 1974 «unmissverständlich festgestellt [hat], dass der Einsatz der Kirche für die Menschenrechte nach aussen eine dauernde Selbstprüfung und Reinigung ihres eigenen Lebens, ihrer Gesetze, Institutionen und Handlungsweisen verlangt»17. Daher ließ er ein kirchliches Grundgesetz (Lex Ecclesiae Fundamentalis) ausarbeiten, an deren Anfang ein eigener Menschenrechtskatalog die Grundrechte festschreiben sollte. Dieses Grundgesetz stellte die personale Würde jedes einzelnen Menschen als Gottes Ebenbild an den Anfang. Erst auf diesem Fundament der Rechte aller Getauften und aller Menschen in der Kirche konnten die Rechte der Ämter entfaltet werden. Dieses Verfassungsprojekt Papst Pauls VI. aber wurde von Papst Johannes Paul II. schubladisiert und nur ein Teil seines Inhalts fand Eingang in den CIC/1983. Die vom Heiligen Stuhl 1990 ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention wurde deshalb nie im CIC/1983 umgesetzt. Die Kinder und Jugendlichen können ihre Rechte gegen Amtsträger, die sie missbrauchen, nicht einbringen.
I. Grundrechte – klares Instrument gegen den Machtmissbrauch in der Kirche
Adrian Loretan räumt ein: «Grundrechte können zwar nicht den Missbrauch der Weihe- und Juris-diktionsgewalt (c. 274 CIC/1983) ausschließen. Sie sind aber ein klares Instrument gegen den Machtmissbrauch in der Kirche.»18 Immerhin hat die lateinische Westkirche die Rechtsentwicklung des Westens über Jahrhunderte bis zur Französischen Revolution geprägt19 – aus den Erkenntnissen und Schlussfolgerungen der juristischen Gutachten der Rechtsstaaten des Westens zu lernen und diese in die Neugestaltung des Kirchenrechts einzubeziehen, ist die Aufgabe der Stunde, um nicht weiterhin die Täter systemisch zu fördern und die Überlebenden sexualisierter Gewalt zu vernachlässigen. «Denn das kanonische Recht ist völlig ungeeignet, um sexuelle Gewalt von Priestern angehen zu können», zumal es sexuelle Gewalt als «Verstoss gegen die Zölibatsverpflichtung (c. 277 CIC 1983)» ansieht und keineswegs als «Verstoss gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht eines Kindes oder eines Erwachsenen. Somit wird im Recht der Kirche die Vergewaltigung durch den Priester, d. h. das verletzte sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Geschädigten, ausgeblendet.»20 Und weiter: «Durch unklare Begrifflichkeit (‹contra sextum›), bewusste Vertuschung, unklare Kompetenzbereiche, mangelnde Sachkenntnis und Fahrlässigkeit konnte in der Kirche eine ‹Kultur des Schweigens› entstehen. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, in voller Kenntnis des Ausmaßes des Missbrauchs den Täterschutz priorisiert und die Möglichkeiten der Geschädigtenfürsorge nicht ausgeschöpft zu haben.»21
II. Empörende Eigenlogik des kirchlichen Rechts
In kirchenrechtlichen Verfahren zur sexualisierten Gewalt von Priestern sind Laien keine Subjekte, die selbst ihr Recht einklagen können, sie werden lediglich als Zeuginnen und Zeugen angehört. Dass es sich hier um eine kirchliche Standesjustiz handelt, wird auch daran erkennbar, dass «Richter in kirchlichen Missbrauchsverfahren weiterhin in der Regel Priester sein müssen, Opfer auf den [Zeuginnen- und] Zeugenstatus reduziert bleiben und damit weder Anspruch auf einen formellen Rechtsbeistand noch auf volle Akteneinsicht und eine Urteilsausfertigung haben»22. Warum nur entzieht sich das Kirchenrecht einem grundrechtlichen Ansatz? Immerhin enthält aber die aktualisierte Fassung des Apostolischen Schreibens von Papst Franziskus «Vos esti lux mundi» vom 30. April 2023 eine Verschärfung des Gesetzes gegen Missbrauch und regelt genau, wie im Fall von Missbrauchs-Verdachtsfällen vorzugehen ist und wer, wann, wofür zuständig ist.23
