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Fehleinschätzungen bei der Eröffnung von Insolvenzverfahren

von Florian Harig (Autor:in)
©2019 Dissertation 150 Seiten

Zusammenfassung

Das deutsche Insolvenzrecht kennt unterschiedliche Verfahrensarten. Neben dem Regelinsolvenzverfahren kommt für natürliche Personen das Verbraucherinsolvenzverfahren in Betracht. Nachlassverfahren werden nach den §§ 315 ff. InsO eröffnet. Die §§ 343 ff. InsO sowie die EuInsVO regeln überdies die örtliche Zuständigkeit für Verfahren mit internationalem Bezug. Bei der Insolvenzantragsstellung besteht kein Wahlrecht hinsichtlich der Art des Verfahrens und des zuständigen Gerichts. Die statthafte Verfahrensart ergibt sich aus den gesetzlichen Regelungen der Insolvenzordnung und der Person des Schuldners. Die Arbeit untersucht Auswirkungen von Verfahren, die in der objektiv falschen Verfahrensart oder von einem national oder international unzuständigen Gericht eröffnet wurden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einleitung
  • I.) Problemaufriss
  • II.) praktische Relevanz
  • III.) Ziele der Betrachtung
  • IV.) Vorgehensweise
  • B. Verfahrensarten in der Systematik der InsO
  • I.) Das Regelinsolvenzverfahren
  • II.) Das Verbraucherinsolvenzverfahren bzw. das vereinfachte Verfahren
  • III.) Das Nachlassinsolvenzverfahren
  • IV.) Insolvenzverfahren mit internationalem Bezug
  • 1.) Hauptinsolvenzverfahren
  • 2.) Partikularinsolvenzverfahren und Sekundärinsolvenzverfahren
  • C. Eröffnungsvoraussetzungen und Zuständigkeiten
  • I.) Voraussetzungen Regelinsolvenzverfahren
  • 1.) Zuständigkeit
  • 2.) formelle Eröffnungsvoraussetzungen
  • 3.) materielle Eröffnungsvoraussetzungen
  • II.) Voraussetzungen Verbraucherinsolvenzverfahren bzw. vereinfachtes Verfahren
  • 1.) Zuständigkeit
  • 2.) formelle Eröffnungsvoraussetzungen
  • 3.) materielle Eröffnungsvoraussetzungen
  • III.) Voraussetzungen Nachlassinsolvenzverfahren
  • 1.) Zuständigkeit
  • 2.) formelle Eröffnungsvoraussetzungen
  • 3.) materielle Eröffnungsvoraussetzungen
  • D. Abgrenzungsprobleme/Fehleinschätzungen
  • I.) Regelinsolvenzverfahren/Verbraucherinsolvenzverfahren
  • II.) Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch ein unzuständiges Gericht
  • III.) Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen nicht mehr existierender Personen
  • E. Regelinsolvenzverfahren/Verbraucherinsolvenzverfahren
  • I.) Abgrenzung der Voraussetzungen von Regel- und Verbraucherinsolvenzverfahren bzw. vereinfachten Verfahrens im Eröffnungsverfahren
  • 1.) Alternativverhältnis der Verfahren
  • 2.) Ermittlungspflicht des Gerichts
  • 3.) Regelinsolvenzverfahren als gesetzlicher Regelfall
  • 4.) Vorliegen der Voraussetzungen nach § 304 InsO als Sonderfall
  • a) selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit
  • b) frühere selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit
  • 5.) Maßgeblicher Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 304 InsO
  • II.) Ablauf des Antragsverfahrens bei streitiger Abgrenzung / Rechtsmittel
  • 1.) Eigenantrag
  • a) unbeschränkter Antrag
  • b) beschränkter Antrag
  • 2.) Fremdantrag
  • a) unbeschränkter Antrag
  • b) beschränkter Antrag
  • 3.) Verfahren nach Ablauf der Rechtsmittelfrist
  • III.) Folgen von Fehleinschätzungen bei der Verfahrenseröffnung
