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Verträge über die Lieferung herzustellender beweglicher Sachen und deren rechtliche Einordnung – eine rechtsvergleichende Untersuchung

von Anna Feilen (Autor:in)
©2015 Dissertation XXII, 378 Seiten

Zusammenfassung

Seit der Schaffung der beiden großen Zivilrechtskodifikationen – des Code Civil und des BGB – hat sich der Warenabsatz stark verändert. Heute wird in der Regel bedarfssynchron produziert und on-demand geliefert. Diese Entwicklungen im modernen Warenhandel fordern auf, darüber nachzudenken, in welcher Form die Abgrenzung von Kauf- und Werkvertrag im Hinblick auf Verträge über die Lieferung herzustellender beweglicher Sachen zukünftig sinnvoll zu leisten ist. Die Untersuchung spannt einen Bogen vom römischen Recht über das traditionelle und das moderne Verständnis der Abgrenzung in Deutschland und Frankreich bis hin zu der bestehenden internationalen Modellordnung, dem UN-Kaufrecht, um schließlich einen Ausblick zu wagen auf das zukünftige europäische Recht, das Gemeinsame Europäische Kaufrecht.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung
  • Teil 1: Begriffsbestimmungen und Bedeutung der Klassifikation
  • A. Begriffsbestimmungen – Definition und Analyse von Kauf- und Werkvertrag
  • I. Die römisch-rechtlichen Wurzeln
  • 1. Der gemeinsame Ausgangspunkt: das Recht der römischen Klassik
  • 2. Frankreich und Deutschland und das römische Erbe
  • II. Vente und Kaufvertrag
  • 1. Vente
  • a. Le prix – der Kaufpreis
  • b. La chose – die Kaufsache
  • c. Le transfert de propriété – der Übergang des Eigentums
  • 2. Kaufvertrag
  • a. Die Verpflichtung zur Verschaffung von Eigentum und Besitz
  • b. Der Kaufgegenstand
  • c. Der Kaufpreis
  • III. Louage d’ouvrage, contrat d’entreprise und Werkvertrag
  • 1. Louage d’ouvrage und contrat d’entreprise.
  • a. Obligation de faire – die Pflicht zu einem Tätigwerden
  • b. Obligation indépendante – Unabhängigkeit des Werkunternehmers
  • c. Obligation sans représentation – keine Vertretung
  • 2. Werkvertrag
  • a. Herstellung eines Werkes
  • b. Entgeltlichkeit
  • IV. Fazit
  • V. Ausblick auf die Verträge auf der Schnittstelle
  • B. Bedeutung der Klassifikation
  • I. Frankreich
  • 1. Anforderungen an die Gültigkeit des Vertrages – die Festlegung der Gegenleistung
  • 2. Haftungsbeschränkende Klauseln
  • 3. spezielle Pflichten des Bestellers
  • a. Devoir de collaboration
  • b. Abnahme des Werkes
  • 4. Eigentumsübertragung und Übergang der Gefahrtragung
  • 5. Haftung für Leistungsstörungen
  • 6. Sonstige spezielle Regeln zur Absicherung des Verkäufers oder Werkunternehmers
  • a. Anwendbarkeit des Gesetzes zur Regelung der Subunternehmerverträge
  • b. Die marchés à forfait
  • c. Vertragsketten
  • d. Die privilèges des Verkäufers
  • e. Angleichungen für Eigentumsvorbehalte
  • 7. Anwendbarkeit der Verbraucherschutzvorschriften
  • 8. Vertragliche Nebenpflichten zur Beratung und Aufklärung
  • 9. Fazit
  • II. Deutschland
  • 1. Bestimmung und Fälligkeit der Gegenleistung
  • a. Festlegung der Vergütung
  • b. Zeitpunkt der Fälligkeit
  • 2. Absicherung des vorleistungspflichtigen Werkunternehmers
  • a. Abschlagszahlungen
  • b. Sicherung des Vergütungsanspruchs
  • 3. Abnahme, Ablieferung und Übergabe
  • 4. Unterschiede in den Mängelbegriffen
  • 5. Ausgestaltung der Nacherfüllung
  • a. Unterschiedliche Zuweisung des Wahlrechts
  • b. Definition der unverhältnismäßigen Kosten
  • c. Fehlschlag der Nacherfüllung
  • d. Gleichlauf hinsichtlich des Umfangs der Nacherfüllung
  • 6. Das Recht zur Selbstvornahme
  • 7. Verjährung der Mängelrechte
  • 8. Ausschluss der Mängelrechte
  • 9. Übernahme einer Garantie
  • 10. Geltung weiterer Bestimmungen
  • a. Verbrauchsgüterkauf
  • b. Handelskauf
  • c. VOB
  • 11. Zusätzliche Möglichkeiten, sich von dem Vertrag zu lösen
  • 12. Fazit
  • C. Ergebnis des ersten Teils
