Einstellungen zu Muttersprachen und Fremdsprachen
Eine empirische Studie mit Schülerinnen und Schülern in Bosnien-Herzegowina
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Copyright
- Autorenangaben
- Über das Buch
- Zitierfähigkeit des eBooks
- Vorwort
- Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Teil A Theoretische Auseinandersetzung
- 1 Der soziokulturelle Kontext der Studie
- 1.1 Bosnien-Herzegowina nach dem Krieg (nach 1995)
- 1.1.1 Parlamente und Regierungen
- 1.1.2 Zuständigkeiten
- 1.1.3 Regierung der Ethnien
- 1.1.4 Institutionen der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina
- 1.2 Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina
- 1.3 Sprache in Bosnien-Herzegowina
- 1.3.1 Der Begriff ‚Serbokroatisch‘
- 1.3.2 Amtssprachliche Regelungen im ehemaligen Jugoslawien (1945–1991)
- 1.3.3 Sprachenpolitik in Bosnien-Herzegowina zur jugoslawischen Zeit
- 1.3.4 Umsetzung der sprachpolitischen Prinzipien in die Praxis
- 1.3.5 Vom Serbokroatischen zum ‚Bosnischen‘, ‚Kroatischen‘ und ‚Serbischen‘
- 1.3.6 Amtssprachliche Regelungen in Bosnien-Herzegowina (nach 1992)
- 1.3.7 Gegenwärtige sprachliche Situation in Bosnien-Herzegowina
- 1.3.8 Folgen der neuen sprach(en)politischen Regelungen
- 1.3.9 Zusammenfassung
- 1.3.10 Definition der Begriffe ‚Bosnisch‘, ‚Kroatisch‘ und ‚Serbisch‘ für die vorliegende Arbeit
- 1.4 Das Bildungswesen in Bosnien-Herzegowina seit 1995
- 1.4.1 Aufbau des Bildungssystems
- 1.4.2 Zuständigkeiten in Bildungsangelegenheiten
- 1.4.3 Das Bildungswesen in der Serbischen Republik
- 1.4.4 Das Bildungswesen in der Föderation Bosnien-Herzegowina
- 1.4.5 Das Bildungswesen im Brčko Distrikt
- 1.4.6 Die Grundschulbildung in Bosnien-Herzegowina
- 1.4.7 Curriculumentwicklung und Curriculumpolitik
- 1.4.8 Sprachencurricula
- 1.4.8.1 Curricula für den Muttersprachenunterricht
- 1.4.8.2 Curricula für den Fremdsprachenunterricht
- 1.4.9 Muttersprachenlehrerausbildung
- 1.4.10 Fremdsprachenlehrerausbildung
- 1.4.11 Zusammenfassung
- 1.5 Einstellungen der Schülerinnen und Schüler in Bosnien-Herzegowina
- 2 Das Konstrukt ‚Einstellung‘
- 2.1 Konstrukt Einstellung in der Sozialpsychologie
- 2.2 Erforschung von Einstellungen in der Fremdsprachenforschung
- 2.3 Die Dreidimensionalität von Einstellungen
- 2.4 Definition des Konstruktes Einstellung für die vorliegende Arbeit
- 3 Konstrukte Muttersprache und Fremdsprache
- 3.1 Definition des Konstrukts Muttersprache
- 3.2 Definition des Konstrukts Fremdsprache
- Teil B Forschung
- 4 Erkenntnisinteresse, Forschungsfragen und Forschungsdesign
- 4.1 Forschungsmethodologische Überlegungen
- 4.2 Zur Erhebung von Einstellungen
- 4.3 Zentrales Erkenntnisinteresse und konkrete Forschungsfragen
- 4.3.1 Kommentar zur Forschungsfrage 1
- 4.3.2 Kommentar zur Forschungsfrage 2
- 4.3.3 Kommentar zur Forschungsfrage 3
- 4.3.4 Kommentar zur Forschungsfrage 4
- 4.3.5 Kommentar zur Forschungsfrage 5
- 4.3.6 Kommentar zur Forschungsfrage 6
- 4.3.7 Kommentar zur Forschungsfrage 7
- 4.4 Forschungsdesign der Studie
- 4.4.1 Untersuchungszeitraum und Untersuchungsort
- 4.4.2 Untersuchungspopulation
- 4.4.3 Bestimmung der Stichprobe
- 4.4.4 Genehmigung des Bildungsministeriums zur Durchführung der Studie
- 4.4.5 Die Durchführung der Pilotstudien
- 4.4.6 Die Durchführung der Hauptstudie (erste Phase)
- 4.4.7 Zur Auswahl der Extremgruppen