III. Paradigmenwechsel im Verständnis von «sexuellem Missbrauch»
Die allgemeine sexuelle «Sittlichkeit» – durch die klassische katholische Sexualmoral unterstützt und von der staatlichen wie kirchlichen Obrigkeit kontrolliert – war lange Zeit auf den Schutz der heterosexuellen Ehe ausgerichtet. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts trat an ihre Stelle das Konzept der «sexuellen Selbstbestimmung». Entsprechend werden Sexualstraftaten im deutschen Strafgesetzbuch, die früher als «Verbrechen und Vergehen gegen die Sittlichkeit» bezeichnet wurden, seit der Strafrechtsreform im November 1973 als «Straftaten gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht» geahndet. Unerheblich im Bewusstsein heute ist dabei, «ob sie innerhalb oder außerhalb einer heterosexuellen Ehe stattfindet und zur Zeugung geeignet ist», entscheidend ist vielmehr, «ob alle Beteiligten mit der Handlung einverstanden sind»24. Dies bewirkte in der Folge eine Entkriminalisierung von Homosexualität25 sowie die Öffnung der Ehe für homosexuelle Partnerschaften und einen Bewusstseinswandel, dass auch die Vergewaltigung in der Ehe ein Strafbestand gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht einer Person ist. «Sexueller Missbrauch» war noch im 19. Jahrhundert der Oberbegriff für jegliche «missbräuchliche Ausübung der Sexualfunktion». Darunter fielen z. B. Masturbation, aber auch Promiskuität, selbst ein vermeintlich allzu freizügiger Genuss der ehelichen Vereinigung.26
Dieser Paradigmenwechsel in den Gesellschaften des Westens im Laufe des 20. Jahrhundert, dass Missbrauch «nun nicht mehr als eine Verletzung der allgemeinen Sittlichkeit, sondern als eine Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Person begriffen wurde, veränderte vor allem den Status betroffener Personen. Sie waren nicht länger bloße Zeugen [und Zeuginnen], ‹beschädigter Besitz› Dritter oder gar Beteiligte an einem ‹Missbrauch der Sexualfunktion›, sondern sie waren Geschädigte, deren Selbstbestimmungsrecht verletzt worden war, woraus ihnen anders als zuvor nun auch moralische und rechtliche Ansprüche erwuchsen»27. Keineswegs so aber in der katholischen Kirche. Sie «vollzog diesen Paradigmenwechsel nicht mit» und «betrachtet [in ihren Lehraussagen] sexuellen Missbrauch [wie im Katechismus der Katholischen Kirche (KKK), Nr. 2351 ausgeführt] bis heute im Wesentlichen als einen Missbrauch der Sexualität, unterscheidet also zwischen einem ordentlichen und einem sündhaften Gebrauch von Sexualität»28.
F. «Zeitenwende» oder weiterhin «Zeiten ohne Wende»?
I. Es braucht von der Institution Kirche unabhängige Untersuchungs-kommissionen
Um Macht- und Gewissensmissbrauch und sexualisierte Gewalt in der römisch-katholischen Kirche sowohl in ihren «quantitativen und qualitativen Aspekte[n]» als auch die Frage nach den systemischen Ursachen «nicht nur für die Missbrauchstaten selbst, sondern auch für deren unzureichende Aufklärung, Verfolgung und Sanktionierung durch die Leitungsverantwortlichen der katholischen Kirche»29 in den Blick zu bekommen, haben einzelne Länder Studien von staatlichen unabhängigen Kommissionen mit genau dieser Zielsetzung erarbeiten lassen.
So wurde im Februar 2019 – nach einer langen Phase der Verschleierung, Relativierung, teils sogar Leugnung von Macht- und Gewissensmissbrauch und sexualisierter Gewalt in der Kirche – in Frankreich, auf Initiative der Französischen Bischofskonferenz, eine unabhängige Kommission eingesetzt, mit dem Ziel, «spezifische Faktoren der katholischen Kirche zu analysieren», um «das Ausmaß des Phänomens und die Unangemessenheit der kirchlichen Reaktion zu erklären»30.
Bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im März 2023 warb deren Vorsitzender, der Limburger Bischof Georg Bätzing, ebenfalls für eine staatliche Beteiligung bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt, denn ein in sich geschlossenes System könne sich nicht selbst aufarbeiten.
Die unabhängige Kommission in Frankreich sieht die Ursache «in den Mängeln des kirchlichen Rechts», das seine Aufgabe vor allem darin sah, «die Sakramente zu schützen und den Sünder zu bekehren»31. Missbrauchsopfer waren nicht im Blick. Das kanonische Recht sei daher «völlig ungeeignet, um sexuelle Gewalt zu bekämpfen […] und «in einer so heiklen Angelegenheit wie der des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Hinblick auf die Gewährleistung eines fairen Verfahrens und der Menschenrechte gänzlich unangemessen»32.
Adrian Loretans Fazit: «Ohne die strukturelle Dimension von Kirchenrecht und Theologie zu reflektieren, wird die weltweite (sprich: katholische) sexuelle Gewalt von Priestern an Laien und anderen Klerikern in der Kirche keine den Überlebenden der sexuellen Gewalt angemessene Aufarbeitung finden.»33
II. Es braucht eine Schärfung des innerkirchlichen Rechtsbewusst-seins
Zu den überfälligen Aufgaben gehört die Schärfung des innerkirchlichen Rechtsbewusstseins, weil – wie die von einer Forschergruppe aus Mannheim, Heidelberg und Gießen 2014–2018 erarbeitete MHG-Studie34 in Deutschland sowie andere unabhängige Rechtsgutachten in Australien, Irland, den USA, in Frankreich und der 2021–2023 von der Universität Zürich erarbeitete «Bericht zum Pilot-projekt zur Geschichte sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts»35 übereinstimmend aufgezeigt haben – systemische Faktoren sexualisierte Gewalt in der Kirche begünstigen. Dies erfordert sowohl eine weiterhin entschiedene Aufklärungs- und Aufarbeitungsanstrengung als auch nachhaltige Präventions- und Interventionsmaßnahmen auf allen Ebenen kirchlicher Organisation. Und es bedarf zugleich dringender Veränderungen in den Strukturen der Institution Kirche. In seinem Hirtenbrief 2023 spricht der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf von «missbräuchlichen Beziehungsstrukturen», von einem «überhöhten Priesterbild» und hält fest: «Besonders durch das Amtsverständnis wurden die Priester geradezu unangreifbar»36.
G. Anzeichen für eine «Zeitenwende»
I. Der «Synodale Weg» in Deutschland (2019–2023)
Als Reaktion auf die MHG-Studie von 2018 und die dort benannten systemischen Faktoren, die Macht- und Gewissensmissbrauch und sexualisierte Gewalt in der katholischen Kirche begünstigen, beschloss die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) einen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gemeinsam verantworteten «Synodalen Weg»37, mit dem Ziel, sich mit den Erkenntnissen aus der MHG-Studie auseinanderzusetzen und daraus Konsequenzen abzuleiten.
II. Erste handfeste rechtliche Konsequenzen im Bistum Münster
Das 2022 vorgestellte Gutachten zum sexuellen Missbrauch im Bistum Münster, das ausdrücklich Betroffene, Beschuldigte und Vertuscher im Bistum Münster seit 194538 in den Blick nahm, hatte den Strukturen im Bistum – besonders der Rolle von Bischöfen und Generalvikaren als den Personalverantwortlichen für die Priester und ihrer, der Bischöfe und Generalvikare, offensichtlich gewordenen Verletzung von Dienstpflichten – eine Mitschuld gegeben, da sie jahrzehntelang Taten vertuschten und Täter einfach versetzten anstatt die Staatsanwalt zu informieren, Anzeige zu erstatten und die Täter den Strafverfolgungsbehörden zu übergeben.
