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Pädagogische Führung

Geschichte – Grundlegung – Orientierung

von Meike Zellner (Autor:in)
©2015 Dissertation 265 Seiten
Reihe: Grundfragen der Pädagogik, Band 19

Zusammenfassung

Obwohl die Pädagogische Führung einer der pädagogischen Grundbegriffe ist, wird sie in der aktuellen Forschungsliteratur kaum beachtet. Stattdessen wird der Begriff vermieden, substituiert und paraphrasiert. Der Pädagogischen Führung werden per se unpädagogische, unterdrückende oder beherrschende Momente zugesprochen. Die Autorin geht diesem Missverständnis problemgeschichtlich-systematisch nach und zeigt auf, dass kein Pädagoge «um des Führens willen» seiner Führungsaufgabe nachzukommen hat. Im Zentrum all seiner pädagogischen Reflexionen und Entscheidungen steht dementgegen stets der zu ermöglichende Selbstbildungsprozess des Schülers.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Vorwort
  • Abstract
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Einführung
  • 1.1 Anlass
  • 1.2 Desiderat
  • 1.2.1 Verwendung des Begriffs „Pädagogische Führung“
  • 1.2.2 Konnotation des Begriffs „Führung“
  • 1.2.3 Stand der Wissenschaft
  • 1.3 Methodische Disposition
  • 1.4 Bildung – Ziel und Aufgabe der Pädagogischen Führung
  • 2. Problemgeschichtliche Analyse der Pädagogischen Führung
  • 2.1 Griechische Antike – Sokrates und Platon
  • 2.2 Spätantike – Aurelius Augustinus
  • 2.3 Mittelalter – Thomas von Aquin
  • 2.4 Neuzeit – Johann Amos Comenius
  • 2.5 Aufklärung – Jean-Jacques Rousseau
  • 2.6 Deutsche Klassik – Johann Heinrich Pestalozzi
  • 2.7 Moderne – Reformbestrebungen zwischen und 1945
  • 2.7.1 Reformpädagogik – Maria Montessori
  • 2.7.2 Geisteswissenschaftliche Pädagogik – Theodor Litt
  • 2.7.3 Nationalsozialistische Ideologie – Ernst Krieck
  • 2.8 Zusammenfassung
  • 3. Selbstführung als Gegenstand der Pädagogischen Führung
  • 3.1 Anschaulichkeit
  • 3.2 Selbsttätigkeit
  • 3.3 Konzentration
  • 3.4 Synthese
  • 3.5 Zusammenfassung
  • 4. Hilfe zur Selbstführung als pädagogische Führungsaufgabe
  • 4.1 Methodische Entscheidungen
  • 4.1.1 Prinzipien der unterrichtsmethodischen Führung
  • 4.1.1.1 Veranschaulichung
  • 4.1.1.2 Fachmethodische Beratung
  • 4.1.1.3 Fachübergreifende Beratung
  • 4.1.1.4 Bewertung
  • 4.1.2 Fachwissenschaftlich-methodische Führung
  • 4.2 Didaktische Entscheidungen
  • 4.3 Organisatorische Entscheidungen
  • 4.4 Zusammenfassung
  • 5. Kritik der Pädagogischen Führung
  • 5.1 Dialog
  • 5.2 Autorität
  • 5.3 Disziplin
  • 5.4 Normativität
  • 5.5 Institutionelle Bedingtheiten
  • 5.6 Zusammenfassung
  • 6. Fazit
  • Quellenverzeichnis

← 10 | 11 → 1. Einführung

1.1 Anlass

Bildung braucht die königliche Kunst des Führenden, der seinem Schützling hilft, sich selbst zu fassen, wenn er zu wissen begehrt, wenn er fragt“ (Petzelt 1957, S. 244).

Es stellt heutzutage eine Ausnahme dar, dass die Führungsaufgabe des Lehrenden im Bildungsprozess des Lernenden noch so hoch – „königlich“ – bewertet wird wie in diesem Zitat. Im pädagogischen Diskurs ist die adäquate Begrifflichkeit – die Pädagogische Führung – gar in Vergessenheit geraten, fokussiert sich die derzeitige Forschung doch vor allem darauf, wie Unterrichtsprozesse zu „managen“ sind oder wie sich das „pädagogische Leadership“ zu gestalten hat, um Unterrichtsstörungen zu dezimieren. Dass der Lehrer1 in seiner Führungsverantwortung jedoch den Bildungsprozess des Schülers führt und ihn somit unterstützt, sich und sein Leben selbstständig und autonom führen zu können, wird nur selten dargelegt. Die Pädagogische Führung allerdings – auf die sich die nachfolgende Abhandlung konzentriert – ist nur als Korrelat zur Selbstführung des Schülers zu verstehen, d.h. – auf diesen Aspekt verweist auch Petzelt im obigen Zitat –, dass der Lehrer Hilfe zur Selbsthilfe bereitstellt, dass er dem Schüler dabei behilflich ist, „sich selbst zu fassen, wenn er zu wissen begehrt, wenn er fragt“. Ohne das Lernen-Wollen kann der Schüler sich nicht bilden – ist er hingegen motiviert und will lernen, so benötigt er Hilfe entlang seines Bildungsprozesses. Dieses Spannungsfeld kann beschrieben werden als „Paradox der Pädagogischen Führung“ (Hintz/Pöppel/Rekus 2001, S. 185): Auf der einen Seite müssen von dem Schüler die Bildungsanstrengungen selbsttätig erbracht werden, auf der anderen Seite bedarf er dafür Aufforderungen, Hilfestellungen und Orientierungen durch den Lehrer. Das heißt mit anderen Worten: Das Führen durch den Lehrer und die Selbsttätigkeit des Schülers, also das Führen und das Geführt-werden-Wollen, gehören im pädagogischen Verständnis zusammen wie zwei Seiten einer Medaille. Ergo sind Unterricht und Erziehung ohne Pädagogische Führung und Selbstführung ebenso unvorstellbar wie Unterricht und Erziehung ohne Lehrer und Schüler oder Lehren und Lernen.