  • 1.) Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens bzw. Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen einer nicht unter die Eröffnungsvoraussetzungen der gewählten Verfahrensart fallenden Person
  • a) insolvenzrechtliche Folgen der Durchführung des Verfahrens unter falschen Voraussetzungen
  • aa) insolvenzrechtliche Folgen für Verfahren, deren Antrag vor dem 01.07.2014 erfolgte
  • bb) insolvenzrechtliche Folgen für Verfahren, deren Antrag ab dem 01.07.2014 erfolgte
  • b) weitere Folgen der Durchführung des Verfahrens unter falschen Voraussetzungen
  • 2.) Zusammenfassung
  • IV.) Ursprünglich geplante Änderungen durch den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen
  • 1.) Änderungen im Referentenentwurf d. BReg.
  • a) Überblick
  • b) Reaktionen auf die geplante Änderung der funktionellen Zuständigkeit
  • c) Einschätzung der derzeitigen Situation
  • 2.) Folgen der Änderung der funktionellen Zuständigkeit für die Verfahrenseröffnung
  • 3.) Stellungnahme
  • F. Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch ein unzuständiges Gericht
  • I.) Eröffnung entgegen der nationalen örtlichen Zuständigkeit
  • 1.) Örtliche Zuständigkeit
  • 2.) Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch ein objektiv örtlich unzuständiges Gericht
  • a) Gläubigerantrag
  • b) Eigenantrag
  • 3.) Folgen der Fehleinschätzung der objektiven nationalen örtlichen Zuständigkeit
  • 4.) Reform zum sog. Konzerninsolvenzrecht
  • 5.) Fehleinschätzungen im Rahmen von Konzerninsolvenzen
  • II.) Eröffnung entgegen der internationalen örtlichen Zuständigkeit
  • 1.) Fehleinschätzung bei der Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens
  • a) internationale Zuständigkeit
  • b) Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens durch ein international unzuständiges Gericht
  • c) Folgen der Fehleinschätzung der internationalen örtlichen Zuständigkeit
  • 2.) Fehleinschätzung bei der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens
  • a) Internationale Zuständigkeit und Eröffnungsvoraussetzungen
  • b) Wirkungen der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens
  • c) Fehleinschätzung bei der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens
  • 3.) Fehleinschätzung bei der Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens
  • a) Internationale Zuständigkeit und Eröffnungsvoraussetzungen
  • b) Wirkungen der Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens
  • c) Fehleinschätzung bei der Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens
  • 4.) Reform der EuInsVO
  • 5.) Fehleinschätzungen im Rahmen der reformierten EuInsVO
  • G. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen nicht mehr existierender Personen
  • I.) Löschung der schuldnerischen Gesellschaft
  • 1.) Liquidationslose Vollbeendigung einer vormals insolvenzfähigen Gesellschaft
  • 2.) Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer beendeten Gesellschaft
  • II.) Tod des Schuldners
  • 1.) Tod des Schuldners im Insolvenzverfahren
  • a) Tod des Schuldners im eröffneten Insolvenzverfahren
  • b) Tod des Schuldners im Restschuldbefreiungsverfahren
  • c) Tod des Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
  • 2.) Folgen der Eröffnung des Regel- bzw. Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen eines nach Antragstellung verstorbenen Schuldners
  • H. Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis

A. Einleitung

I.) Problemaufriss

Das deutsche Insolvenzrecht kennt unterschiedliche Verfahrensarten. Neben dem Regelinsolvenzverfahren kommt für natürliche Personen die Anwendbarkeit des Verbraucherinsolvenzverfahrens bzw. vereinfachten Verfahrens nach den §§ 304 ff. InsO in Betracht. Das Nachlassinsolvenzverfahren ist in den §§ 315 ff. InsO geregelt. Die §§ 343 ff. InsO sowie die EuInsVO regeln überdies die Zuständigkeit und die hiermit verbundene statthafte Verfahrensart im Bereich der Insolvenzverfahren mit internationalem Bezug. Die Verfahrensarten stehen national alternativ nebeneinander und weisen sowohl in ihren Voraussetzungen als auch in ihren Rechtsfolgen spürbare Unterschiede für sämtliche Verfahrensbeteiligten auf. Bei der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht daher kein Wahlrecht hinsichtlich der Art des Verfahrens. Die statthafte Verfahrensart ergibt sich aus den gesetzlichen Regelungen der Insolvenzordnung und ist bindend, sowohl für den Antragsteller, als auch für das Insolvenzgericht und den zu bestellenden Insolvenzverwalter. Die für die Bestimmung der Verfahrensart relevanten Voraussetzungen liegen objektiv vor, in den wirtschaftlichen Verhältnissen der Person über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet werden soll. Erfolgt die Eröffnung des Verfahrens unter der Annahme objektiv nicht vorliegender Voraussetzungen, hinsichtlich der statthaften Verfahrensart, der Zuständigkeit des Gerichts oder der unveränderten Existenz des Schuldners, liegt eine Fehleinschätzung bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor. Diese Fehleinschätzung kann Konsequenzen im weiteren Verlauf des Verfahrens haben.

Die Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit und die statthafte Verfahrensart ist grundsätzlich vom zuständigen Amtsgericht als Insolvenzgericht zu treffen. Funktionell zuständig für die Eröffnung sämtlicher Verfahrensarten ist derzeit der Richter. Dieser bekommt den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Regel bereits für eine bestimmte vom Antragsteller gewählte Verfahrensart zur Entscheidung vorgelegt. Für die verschiedenen Verfahrensarten werden von den Insolvenzgerichten jeweils Antragsformulare bereitgestellt, sodass sich der Antragsteller bereits im Rahmen der Antragstellung auf eine Verfahrensart festgelegt haben wird. Zudem ist im Vorfeld der Beantragung des Verbraucherinsolvenzverfahrens bzw. des vereinfachten Verfahrens durch den Schuldner ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren durchzuführen. Für den einen Eigenantrag stellenden Schuldner ist daher bereits im Vorfeld ←11 | 12→der Stellung des Eröffnungsantrags beim zuständigen Insolvenzgericht die Frage zu klären, welche Verfahrensart durch ihn zu wählen ist, um als Verbraucher ggf. zunächst eine außergerichtliche Schuldenbereinigung nach § 305 InsO anzustreben. Soweit sich für den Richter aus dem Antrag nicht konkrete Anhaltspunkte über die Möglichkeit des Vorliegens der Voraussetzungen einer anderen Verfahrensart ergeben, wird die Entscheidung in der Regel auf die beantragte Verfahrensart fallen. Das Vorliegen der jeweiligen Eröffnungsvoraussetzungen ist durch den Antragsteller im Eröffnungsantrag darzustellen und ggf. glaubhaft zu machen. Der Richter hat bei Zweifeln im Wege der Amtsermittlung weitere Nachforschungen anzustellen und den Sachverhalt abschließend zu prüfen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht dem Schuldner grundsätzlich die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde zu. Der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter ist an die gewählte Verfahrensart gebunden und hat das Verfahren im Rahmen der jeweils geltenden gesetzlichen Regelungen durchzuführen.

Aufgrund der unterschiedlichen Regelungen der verschiedenen Verfahrensarten ergeben sich im Rahmen der Verfahrensabwicklung ggf. Vor- oder Nachteile für einzelne Beteiligte, sofern es zu einer Eröffnung im Wege der objektiv falschen Verfahrensart gekommen ist. Bei dem Großteil der „falsch“ eröffneten Verfahren dürfte kaum einem der Beteiligten die Fehleinschätzung des Antragstellers und des Insolvenzgerichts bewusst werden. Eine Ausnahme hierbei ist der Insolvenzverwalter bzw. der frühere Treuhänder, da dieser im Rahmen der Bearbeitung des Verfahrens einen wesentlich detaillierteren Einblick in die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners erhält als der Richter im Rahmen eines unauffälligen Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Doch auch wenn die Eröffnung in der falschen Verfahrensart nicht zu Bewusstsein der Beteiligten kommt, können sich durch das Durchlaufen der gewählten Verfahrensart in verschiedenen Bereichen erhebliche Unterschiede und Folgen ergeben. Diese Folgen können je nach Sachverhalt sowohl Rechtspositionen des Schuldners als auch solche der Gläubiger betreffen.