1. Errichtung einer Disziplinarordnung für Kleriker im Bistum Münster zum 1. März 2025
Als Konsequenz hieraus setzte Bischof Felix Genn zum 1. März 2025, unmittelbar vor seiner alters-bedingten Emeritierung am 6. März 2025, als weltweit erstes Bistum eine Disziplinarordnung für Kleriker in Kraft.39 Diese soll «unter anderem sexuelle Grenzüberschreitungen, den Bruch des Seelsorgegeheimnisses und den Missbrauch seelsorglicher Beziehungen durch Kleriker ahnden. Als Sanktionen sind je nach Vergehen beispielsweise eine Mahnung, eine Geldbuße oder eine Amtsenthebung vorgesehen». Bei Wiederholungstätern kann zudem angeordnet werden, «dass sie nicht mehr in der Seelsorge tätig sind. Auch ist es möglich, dass Priester sich an den Therapiekosten beteiligen müssen. Bei älteren Priestern kann die Pension gekürzt werden.»40
2. Errichtung eines Schlichtungsrats im Bistum Münster
Gleichzeitig mit der Errichtung einer Disziplinarordnung für Kleriker setzte Bischof Felix Genn einen Schlichtungsrat in Kraft, ebenfalls zum 1. März 2025. Der Schlichtungsrat, der laut Statut «aus sieben Schlichterinnen und Schlichtern besteht, die vom Bischof, vom Priesterrat und vom Diözesanrat nominiert werden und die Befähigung zum kirchlichen oder staatlichen Richteramt haben müssen»41, ist ein «Organ der freiwilligen Rechtspflege». Bei einer Beschwerde gegen einen Verwaltungsakt eröffnet die Schlichtungsordnung somit erstmals die Möglichkeit, ein geregeltes Verfahren im Bistum selbst zu führen, was bei positivem Ausgang den Gang nach Rom erspart. Bisher fehlte eine solche Möglichkeit.
Denn, «obwohl in c. 1400 § 2 erklärt wird», so Sabine Demel, emeritierte Inhaberin des Lehrstuhls für Kirchenrecht an der Universität Regensburg (1997-2022), «dass Verwaltungsgerichte für den Rechtsschutz im Bereich von Verwaltungsmaßnahmen zuständig sind», existiert bis heute noch kein einziges Verwaltungsgericht.»42 Diese wären die Instanz, die in Konfliktfällen – sei es bei der Ernennung und Versetzung von Klerikern, der Errichtung oder Auflösung von Pfarreien, Erlassen zu kirchlichen Immobilien usw. – eine Schlichtungsaufgabe wahrzunehmen und die kirchliche Ordnung vor Missbrauch und willkürlichen Entscheidungen zu schützen hätten. Ausgenommen wären, so Thomas Schüller, «lehramtliche Bescheide des Bischofs, Urteile der kirchlichen Gerichte und all die Sachverhalte, die in anderen Ordnungen mit eigenständigen Verfahren geregelt»43 sind.
Thomas Schüller, Direktor des Instituts für Kanonisches Recht an der Universität Münster, der mit Thomas Neumann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an diesem Institut, die Grundlagen für den Schlichtungsrat und die Disziplinarordnung für Kleriker im Bistum Münster erarbeitete, betont: «Beide Ordnungen sind ein mutiger und notwendiger Schritt des Bischofs von Münster. Damit löst der Bischof auch die Forderung der MHG-Studie ein, klerikale Machtstrukturen zu überdenken und handfeste rechtliche Konsequenzen auf diese Überlegungen folgen zu lassen.»44 Und, so Thomas Schüller weiter: «Der wohl bedeutendste kirchenpolitische Aspekt ist darin zu sehen, dass der Bischof von Münster «mit dieser Ordnung weltkirchlich Neuland betritt, ein Unikat, das Vorbild für andere Bistümer sein könnte». Es gibt in keiner Diözese weltweit ein solches geregeltes Verfahren, obwohl es von der kanonistischen Fachwelt und Vertretern der Römischen Kurie seit Jahrzehnten gefordert wird»45.