- 4.4.8 Die Durchführung der Hauptstudie (zweite Phase)
- 4.4.9 Die Anonymität der befragten Schülerinnen und Schüler
- 5 Entwicklung der Erhebungsinstrumente
- 5.1 Zur Entwicklung des Fragebogens (FB)
- 5.1.1 Der Aufbau des Fragebogens (FB)
- 5.1.2 Die verwendeten Skalen
- 5.1.3 Fragebogenitems zu Einstellungen zu ‚Bosnisch‘, ‚Kroatisch‘ und ‚Serbisch‘
- 5.1.4 Fragebogenitems zu Einstellungen zum Verhältnis von ‚Bosnisch‘, ‚Kroatisch‘ und ‚Serbisch‘
- 5.1.5 Fragebogenitems zu Einstellungen zur lateinischen und kyrillischen Schrift
- 5.1.6 Fragebogenitems zu Einstellungen zum Muttersprachenunterricht
- 5.1.7 Fragebogenitems zu Einstellungen zu Fremdsprachen
- 5.1.8 Fragebogenitems zu Einstellungen zum Fremdsprachenlernen
- 5.1.9 Fragebogenitems zu Einstellungen zu Europa
- 5.1.10 Fragebogenitems zu biografischen Angaben
- 5.1.10.1 Sprachenkenntnisse der Schülerinnen und Schüler
- 5.2 Entwicklung des Erhebungsinstruments Interviewleitfaden (I)
- 5.3 Aufbereitung der Fragebogendaten
- 5.3.1 Auswahl der Fragebogendaten für die statistische Auswertung
- 5.4 Auswertung der Fragebogendaten
- 5.4.1 Einfache Frequenzanalysen
- 5.4.2 Zusammenhangs- und Korrelationsanalysen
- 5.4.3 Signifikanztests
- 5.5 Aufbereitung der Interviewdaten
- 5.5.1 Selektive Transkription
- 5.5.1.1 Transkriptionsregeln
- 5.5.2 Anonymisierung der Interviewdaten
- 5.5.3 Eingabe der Interviewdaten
- 5.6 Auswertung der Interviewdaten
- 5.6.1 Festlegung der Einheiten für die Qualitative Inhaltsanalyse der Interviewdaten
- 5.6.1.1 Festlegung der Auswahleinheit
- 5.6.1.2 Festlegung der Kodiereinheiten
- 5.6.1.3 Festlegung von Kontexteinheiten
- 5.6.2 Bildung von Auswertungskategorien
- 5.6.2.1 Bildung der Hauptkategorien
- 5.6.2.2 Bildung der Subkategorien
- 5.6.3 Erstellung des Kategoriensystems
- 5.6.4 Kodierung des Materials
- 5.6.5 Übersetzung der Transkripte
- Teil C Ergebnisdokumentation
- 6 Bestandsaufnahme: Mutter- und Fremdsprachenunterricht in Bosnien-Herzegowina
- 6.1 Muttersprachenunterricht in Bosnien-Herzegowina
- 6.1.1 Muttersprachenunterricht in der Serbischen Republik
- 6.1.2 Der Muttersprachenunterricht im Kanton ‚Sarajevo‘
- 6.1.3 Muttersprachenunterricht im Kanton ‚West-Herzegowina‘
- 6.1.4 Muttersprachenunterricht im Kanton ‚Zenica – Doboj‘
- 6.1.5 Muttersprachenunterricht im Kanton ‚Posavina‘
- 6.1.6 Muttersprachenunterricht im Kanton ‚Bosnisches Podrinje‘
- 6.1.7 Zusammenfassung Muttersprachenunterricht
- 6.2 Fremdsprachenunterricht in Bosnien-Herzegowina
- 6.2.1 Der Fremdsprachenunterricht in der Serbischen Republik
- 6.2.2 Der Fremdsprachenunterricht im Kanton ‚Sarajevo‘
- 6.2.3 Der Fremdsprachenunterricht im Kanton ‚West-Herzegowina‘
- 6.2.4 Der Fremdsprachenunterricht im Kanton ‚Zenica-Doboj‘
- 6.2.5 Der Fremdsprachenunterricht im Kanton ‚Posavina‘
- 6.2.6 Fremdsprachenunterricht im Kanton ‚Bosnisches Podrinje‘
- 6.2.7 Statistische Angaben über fremdsprachenlernende Schülerinnen und Schüler in Bosnien-Herzegowina
- 6.2.8 Zusammenfassung Fremdsprachenunterricht
- 7 Ergebnisse der Auswertung der Fragebogen- und Interviewdaten
- 7.1 Beschreibung der Stichprobe und der Teilstichproben
- 7.1.1 Geschlecht
- 7.1.2 Gruppenzugehörigkeit
- 7.1.3 Sprachenkenntnisse der Schülerinnen und Schüler
- 7.2 Einstellungen zu ‚Bosnisch‘, ‚Kroatisch‘ und ‚Serbisch‘
- 7.2.1 Ergebnisse der Auswertung der Fragebogendaten zur Forschungsfrage 1