  • Teil 2: Die Klassifikation im deutsch-französischen Vergleich
  • A. Die traditionellen Lösungen
  • I. Frankreich
  • 1. Der Ausgangspunkt der Kontroverse: Art. 1711 und Art. 1787 Code civil
  • 2. Die Suche der Rechtspraxis nach dem geeigneten Klassifikationskriterium
  • a. Qualifikation als einheitlicher oder gemischter Vertrag?
  • b. Das critère économique
  • c. Der Übergang: Die Berücksichtigung des Parteiwillens
  • 3. Der Status quo: Das critère de spécificité
  • a. Die Einführung des critère de spécificité
  • b. Die Ausrichtung der Herstellung an den besonderen Bedürfnissen des Auftraggebers
  • aa. Abgrenzung zum critère de conception
  • bb. Unterscheidung von Informationen zur Identifikation und Informationen zur Spezifikation
  • c. Im Vorfeld festgelegte Charakteristika
  • aa. Übergang zur Serienproduktion
  • bb. Anpassung von Standardsachen und Anknüpfungspunkt des critère de spécificité
  • d. Berücksichtigung der Austauschbarkeit und anderweitigen Absatzfähigkeit der hergestellten Sache
  • 4. Besondere Fragestellungen
  • a. Herstellungsverträge mit zusätzlichen werktypischen Pflichten
  • b. Herstellungsverträge über nicht körperliche Ware am Beispiel von Software
  • 5. Zusammenfassung und Fazit
  • II. Die rechtliche Einordnung in Deutschland vor der Reform des Schuldrechts
  • 1. Die Klassifikation nach § 651 BGB alter Fassung aus rechtsvergleichender Perspektive
  • 2. Das Merkmal der Vertretbarkeit
  • III. Ergebnis zur Abgrenzung nach dem traditionellen Verständnis
  • B. Der Umbruch durch die Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie
  • I. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie – der Motor des Umbruchs
  • 1. Die Anforderungen durch die Richtlinie
  • a. Der Inhalt des Rechtssetzungsbefehls
  • b. Das Leitbild der Richtlinie in Bezug auf Herstellungsverträge
  • 2. Zur Auslegung des nationalen Rechts anhand der Richtlinie
  • a. Richtlinienkonforme Auslegung
  • b. Auslegung überschießend umgesetzter Normen
  • II. Die deutsche Einheitslösung
  • 1. Die große Reform des Schuldrechts: Abkehr von der traditionellen Klassifikation
  • 2. Die Entstehung neuer Problemfelder
  • a. Das Merkmal der Beweglichkeit
  • aa. Die Qualifikation von Verträgen über Scheinbestandteile
  • bb. Die Qualifikation von Verträgen über zum Einbau in Gebäude bestimmte bewegliche Sachen
  • cc. Ergebnis zum Beweglichkeitsbegriff
  • b. Der Begriff der Lieferung
  • c. Der Herstellungsbegriff und die Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit der Werktypik
  • aa. Berücksichtigung der Werktypik im Rahmen der Herstellung
  • aaa. Einfache werktypische Pflichten als Bestandteil der Herstellung
  • bbb. Auslegung zweifelhaft bei wesentlichen werktypischen Herstellungspflichten
  • bb. Zur Herstellung hinzutretende werktypische Pflichten
  • cc. Ergebnis
  • d. Verträge über primär geistige Leistungen mit körperlichem Substrat, insbesondere Software
  • 3. In der Kritik – die Rechtsfolgen von § 651 BGB n. F.
  • a. Die von § 651 BGB für anwendbar erklärten Vorschriften des Werkvertragsrechts
  • aa. § 651 Satz 2 BGB
  • bb. Sonderbestimmungen für Herstellungsverträge über nicht vertretbare Sachen
  • b. Die nicht von der Verweisung erfassten Normen des Werkvertragsrechts
  • aa. Die Vorschläge zur Erweiterung der Verweisung des § 651 Satz 3 BGB
  • bb. Bewertung
  • 4. Zusammenfassung und Fazit
  • III. Die Umsetzung a minima in Frankreich
  • 1. Die „kleine Reform“ des französischen Rechts
  • a. Die wichtigsten Neuerungen des Code de la consommation im vergleichenden Überblick
  • b. Die Änderung des Code civil
  • 2. Die Auswirkungen auf die Qualifikation der Herstellungsverträge
  • a. Neu gewonnene Permeabilität der Grenze
  • aa. Die Rezeption des europäischen Konzepts eines einheitlichen Warenabsatzrechts
  • bb. Der Beweglichkeitsbegriff nach französischem Verständnis
  • b. Erforderlichkeit einer exakten Grenzziehung