III. Maßnahmen im Kampf gegen den Missbrauch geistlicher Autorität und sexueller Gewalt in der Kirche Schweiz
Auch in der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz sind – nach einer doch langen Phase der Verschleierung, Relativierung, teils sogar Leugnung von Macht- und Gewissensmissbrauch und sexualisierter Gewalt in der Kirche – inzwischen ernsthafte Anzeichen für eine «Zeitenwende» wahrnehmbar. So errichteten die drei kirchlichen Dachverbände – die Schweizer Bischofskonferenz (SBK), die staatskirchenrechtliche Römisch-Katholische Zentralkonferenz (RKZ) und die Ordens-gemeinschaften (KOVOS) – 2020 die nationale Dienststelle «Missbrauch im kirchlichen Kontext», der das Fachgremium «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Kontext» angegliedert ist. Im gleichen Jahr gaben die SBK, die RKZ und die KOVOS die Pilotstudie «zur Geschichte des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts» in Auftrag, die an der Universität Zürich von einem dreisprachigen Forschungsteam, zusammen mit der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte (SGG), erstellt und am 12. September 2023 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.46 Bereits vor Veröffentlichung der Pilotstudie hatten die SBK, die RKZ und die KOVOS mitgeteilt, dass ein weiteres Forschungsprojekt, ebenfalls an der Universität Zürich (Laufzeit 2024–2026) angesiedelt, folgen soll.
Als Reaktion auf die von der SBK, der RKZ und der KOVOS in Auftrag gegebenen und finanzierten und im Herbst 2023 vorgestellten Pilotstudie, in der das Forschungsteam den Bischöfen als den Verantwortungsträgern in der römisch-katholischen in der Schweiz über 1000 Übergriffe seit dem Jahr 1950 aufzeigte sowie die systematische Vertuschung durch die Verantwortlichen – die Ergebnisse wurden als «nur die Spitze des Eisbergs» qualifiziert – kündigten die drei Dachverbände fünf Maßnahmen an, die nicht, wie bisher, auf Ebene der jeweiligen Bistümer, sondern auf nationaler Ebene – gemeinsam von SBK, KOVOS und RKZ – angegangen werden sollen, mit dem Ziel, den Kampf gegen Missbrauch geistlicher Autorität und sexualisierter Gewalt künftig effektiver zu machen. Die fünf Maßnahmen47 sind:
- Professionelle Opferberatung mit nationalen Melde- und Bearbeitungsstrukturen
- Einführung psychologischer Tests für Personen, die in den kirchlich-pastoralen Dienst eintreten
- Einheitliche Standards in der Führung von Personaldossiers, einschließlich eines besseren Austauschs zwischen den zuständigen Stellen
- Schaffung eines nationalen kirchlichen Straf- und Disziplinargerichts
- Selbstverpflichtung (a) der Diözesen, (b) der kantonalkirchlichen Organisationen, (c) der Ordensgemeinschaften und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens im Umgang mit Missbrauchsakten
1. Vorstoß der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) im November 2023
Am 14./15. November 2023 brachten der Baseler Bischof Felix Gmür als damaliger Präsident der SBK, sowie der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain als in der SBK für das Themengebiet «Missbrauch im kirchlichen Umfeld» verantwortlicher Bischof, im direkten Gespräch mit Papst Franziskus und seinen Mitarbeitern, drei Anliegen vor:
- die Errichtung eines nationalen Kirchen-Straf- und Disziplinargerichts, einer gesamtschwei-zerischen Instanz für kirchliche Strafverfahren,
- die Aufbewahrung von Akten im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen sowie
- den Zugang zu den kirchlichen Archiven.