- 7.2.1.1 Muttersprachen der Schülerinnen und Schüler
- 7.2.1.2 Bosnisch als Muttersprache
- 7.2.1.3 Kroatisch als Muttersprache
- 7.2.1.4 Serbisch als Muttersprache
- 7.2.1.5 Einstellungen zu den Varietäten des Serbokroatischen
- 7.2.1.6 Einstellungen zu ‚Bosnisch‘: kognitive und affektive Dimension
- 7.2.1.7 Einstellungen zu ‚Kroatisch‘: kognitive und affektive Dimension
- 7.2.1.8 Einstellungen zu ‚Serbisch‘: kognitive und affektive Dimension
- 7.2.2 Ergebnisse der Auswertung der Interviewdaten zur Forschungsfrage 1
- 7.2.2.1 Einstellungen zu ‚Bosnisch‘: kognitive und affektive Dimension
- 7.2.2.2 Einstellungen zu ‚Kroatisch‘: kognitive und affektive Dimension
- 7.2.2.3 Einstellungen zu ‚Serbisch‘, kognitive und affektive Dimension
- 7.2.3 Zusammenfassung der Ergebnisse zu Forschungsfrage 1
- 7.2.4 Beantwortung der Forschungsfrage 1
- 7.3 Einstellungen zum Verhältnis von ‚Bosnisch‘, ‚Kroatisch‘ und ‚Serbisch‘
- 7.3.1 Ergebnisse der Auswertung der Fragebogendaten zur Forschungsfrage 2
- 7.3.1.1 „Bosnisch, Kroatisch und Serbisch sind eine Sprache“
- 7.3.1.2 „Bosnisch ist eigenständig“
- 7.3.1.3 „Kroatisch ist eigenständig“
- 7.3.1.4 „Serbisch ist eigenständig“
- 7.3.1.5 „Die Unterschiede zwischen dem Bosnischen, Kroatischen und Serbischen erschweren die Verständigung“
- 7.3.2 Ergebnisse der Auswertung der Interviewdaten zur Forschungsfrage 2
- 7.3.2.1 ‚Bosnisch‘, ‚Kroatisch‘ und ‚Serbisch‘ sind eine Sprache: kognitive Dimension
- 7.3.2.2 ‚Bosnisch‘, ‚Kroatisch‘ und ‚Serbisch‘ sind drei Sprachen
- 7.3.2.3 Linguistische Unterschiede (kognitive Dimension)
- 7.3.2.4 Ein Staat – eine Sprache (kognitive Dimension)
- 7.3.2.5 Ein Volk – eine Sprache (affektive Dimension)
- 7.3.2.6 Eine Religion – eine Sprache (affektive Dimension)
- 7.3.3 Zusammenfassung der Ergebnisse zu Forschungsfrage 2
- 7.3.4 Beantwortung der Forschungsfrage 2
- 7.4 Einstellungen zur lateinischen und kyrillischen Schrift
- 7.4.1 Ergebnisse der Auswertung der Fragebogendaten zur Forschungsfrage 3
- 7.4.1.1 Der Gebrauch der lateinischen und der kyrillischen Schrift
- 7.4.1.2 „Ich mag die kyrillische Schrift“
- 7.4.1.3 „Ich mag die lateinische Schrift“
- 7.4.2 Ergebnisse der Auswertung der Interviewdaten zur Forschungsfrage 3
- 7.4.2.1 Einstellungen zur lateinischen Schrift: kognitive, affektive und konative Dimension
- 7.4.2.2 Einstellungen zur kyrillischen Schrift: kognitive, affektive und konative Dimension
- 7.4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse zur Forschungsfrage 3
- 7.4.4 Beantwortung der Forschungsfrage 3
- 7.5 Einstellungen zum Muttersprachenunterricht
- 7.5.1 Ergebnisse der Auswertung der Fragebogendaten zur Forschungsfrage 4
- 7.5.2 Ergebnisse der Auswertung der Interviewdaten zur Forschungsfrage 4
- 7.5.2.1 Für den gemeinsamen Muttersprachenunterricht, kognitive und affektive Dimension
- 7.5.2.2 Gegen den gemeinsamen Muttersprachenunterricht: kognitive und affektive Dimension
- 7.5.3 Zusammenfassung der Ergebnisse zur Forschungsfrage 4
- 7.5.4 Beantwortung der Forschungsfrage 4
- 7.6 Einstellungen zu Fremdsprachen
- 7.6.1 Ergebnisse der Auswertung der Fragebogendaten zu ‚Wunschfremdsprachen‘: konative Dimension
- 7.6.1.1 Englisch als Wunschfremdsprache
- 7.6.1.2 Deutsch als Wunschfremdsprache
- 7.6.1.3 Französisch als Wunschfremdsprache
- 7.6.1.4 Spanisch als Wunschfremdsprache