  • aa. Beschränkte Gleichstellung mit den Kaufverträgen
  • bb. Unklare Grenzziehung
  • 3. Zusammenfassung und Fazit
  • C. Vergleich und Ergebnis
  • I. Die Parameter der Klassifikation aus rechtsvergleichender Perspektive
  • 1. Qualifikation als einheitlicher Vertrag – im Sinne eines Kauf- oder Werkvertrages
  • a. Grundsätzliche Ablehnung der Annahme eines gemischten Vertrages
  • b. Keine eigenständige Kategorie eines Werklieferungsvertrages
  • 2. Ausrichtung der Qualifikation am Merkmal der Beweglichkeit
  • a. Die Qualifikation von Verträgen über Scheinbestandteile
  • b. Die Qualifikation von Verträgen über zum Einbau in Gebäude bestimmte Sachen
  • c. Fazit
  • 3. Verkörperung des Fabrikats als Weichenstellung?
  • 4. Berücksichtigung der Beteiligung von Verbrauchern bei der Wahl des Klassifikationskriteriums?
  • 5. Die Bedeutung der Vertragstypologie
  • II. Ergebnis
  • Teil 3: Ausblick auf die Qualifikation nach UN-Kaufrecht und GEK-E
  • A. Das UN-Kaufrecht
  • I. Die Herstellungsverträge im Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts
  • 1. Die Schranke des Art. 3 Abs. 1 am Ende CISG
  • a. Der Beurteilungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 am Ende CISG
  • b. Geltung flexibler Wertgrenzen
  • c. Der Stoffbegriff des Art. 3 Abs. 1 CISG
  • 2. Die Schranke des Art. 3 Abs. 2 CISG
  • a. Zum Verhältnis von Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 CISG
  • b. Der Beurteilungsmaßstab des Art. 3 Abs. 2 CISG
  • c. Geltung flexibler Wertgrenzen
  • 3. Der Warenbegriff des CISG
  • a. Beweglichkeit
  • b. Verkörperung
  • 4. Fazit und Vergleich: Die Abgrenzung von Kauf- und Werkvertrag nach dem UN-Kaufrecht
  • II. Adaption des CISG an die besonderen Problemstellungen bei Herstellungsverträgen
  • 1. Vertragsschluss: Festlegung der Vergütung
  • 2. Rechte und Pflichten aus dem Vertrag
  • a. Zusammenarbeit der Parteien
  • b. Verlust des Interesses an der Leistung in der Herstellungsphase
  • c. Probleme bei der Ausführung der Arbeitsleistung im Sinne des Art. 3 Abs. 2 CISG
  • d. Folgen einer Verletzung der Materiallieferungspflicht
  • III. Vergleich und Fazit
  • 1. Qualifikation als einheitlicher Vertrag
  • 2. Ausrichtung an Beweglichkeit und Verkörperung der Ware
  • 3. Ausrichtung an der Beteiligung von Verbrauchern?
  • 4. Die Bedeutung der Vertragstypologie
  • 5. Fazit
  • B. Der Verordnungsentwurf über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht
  • I. Die Herstellungsverträge im Anwendungsbereich des GEK-Entwurfs
  • 1. Fortschreibung des Konzepts der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie
  • 2. Erweiterung des Konzepts der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie
  • a. Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte
  • b. Verträge über verbundene Dienstleistungen
  • 3. Fazit
  • II. Ausrichtung des GEK auf die besonderen Anforderungen der Herstellungsverträge
  • 1. Vertragsschluss – Festlegung der Vergütung
  • 2. Rechte und Pflichten aus dem Vertrag
  • a. Kooperationspflicht
  • b. Nachträgliche Berücksichtigung veränderter Umstände
  • c. Einschränkung des Widerrufsrechts bei Maßanfertigungen
  • d. Heilung bei Verbraucherbeteiligung
  • e. Sonderregeln für Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte
  • f. Sonderregeln für verbundene Dienstleistungen
  • aa. Anpassung der Pflichten des Dienstleisters
  • bb. Anpassung der Pflichten des Kunden
  • cc. Anpassung der Rechtsbehelfe des Kunden
  • 3. Ergebnis
  • III. Vergleich und Fazit
  • 1. Qualifikation als einheitlicher Vertrag
  • 2. Verpasste Chance zur Modernisierung des Warenbegriffs
  • 3. Verbraucherbeteiligung
  • 4. Bedeutung der Vertragstypologie
  • 5. Ergebnis
  • Teil 4: Gesamtergebnis
  • A. Annäherung von Kauf- und Werkvertrag unter Beibehaltung der wesenseigenen Unterschiede
  • B. Kriterium der Abgrenzung
  • C. Ausblick
  • Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