2. Errichtung einer nationalen Dienststelle «Missbrauch im kirchlichen Umfeld»
Bereits ab dem Jahr 2000, also vor der im Herbst 2023 veröffentlichten Pilotstudie der Universität Zürich zu Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt im kirchlichen Kontext, wurden, wie gesagt, in den Bistümern Anlaufstellen für Betroffene wie auch diözesane Fachgremien eingerichtet, um Beratungs- und Meldestrukturen auf Bistumsebene zu etablieren». Aber, so Bischof Bonnemain, «Betroffene wünschen sich schon sehr lange eine von der Kirche völlig unabhängige Anlaufstelle, wo sie Begleitung, Beratung und Unterstützung erfahren, und zwar psychologisch, juristisch und finanziell. Meldung und Beratung müssen getrennt sein, damit die Beratung unabhängig von den Folgen und von der Institution Kirche stattfinden kann.»48
Seit dem 1. Januar 2025 setzt die römisch-katholische Kirche in der Schweiz die erste der vier versprochenen Maßnahmen – kirchlich unabhängige Anlaufstellen für Missbrauchsbetroffene und professionelle Opferberatung – um, indem sie mit den kantonalen Opferberatungsstellen zusammenarbeitet und sich mithilfe von der RKZ bewilligten Gelder mit einer Fallpauschale an den Zusatzkosten der staatlichen Stellen beteiligt. Und da es den staatlichen Stellen oft an Wissen um die Eigenheiten des kirchlichen Milieus, um die Macht geistlicher Autorität und um das Kirchenrecht mangelt, wurde zusätzlich für die deutschsprachige, für die französisch- und italienischsprachige Schweiz jeweils eine kirchliche Informationsstelle für das spezifische Wissen über kirchliche Strukturen eingerichtet.49
3. Einführung von obligatorischen psychologischen Eignungstests (Assessments) für künftige Seelsorger:innen zum 31. März 2025
Ein zentrales Thema der Schweizer Bischofskonferenz auf ihrer Ordentlichen Vollversammlung vom 10.–12. März 2025 war zum einen die weitere Umsetzung der bereits beschlossenen Maßnahmen sowohl zur Aufklärung und Aufarbeitung der Missbrauchsverbrechen innerhalb der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz und zum anderen das Bemühen um möglichst effektive Präventions- und Interventionsinstrumente. So stimmten die neun Mitglieder der Bischofskonferenz – die Bischöfe der sechs Bistümer der Schweiz, deren Weihbischöfe sowie die beiden Äbte der Territorialabteien Saint-Maurice und Einsiedeln – der Einführung verpflichtender psychologischer Eignungsprüfungen, sogenannter Assessments, für zukünftige Seelsorger:innen zu, erließen ein entsprechendes Dekret und beschlossen, dieses nach Veröffentlichung in der Schweizer Kirchenzeitung (SKZ) am 31. März 2025 in Kraft zu setzen.50 Zugleich wurde entschieden, die Abklärung für Absolvierende des Pastoral- bzw. Einführungsjahres bereits ab April 2025 durchzuführen, die Ergebnisse nach Abschluss der Pilotphase (2025-2026) auszuwerten und das Abklärungsverfahren bei Bedarf entsprechend anzupassen. Ziel, so Stefan Loppacher, Leiter der Dienststelle «Missbrauch im kirchlichen Umfeld», ist es, «bestimmte Risiken frühzeitig zu identifizieren und geeignete Vorkehrungen zu treffen.» Dies gelte für «sämtliche Priesteramtskandidaten sowie Personen, die eine Ausbildung als Seelsorgerin oder Seelsorger absolvieren oder erstmals eine Stelle antreten». Und «wenn die forensischen Fachpsycholog:innen feststellen, dass jemand aufgrund der Persönlichkeitsstruktur eindeutige Risiken aufweist, dann sollen alle kirchlichen Entscheidungsträger […] von einer Aufnahme in den kirchlichen Dienst absehen.» Ungeklärt ist aber, ob eine Ablehnung dokumentiert und in einem Personaldossier festgehalten wird und ob ein Informationsaustausch über Kantons-, Bistums- und Landesgrenzen hinweg vorgesehen ist, um zu verhindern, dass ein abgewiesener Kandidat sich in einem anderen Bistum um Aufnahme bewirbt, was bisher mehrfach der Fall war.