II.) praktische Relevanz

Sofern gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem nationalen Gericht in einer bestimmten Verfahrensart nicht innerhalb der gesetzlichen Frist die Beschwerde eingelegt, der Eröffnungsbeschluss also rechtskräftig wird, ist das Verfahren grundsätzlich in der festgelegten Verfahrensart durchzuführen. Bestimmte Regelungen der jeweils anderen Verfahrensart sind hierdurch ausgeschlossen. Die Entscheidung des Richters und die Reaktion des Antragstellers ←12 | 13→bzw. des Schuldners hierauf spielen daher für den Verlauf des Insolvenzverfahrens eine wesentliche Rolle.

Die Abgrenzung der Verfahrensarten bei natürlichen Personen richtet sich im Wesentlichen danach, ob eine natürliche Person selbstständig tätig ist oder vormals selbstständig tätig war und die zur Eröffnung des Verfahrens führenden Verbindlichkeiten noch aus dieser Selbstständigkeit stammen. Im diesem Fall ist das Regelinsolvenzverfahren die statthafte Verfahrensart. Sofern die selbstständige Tätigkeit noch anhält, fällt die Zuordnung daher leicht. Abgrenzungsprobleme kommen eher bei ehemals selbstständig tätigen Personen auf. Hier kann das Regelinsolvenzverfahren die statthafte Verfahrensart sein, wenn aus der Zeit der Selbstständigkeit noch wesentliche Forderungen gegen den Schuldner vorhanden sind. Sollten derartige Forderungen im Wesentlichen nicht mehr vorhanden sein, kommt das vereinfachte Insolvenzverfahren in Betracht, das dem Verbraucherinsolvenzverfahren entspricht.

Die Zahl der ehemals selbstständig tätigen Personen über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren beantragt wird, erreichte laut Erhebungen des Statistischen Bundesamts in den Jahren 2016 und 2017 jeweils nahezu die Zahl der Unternehmensinsolvenzen. Das Statistische Bundesamt weist die ehemals selbstständig tätigen natürlichen Personen gesondert nach Regelinsolvenzverfahren bzw. vereinfachtem Insolvenzverfahren aus. Die ehemals selbstständig tätigen Personen über deren Vermögen das Regelinsolvenzverfahren beantragt wurde, machten hiernach im Jahr 2016 einen Anteil in Höhe von rd. 10,8 % und im Jahr 2017 von rd. 11,7 % der insgesamt beantragten Insolvenzverfahren aus, während die vereinfachten Verfahren über das Vermögen von ehemals selbstständig Tätigen in 2016 einen Anteil von rd. 5,7 % und in 2017 einen Anteil von rd. 5,5 % der Verfahren ausmachten. Insgesamt waren daher in 2016 und 2017 zwischen 16,5 % und 17,2 % der Insolvenzen solche, bei deren Eröffnung eine Prüfung der statthaften Verfahrensart zwischen Regelinsolvenzverfahren und vereinfachtem Insolvenzverfahren stattfinden musste. Die Anzahl von absolut jährlich rd. 20.000 Verfahren über das Vermögen ehemals selbstständiger Personen blieb in den vergangenen Jahren konstant. In jedem dieser Fälle kann durch bewusst oder unbewusst falsche Angaben der Antragsteller im Eröffnungsantrag sowie durch Fehleinschätzungen bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Richter eine falsche Verfahrensart gewählt werden, wodurch die Durchführung des Verfahrens unter den falschen Voraussetzungen und Regelungen erfolgt.