Dieser dezidiert pädagogischen Reflexionen ungeachtet hat die Pädagogische Führung als Begrifflichkeit eine weitgehend negative Konnotation erhalten, aufgrund der sie in der Forschungsliteratur zumeist substituiert respektive ← 11 | 12 → paraphrasiert oder gänzlich vermieden wird. Dies führte zugleich dazu, dass dem Selbstführungsprozess des Schülers häufig kaum mehr explizite Aufmerksamkeit zuteilwird und sich priorisiert um Regeln und Kriterien einer gelingenden Unterrichtsorganisation bemüht wird. Dass diesem Aspekt der Führungsaufgabe eine exponierte Relevanz zukommt, kann und soll keinesfalls bestritten werden – doch hat zugleich herausgestellt zu werden, dass alle organisatorischen Rahmenbedingungen nur deshalb notwendig sind, damit der Selbstbildungsprozess des Schülers ermöglicht werden kann. In der Fachliteratur liegen allgemeine begriffliche Unklarheiten bzw. sogar Widersprüche und Missverständnisse darüber vor, was unter der pädagogischen Führungsaufgabe eines Lehrenden subsumiert werden kann und in welchen Entscheidungsbereichen seine pädagogische Führungsverantwortung liegt. Ursächlich dafür ist insbesondere, dass eine präzise, pädagogisch-systematische Begriffsexplikation der Pädagogischen Führung bis dato nicht existent ist. Diese auszuarbeiten und dabei zugleich begriffliche Unsicherheiten zu tilgen, stellen die maßgeblichen Motivationen dieser Abhandlung dar. Dabei gestaltet und orientiert sich die nachstehende Untersuchung an folgenden Fragestellungen:

Warum wird der Begriff der Pädagogischen Führung vermieden? (→ Kapitel 1)

Wie wird der Begriff der Pädagogischen Führung verwendet respektive umschrieben und ersetzt? Welche Begriffskonnotationen sowie differenten pädagogischen Zielsetzungen folgen daraus? (→ Kapitel 1)

Wie wird die Pädagogische Führung in pädagogischen Abhandlungen der vergangenen 2500 Jahre beschrieben und bewertet und welche spezifischen Akzentuierungen werden dabei epochal gesetzt? (→ Kapitel 2)

Wie kann sich ein Lernender selbst zur Bildung führen? (→ Kapitel 3)

Wie und auf welche Weise kann ein Lehrender einem Schüler „Hilfe zur Selbstführung“ bereitstellen? (→ Kapitel 4)

Wann kann die Pädagogische Führung nicht mehr als pädagogisch deklariert werden? Wo liegen die Grenzen von (vor-)pädagogischen Handlungen? (→ Kapitel 5)

Wozu bedarf es dieser theoretischen Reflexionen? (→ Kapitel 6)

1.2 Desiderat

1.2.1 Verwendung des Begriffs „Pädagogische Führung“

Wie entlang dieser Ausarbeitung zu zeigen sein wird, sind Unterricht und Erziehung ohne die Pädagogische Führung des Lehrenden und der damit ← 12 | 13 → korrelierenden Selbstführung des Schülers nicht denkbar und praktisch nicht umsetzbar. Schon etymologisch ist der Führungsaspekt der Pädagogik im Allgemeinen sowie dem Pädagogen im Speziellen innewohnend (vgl. Zellner 2013, S. 161f). Beide Begrifflichkeiten leiten sich aus dem Griechischen paideía (παιδεία) ab, das übersetzt „Bildung“, „Erziehung“ bzw. „Ausbildung“ bedeutet. Ihrer Wortherkunft nach ist die Pädagogik, paidagōgíkē (παιδαγωγική), die „Erziehungskunst“ bzw. „-wissenschaft“ und „meint von Anfang an die Lehre und die Theorie von der menschlichen Bildung und Erziehung“ (Böhm 2010a, S. 750). Die Bezeichnung Pädagoge ist zurückzuführen auf das Griechische paid-agōgós (παιδ-αγωγός), welches ein Kompositum der beiden Vokabeln paīs (παĩς) – „Kind“ bzw. „Knabe“ und ágein (άγειν) – „führen“ darstellt und somit wörtlich als „Kinder-“ bzw. „Knabenführer“ zu verstehen ist (zur Etymologie vgl. Duden – Das Herkunftswörterbuch bzw. Gemoll – Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch). Für die Aufgabe des Pädagogen ergibt sich somit angesichts der Etymologie generell, Kinder – genauer gesagt: allgemein Unmündige bzw. Lernende – zur Bildung zu führen (vgl. auch Giesecke 2003, S. 9f). Zu konstatieren ist außerdem: Der Führungsaufgabe des Pädagogen ist seiner Wortherkunft nach per se keinerlei negative Konnotation inne.

Details

Seiten
265
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653055849
ISBN (ePUB)
9783653962826
ISBN (MOBI)
9783653962819
ISBN (Hardcover)
9783631663134
DOI
10.3726/978-3-653-05584-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (März)
Schlagworte
Neukantianer Lernbegleiter Wachsenlassen Didaktik
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 265 S.

Biographische Angaben

Meike Zellner (Autor:in)

Meike Zellner studierte Chemie, Germanistik und Pädagogik an der Technischen Universität Kaiserslautern und am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Sie ist Dozentin für Deutsch als Fremdsprache.

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Titel: Pädagogische Führung
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