Um das Abklärungsverfahren möglichst früh in der Seelsorgeausbildung anzusetzen, sollen ab Sommer 2026 «schrittweise auch jene Studierenden, die sich bereits in der Ausbildung befinden, ein Assessment durchlaufen». Ziel ist, dass diese Abklärungsverfahren tiefgründig und professionell durchgeführt werden, und zwar verbindlich für die ganze Schweiz, wobei «für Personen, die neu mit der Ausbildung beginnen, grundsätzlich die diözesanen Ausbildungsverantwortlichen über den Zeitpunkt des Assessments» entscheiden. Auf jeden Fall aber muss «spätestens bei der Anmeldung zur Berufseinführung bzw. vor der ersten kirchlichen Anstellung das Assessment durchgeführt worden sein».51
4. Verabschiedung der Statuten für ein Nationales Straf- und Disziplinargericht
Ein weiterer, zentraler Entscheid neben dem Dekret zur Einführung der obligatorischen psychologi-schen Eignungsprüfung zukünftiger Seelsorgerinnen und Seelsorger war auf der 347. Ordentlichen Vollversammlung der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) die Verabschiedung der Statuten für ein nationales, gesamtschweizerisches Kirchliches Straf- und Disziplinargericht, das zusätzlich zur weltlichen Gerichtsbarkeit gegen Kirchenangestellte ermitteln soll, denen Übergriffe vorgeworfen werden. Eine im Herbst 2024 von SBK, RKZ und KOVOS eingesetzte Arbeitsgruppe hatte die Aufgabe, Statuten zu erarbeiten, die der SBK und dem Obersten Gericht der Apostolischen Signatur (Vatikan) in Rom zur Genehmigung vorgelegt und von diesem angenommen und möglichst rasch umgesetzt werden können.52
Nach dem langen, zu langen Abwarten der Leitungsverantwortlichen in der römisch-katholischen Kirche, sich überhaupt den Missbrauchsverbrechen in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich zu stellen – dies gilt sowohl für die Leitungsverantwortlichen auf Ebene der Weltkirche wie auf Ebene der einzelnen Ortskirchen, und eben auch der Ortskirche Schweiz – ist dies ein wichtiger Schritt. Allerdings bräuchte es, um künftig professionelle Untersuchungen von Missbrauchsvorwürfen zu gewährleisten und Loyalitätskonflikte zu vermeiden, in der Ortskirche Schweiz ein nationales, gesamtschweizerisches Kirchliches Straf- und Disziplinargericht, das weder von Rom noch von der Bischofskonferenz abhängig ist.
5. Selbstverpflichtung (a) der Diözesen, (b) der kantonalkirchlichen Organisationen, (c) der Ordensgemeinschaften und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens im Umgang mit Missbrauchsakten
Die Diözesen, vertreten durch den jeweiligen Ortsordinarius, die kantonalkirchlichen Organisationen, vertreten durch die jeweilige kantonalkirchliche Exekutive, sowie die Ordensgemeinschaften und weitere Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens, vertreten durch die jeweiligen Leitungspersonen (Oberin/Oberer), entschließen sich im Umgang mit Missbrauchs-akten, jeweils für den eigenen Verantwortungsbereich eine Selbstverpflichtungs-Erklärung zu unterzeichnen. Diese beinhaltet,
- «keine Akten zu vernichten, welche in irgendeiner Weise Grenzverletzungen oder mögliche Sexualstraftaten gegen Minderjährige oder Erwachsene und/oder den Umgang der kirchlich Verantwortlichen mit Tätern und Täterinnen sowie Beschuldigten dokumentieren, und zwar unabhängig davon, wo sich diese Akten befinden (Personaldossiers, Meldestellen, Ermittlungsakten etc.) und ob es zu Ermittlungen, einem Verfahren, einer Verurteilung oder Ähnlichem kam oder nicht».53
- Dies bezieht auch die Akten von kirchlichen Voruntersuchungen und Strafverfahren ein, die sich in diözesanen Geheimarchiven (can. 489 § 1 CIC) – oder in mit ihnen vergleichbaren Archiven – befinden, selbst dann, wenn die Beschuldigten verstorben sind bzw. ihre Verurteilung ein Jahrzehnt zurückliegt.
- Als Konsequenz verpflichten sich der jeweilige Ortsordinarius, die jeweilige kantonalkirchliche Exekutive, sowie die Leitungspersonen (Oberin/Oberer) der jeweiligen Ordensgemeinschaft und der jeweiligen Gemeinschaft des gottgeweihten Lebens, can. 489 § 2 CIC für den Bereich der Sexualdelikte explizit nicht mehr zu befolgen. Dort heißt es: «Jährlich sind die Akten der Strafsachen in Sittlichkeitsverfahren, deren Angeklagte verstorben sind oder die seit einem Jahrzehnt durch Verurteilung abgeschlossen sind, zu vernichten; ein kurzer Tatbestandsbericht mit dem Wortlaut des Endurteils ist aufzubewahren.»