←13 |
 14→

Durch das „Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte“ wurden zwar für Verfahren, die ab dem 01.07.2014 beantragt wurden, wesentliche Regelungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens und des vereinfachten Insolvenzverfahrens dem Regelinsolvenzverfahren angeglichen. Dennoch spielt die Abgrenzung der Eröffnungsvoraussetzungen weiterhin eine wesentliche Rolle für die Notwendigkeit der Durchführung eines vorangegangenen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens.

Auch wurde die im Gesetzesentwurf zunächst vorgesehene Übertragung der funktionellen Eröffnungszuständigkeit in Verfahren nach §§ 304 ff. InsO vom Richter auf den Rechtspfleger nicht verabschiedet. Diesem Vorhaben kommt jedoch aufgrund der ausdrücklichen Einbeziehung in die Evaluation des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) und der rege geführten Zuständigkeitsdebatten weiterhin hohe Relevanz zu. Das ESUG hat durch die Verschiebung der funktionellen Zuständigkeit für das Insolvenzplanverfahren vom Rechtspfleger auf den Richter zudem für Änderungen und praktische Unsicherheit an anderer Stelle gesorgt. Die Diskussionen um die funktionelle Zuständigkeit werden daher nicht abreißen.

Sofern ein Insolvenzantrag im Anwendungsbereich der EuInsVO zur Entscheidung kommt oder Vermögen im nichteuropäischen Ausland belegen sein könnte, bedarf es grundsätzlich der Entscheidung über die universelle Wirkung eines Hauptinsolvenzverfahrens oder der national begrenzten Wirkung des Partikularinsolvenzverfahrens. Die das Insolvenzverfahren betreffenden Gesetze einiger Mitgliedsstaaten sehen daher explizit eine Entscheidung hierüber vor, um das Verfahren auch international zu definieren. In Deutschland fehlen in den Eröffnungsbeschlüssen regelmäßig Angaben dazu, ob es sich um ein Hauptinsolvenzverfahren handelt. Sofern das Gericht eines bestimmten Staates seine Zuständigkeit bejaht und das Insolvenzverfahren anhand des eigenen nationalen Insolvenzrechts eröffnet hat, sind andere Staaten an diese Entscheidung gebunden, soweit das gültige Insolvenzrecht nicht per se mit den eigenen Rechtsgrundsätzen unvereinbar ist. Diese Bindung gilt sodann auch für die Gläubiger aus anderen Staaten. Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene ist daher auch die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Insolvenzgerichts wesentlich für die Beteiligten.

Durch die Reform der InsO im Wege des „Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen“ sowie durch die 2017 in Kraft tretende Reform der EuInsVO kommen zudem Zuständigkeitsregelungen im Bereich von Konzerninsolvenzen hinzu, die eine Feststellung der örtlichen Zuständigkeit an die Strukturen ←14 | 15→der betroffenen Konzerne koppeln. Die Prüfungspflichten der Gerichte und die Abstimmung untereinander werden hierdurch erheblich ausgeweitet.

III.) Ziele der Betrachtung

Details

Seiten
150
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631804988
ISBN (ePUB)
9783631804995
ISBN (MOBI)
9783631805008
ISBN (Paperback)
9783631804971
DOI
10.3726/b16263
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Oktober)
Schlagworte
Insolvenzverfahrensrecht Internationales Insolvenzrecht Örtliche Zuständigkeit Statthaftes Insolvenzverfahren Nachlassinsolvenzverfahren Konzerninsolvenzrecht Verbraucherinsolvenzverfahren
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019., 150 S.

Biographische Angaben

Florian Harig (Autor:in)

Florian Harig ist Rechtsanwalt und auf dem Gebiet des Insolvenzrechts tätig.

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Titel: Fehleinschätzungen bei der Eröffnung von Insolvenzverfahren
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