- 7.6.1.5 Russisch als Wunschfremdsprache
- 7.6.1.6 Italienisch als Wunschfremdsprache
- 7.6.2 Ergebnisse der Auswertung der Fragebogendaten zu Einstellungen zu Fremdsprachen
- 7.6.2.1 Einstellungen zu Englisch: kognitive und affektive Dimension
- 7.6.2.2 Einstellungen zu Deutsch: kognitive und affektive Dimension
- 7.6.2.3 Einstellungen zu Französisch: kognitive und affektive Dimension
- 7.6.2.4 Einstellungen zu Spanisch: kognitive und affektive Dimension
- 7.6.2.5 Einstellungen zu Russisch: kognitive und affektive Dimension
- 7.6.2.6 Einstellungen zu Italienisch: kognitive und affektive Dimension
- 7.6.2.7 Einstellungen zu Arabisch: kognitive und affektive Dimension
- 7.6.2.8 Einstellungen zu Türkisch: kognitive und affektive Dimension
- 7.6.3 Zusammenfassung der Ergebnisse zur Forschungsfrage 5
- 7.6.4 Beantwortung der Forschungsfrage 5
- 7.7 Einstellungen zum Fremdsprachenlernen
- 7.7.1 Ergebnisse der Auswertung der Fragebogendaten zur Forschungsfrage 6
- 7.7.1.1 Einstellungen zum Fremdsprachenlernen: affektive Dimension
- 7.7.1.2 Einstellungen zum Fremdsprachenlernen: kognitive Dimension
- 7.7.1.3 Einstellungen zum Fremdsprachenlernen: konative Dimension
- 7.7.2 Beantwortung der Forschungsfrage 6
- 7.8 Einstellungen zu Europa
- 7.8.1 Ergebnisse der Auswertung der Fragebogendaten zur Forschungsfrage 7
- 7.8.2 Beantwortung der Forschungsfrage 7
- Teil D Ausblick
- 8 Ausblick
- Literaturverzeichnis
- Anhang
- A Quantitativer Teil
- B Qualitativer Teil
- C Ergebnisdokumentation
- D Soziokultureller Untersuchungskontext
- Reihenübersicht
Mein Interesse am Thema der vorliegenden Arbeit entstand, als ich im WS 2003/04 im Rahmen des Aufbaustudiums „Deutsch als Fremdsprache“ an der Universität des Saarlandes eine Hausarbeit über Sprachenpolitik in Bosnien-Herzegowina verfasst habe. Zu diesem Zweck hatte ich Daten über fremdsprachenlernende Schülerinnen und Schüler in Bosnien-Herzegowina bei mehreren Instituten für Statistik in Bosnien-Herzegowina angefordert. Im Folgenden schildere ich ein Telefongespräch1 mit dem zuständigen Referenten am Institut für Statistik der Serbischen Republik2 in Banja Luka:
– „Guten Tag. Mein Name ist Enisa Pliska. Ich bin zur Zeit Studentin im Aufbaustudium Deutsch als Fremdsprache an der Universität des Saarlandes in Deutschland. Ich schreibe gerade eine Hausarbeit über das Fremdsprachenlernen in Bosnien-Herzegowina und brauche Informationen darüber, wie viele Schülerinnen und Schüler welche Fremdsprachen in der Schule lernen. Können Sie mir diese Informationen für die Grundschulen und Mittelschulen in der Serbischen Republik zur Verfügung stellen?“
– „Guten Tag Frau Pliska. Mein Name ist ... Ja, wir haben Ihr Anschreiben erhalten. Meine Kollegen arbeiten gerade daran. Die Daten werden in Kürze an Sie per Fax weitergeleitet. Ich habe aber eine Frage an Sie. Können Sie mir sagen, wie viele Schülerinnen und Schüler in Sarajevo Serbisch3 lernen?“
– „Ich habe diese Informationen nicht. In meiner Hausarbeit beschäftige ich mich ausschließlich mit den Schulfremdsprachen und nicht mit den Muttersprachen der Schülerinnen und Schüler.“
– „Ist denn Serbisch keine Fremdsprache für Sie?“
– „Lieber Herr ..., wenn Serbisch eine Fremdsprache für mich wäre, dann könnten wir dieses Gespräch gerade nicht führen.“
Darauf lachte er und sagte, dass er das selbstverständlich als Spaß gemeint habe.