- Die Ortsordinarien, die jeweilige kantonalkirchliche Exekutive sowie die jeweiligen Leitungs-personen (Oberin/Oberer) der Ordensgemeinschaften/Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens verpflichten sich zudem, für ihren jeweiligen Bereich (Pfarreien und Pastoralräume / Kirchgemeinden und andere kantonalkirchlichen Anstellungsträger, Geistliche Gemeinschaften) in Form klarer Regelungen (Weisungen, Richtlinien, verbindlicher Empfehlungen) sicherzustellen, dass keine Akten – gerade jene, die für die Dokumentation von Missbrauchsfällen und den Umgang der kirchlich Verantwortlichen mit Tätern und Täterinnen und Beschuldigten relevant sind – vernichtet werden und dass diese Vorgabe von den für die Erstellung, Führung und Archivierung der Akten verantwortlichen Behördenmitgliedern und Mitarbeitenden eingehalten werden. Die mit dieser Verantwortung betrauten Personen sollen hierfür entsprechend aus- und weitergebildet werden.
H. Das Geschenk neuen Vertrauens ist nur durch Entschlossenheit im Handeln zu erwerben
Die Aufklärung und Aufarbeitung des über Jahrhunderte vertuschten Missbrauchs von geistlicher Macht und sexualisierter Gewalt an minderjährigen Schutzbefohlenen wie schutzbedürftigen Erwachsenen wird noch lange nicht abgeschlossen sein können, zumal es immer noch Bistümer gibt, die keine von der Kirchenleitung unabhängige Missbrauchsstudie in Auftrag gegeben und veröffentlicht haben. Viele bezweifeln sogar, ob die Leitungsverantwortlichen auf allen Ebenen in der Kirche überhaupt ein ernsthaftes Interesse an lückenloser und rückhaltloser Aufklärung haben sowie willens und fähig sind, die strukturelle Dimension von Theologie und Kirchenrecht zu reflektieren und daraus entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Aber: Sowohl die von der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz angezielte Errichtung einer gesamtschweizerischen Instanz für kirchliche Strafverfahren als auch die in Deutschland vom Bistum Münster als weltweit erstes Bistum eingeführte Disziplinarordnung für Kleriker können wirksame Instrumente gegen den Machtmissbrauch im Raum der Kirche sein. Sie sind zudem ein wichtiges Signal, dass die Verantwortungsträger in der römisch-katholischen Kirche es mit dem viel beschworenen Kultur- und Strukturwandel ernst meinen. Sie lassen die konsequente Umkehr des Prinzips «Täterschutz vor Opferschutz» hin zu «Opferschutz vor Täterschutz» glaubwürdig erscheinen.
Seelsorge, die ich als Biografie unterstützende Begleitung verstehe, setzt, wie eingangs erläutert, ein Vertrauensverhältnis zwischen der Seelsorgerin/dem Seelsorger und der Seelsorge suchenden Person voraus. Aufgabe von Seelsorger:innen ist, die Einzigartigkeit und Heiligkeit einer jeden Lebens- und Beziehungsgeschichte zu achten und mitzuhelfen, die theologische Quintessenz des Römerbriefs, dass Gott uns vor aller Leistung, und sogar trotz aller Schuld, liebt, erfahrbar werden zu lassen.
Details
- Seiten
- 1124
- Erscheinungsjahr
- 2025
- ISBN (PDF)
- 9783631941300
- ISBN (ePUB)
- 9783631941317
- ISBN (Hardcover)
- 9783631941171
- DOI
- 10.3726/b23087
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2025 (September)
- Schlagworte
- Pluralität Ökumenismus Säkularität Ordensrecht Strafrecht kirchliche Macht sexueller und geistlicher Missbrauch Laienämter Geschlechtergerechtigkeit Frauenordination Staat und Kirche Religionsrecht Kath. Kirchenrecht Religionsfreiheit
- Erschienen
- Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford, 2025. 1124 S., 1 farb. Abb., 4 Tab.
- Produktsicherheit
- Peter Lang Group AG