Europa ist in der Krise – es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht daran erinnert werden durch die Nachrichten über den Verfall des Euro, die Demonstrationen in Spanien, Portugal oder Zypern in den vergangenen Monaten. Krise bedeutet aber nicht zwangsläufig Scheitern, sondern auch und gerade die Möglichkeit, Bilanz zu ziehen, zum Überdenken des Althergebrachten und zum Neuanfang. Gerade jetzt zeigt sich, dass sich der europäische Gedanke nicht in der Währungsunion erschöpfen sollte, es ist vielmehr eine breit angelegte politische und wirtschaftliche Einheit notwendig. Einer der Grundpfeiler dieser Einheit ist ein starker europäischer Binnenmarkt. Es gilt, den grenzüberschreitenden Handel durch den Abbau von Handelshemmnissen zu fördern, denn insbesondere die Unterschiede im Vertragsrecht der Mitgliedstaaten und die damit verbundenen Transaktionskosten halten viele Wirtschaftsakteure davon ab, den Binnenmarkt aktiv für sich zu nutzen1. Gegenwärtig müssen sich Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig werden wollen, in bis zu 26 weiteren Vertragsrechtssystemen zurechtfinden. Nach Berechnungen der Europäischen Kommission belaufen sich bereits die Übersetzungs- und Rechtsberatungskosten für jeden dieser möglichen Exportmärkte auf durchschnittlich 10 000 EUR2. Dementsprechend sind nur 9, 3 % aller europäischen Unternehmen zusätzlich auch in anderen Mitgliedstaaten tätig3. Es sind hier neue Impulse notwendig, die den europäischen Gedanken der Zusammengehörigkeit, der wirtschaftlichen und politischen Einheit beleben und stärken. Ein solcher ging von der Europäischen Kommission im Jahr 2011 selbst aus: Am 11. Oktober veröffentlichte sie einen ← 1 | 2 → Vorschlag für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht4. Dieser Schritt in Richtung einer weitergehenden Harmonisierung des Vertragsrechts stellt sicherlich eine der größten juristischen Entwicklungsmöglichkeiten des politischen Europas in den kommenden Jahrzehnten dar.

