Dr. Mabuse und seine Zeit
Eine deutsche Chronologie
Series:
Sven Safarow
Das Leben, ein Glücksspiel
Extract
Um Dr. Mabuse als Figur zu begreifen, muss man die Realität berücksichtigen, die Jacques’ Der Spieler (re)konstruiert. Das Deutschland, das er hier porträtiert, ist die noch junge Weimarer Republik des Jahres 1921. Das Milieu, in dem der Roman zum Großteil spielt, sind die besseren Glücksspielkreise, in dem junge Millionäre und ihre Mätressen verkehren. Staatsanwalt von Wenk, der im Roman für Recht und Ordnung steht, zieht eine unmissverständliche Analogie zwischen dem Leben in der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit und dem Glücksspiel:
„In dem Spielerprozeß hatte er erlebt, welche Gefahr dem Volk durch das Spiel drohte. Das Auslaufen des Krieges in dem keineswegs abspannenden Zustand, den die Bedingungen von Versailles dem deutschen Volk brachten, hatte die Phantasie nicht beruhigt, sondern hielt sie angestachelt. Hunderttausende waren durch den Krieg an ein untätiges Leben gewöhnt worden. Dies Leben war durch Jahre nichts anderes gewesen als eine Lotterie um Sein oder Nichtsein.“99
Diese Textstelle verrät viel über Wenk, dessen Weltsicht, so Scholdt, weitgehend der des Autors entspricht.100 Das Spiel wird zur akuten Gefahr für das Volk erklärt, was den konservativen Charakter Wenks freilegt. Im Glücksspiel finden gelangweilte junge Männer ihren Zeitvertreib, denen ein Ziel im Leben fehlt. Wenk ist der engagierte Gegenentwurf zum jungen Mann seiner Zeit: Er hat sich dem Gesetz verschrieben, er will die Ordnung, die er bedroht sieht, wiederherstellen. Das Spiel ist in dieser Hinsicht also sein...
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