Um den gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen gewachsen zu sein, muss gerade auch das Warenabsatzrecht an die Gegebenheiten des modernen Warenverkehrs angepasst werden. In Zeiten der Just-in-time-Produktion und der On-demand-Lieferungen werden Waren häufig nicht mehr im großen Stil vorrätig gehalten, sondern oft erst auf Anfrage des Kunden hergestellt. Durch die Weiterentwicklung der Technik ist gleichzeitig die Berücksichtigung spezieller Kundenwünsche bei der Fertigung der Sache möglich und in manchen Wirtschaftsbereichen auch zur Regel geworden. Neben die Massenproduktion tritt damit die flexible Fabrikation maßangefertigter Waren in oftmals hochspezialisierten Betrieben. Nicht nur die Lieferung, sondern auch die Herstellung der Sache wird somit zum Bestandteil des Leistungsprogramms des Sachleistungsschuldners. Oftmals tritt auch die Pflicht hinzu, die neu hergestellte Sache beim (Verbraucher-) Kunden zu montieren oder in die Betriebsabläufe des Auftraggebers detailgenau einzupassen, um die Sache für den Kunden überhaupt erst nutzbar zu machen. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass im heutigen Warenverkehr häufig nicht mehr nur der Transfer des Eigentums an der herzustellenden Sache selbst, sondern auch und gerade die Verschaffung des mit ihr verbundenen Know-hows den Vertragszweck bildet, so etwa bei der Übertragung von digitalen Inhalten wie Computersoftware. Die Grenze zwischen dem auf den Transfer des Eigentums gerichteten Kaufvertrag und dem auf die Vornahme einer Tätigkeit gerichteten Werkvertrag verschwimmt in diesen Fällen. Die Entwicklungen im modernen Warenhandel fordern daher auf, darüber nachzudenken, in welcher Form die Abgrenzung von Kauf- und Werkvertrag im Hinblick auf Verträge über die Lieferung herzustellender beweglicher Sachen zukünftig sinnvoll zu leisten ist.

When looking into the future, looking back is a wise thing to do5 – in diesem Sinne spannt die vorliegende Untersuchung einen Bogen vom römischen Recht über das traditionelle und das moderne Verständnis der Abgrenzung bis hin zu der bestehenden internationalen Modellordnung, dem UN-Kaufrecht, um schließlich einen Ausblick zu wagen auf das zukünftige europäische Recht, ← 2 | 3 → das Gemeinsame Europäische Kaufrecht (GEK). Es gilt darzustellen, was sich nach den bisherigen Erfahrungen – nach der Kasuistik der Rechtsprechung, sowie den Anmerkungen von Wissenschaft und Praxis – als sinnvoll erwiesen hat, um die Klassifikation von Kauf- und Werkvertrag in Bezug auf Verträge über die Lieferung herzustellender beweglicher Sachen sachgerecht und zuverlässig zu gestalten. Dabei herrscht kein Zweifel darüber, dass auch die Grundfragen des besonderen Schuldrechts nicht mehr auf rein nationalem Niveau beantwortet werden können. Die Globalisierung und der internationale Handel haben seit langem die nationalstaatlichen Grenzen überwunden, das Recht und die Rechtswissenschaft sind aufgefordert, sich auf den gleichen Weg zu machen.

Josef Kohler schrieb bereits im Jahr 1909 in seinem Vorwort zur Rheinischen Zeitschrift für Zivil- und Prozessrecht, dass es kein „größeres Bildungsmittel“6 für die deutsche Rechtswissenschaft gebe, „als die Weiterentwicklung des französischen Rechts zu verfolgen“7. Auch Winston Churchill betonte bereits 1946, dass es allen voran die Aufgabe Deutschlands und Frankreichs sei, die Führung auf dem Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa zu übernehmen8, es gebe „kein Wiederstehen Europas ohne ein geistig großes Frankreich und ein geistig großes Deutschland“9. Die wechselseitige Beeinflussung des deutschen und französischen Rechts ist eine stetige Quelle gegenseitiger Inspiration10, mal zeigten sich die Einflüsse direkt, wie etwa bei der Rezeption des Code civil in Baden11, mal lagen die Wirkungen verdeckter. Ein Vergleich der Abgrenzung von Kauf- und Werkvertrag der beiden wichtigsten europäischen Handelspartner ist daher geeignet, Antworten zu geben auf die Frage nach der sachgerechten Grenzziehung allgemein. Dabei wurde der Methode der Rechtsvergleichung bereits im Jahr 1900 ein doppeltes Ziel attestiert: das Ziel des Erkennens und das Ziel des praktischen Wirkens12. Sie hat, mit den Worten Ernst Rabels, einen „Vorrat an Lösungen“13 zu bieten. Beiden Zielen soll diese Arbeit verpflichtet sein. ← 3 | 4 →

← 4 | 5 →

                                                   

  1  Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM (2011) 635 endgültig, S. 4.

  2  Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 8. Juni 2011, abrufbar unter http://europa.eu/rapid/press-release_IP-11-1175_de.htm (zuletzt abgerufen am 20. Oktober 2013).

  3  Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 8. Juni 2011, abrufbar unter http://europa.eu/rapid/press-release_IP-11-1175_de.htm (zuletzt abgerufen am 20. Oktober 2013).

  4  Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM (2011) 635 endgültig.

  5  Grundmann, ERCL 2011, S. 491.

  6  Kohler, Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozessrecht 1909, Bd. 1, S. 3.

  7  Kohler, Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozessrecht 1909, Bd. 1, S. 3.

  8  Churchill in Schäfer, S. 75.

  9  Churchill in Schäfer, S. 75.

10  Siehe hierzu: Boehmer, AcP 1951, S. 19 ff.; Dölemeyer, IC 1978, S. 179 ff.

11  Siehe hierzu: Becker, JuS 1985, S. 344 ff.; FS Wadle/Sturm, S. 1147 ff.; Wadle, ZEuP 2004, S. 947 ff.

12  Kohler, Rechtsvergleichung, S. 28.

13  Rabel, Rechtsvergleichung, S. 93.

Details

Seiten
XXII, 378
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653048056
ISBN (ePUB)
9783653978643
ISBN (MOBI)
9783653978636
ISBN (Hardcover)
9783631655887
DOI
10.3726/978-3-653-04805-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Januar)
Schlagworte
Kaufrecht Werkvertragsrecht französisches Recht Gemeinsames Europäisches Kaufrecht UN-Kaufrecht
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. XXII, 378 S.

Biographische Angaben

Anna Feilen (Autor:in)

Anna Feilen ist Volljuristin. Sie studierte Rechtswissenschaft in Saarbrücken und Nizza mit deutschen und französischen Abschlüssen und war als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für französisches Zivilrecht an der Universität des Saarlandes tätig.

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