Dies war aber ein prägendes Ereignis für mich. Denn es wurde mir klar, wie wichtig und unentbehrlich die Beschäftigung mit der aktuellen sprachlichen Situation und dem Muttersprachenunterricht in Bosnien-Herzegowina ist. Im Rahmen der erwähnten Hausarbeit hatte ich dann teilweise auch die Situation ← 17 | 18 → im Muttersprachenunterricht in Bosnien-Herzegowina untersucht und dargelegt, aber es ist mir klar geworden, dass dieser Aspekt wegen seiner Relevanz viel mehr Beachtung verdient und eine empirische Untersuchung mit den betroffenen Schülerinnen und Schülern verlangt.
Im weiteren Verlauf meines Studiums habe ich mich intensiv mit den affektiven und attitudinalen Faktoren beim Fremdsprachenlernen befasst und habe in den Jahren 2003–2004 unter anderem mehrere Forschungsarbeiten von Prof. Dr. Claudia Finkbeiner gelesen. Insbesondere ihre Einstellungsforschung (Finkbeiner, 1995a) hat mich beeindruckt und hat mich zur Kontaktaufnahmen und zu einem Vorstellungsgespräch im Oktober 2004 bewogen. Bei dieser Gelegenheit stellte ich Frau Finkbeiner mein Forschungsvorhaben vor, worauf sie spontan ihre Bereitschaft äußerte, mich bei der Planung, Durchführung und Fertigstellung meiner Dissertation zu betreuen und mich bei einem Antrag für ein DAAD-Doktorandenstipendium, das die Durchführung der geplanten empirischen Studie und meine Promotion in Deutschland ermöglichen sollte, zu unterstützen. Meine Bewerbung um ein DAAD-Doktorandenstipendium verlief erfolgreich und ich konnte im Oktober 2005 mit den ersten Arbeiten an meinem Forschungsprojekt beginnen.
Der Ausgangspunkt der vorliegenden Studie ist die für Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre charakteristische veränderte Lage in Europa und ganz speziell in Bosnien-Herzegowina. In Europa fällt der „eiserne Vorhang“, Deutschland wird vereint, die Sowjetunion, die Tschechoslowakei und Jugoslawien werden aufgelöst, der Kommunismus verschwindet allmählich von der politischen Szene und in vielen europäischen Ländern wird die Demokratie gefeiert.
Auch Bosnien-Herzegowina wird von der erwähnten Transformation umfasst. Es kommt zur Auflösung des gemeinsamen Staates Jugoslawien und zur Bildung neuer Staaten (Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien-Montenegro). Im Anschluss an die Unabhängigkeitserklärung von Bosnien-Herzegowina am 1. März 1992 kommt es zu einem mehrjährigen Krieg (März 1992 bis November 1995), der ca. 278.000 Tote und Vermisste und mehr als eine Million Flüchtlinge und Vertriebene (Gruner/Woyke, 2007, S. 371) fordert.
Als eine Folge wird die bis dahin gemeinsame Sprache Serbokroatisch in Bosnisch, Kroatisch und Serbisch „aufgespalten“, was unmittelbare und schwerwiegende Folgen für das bosnisch-herzegowinische Bildungssystem und insbesondere für den Sprachenunterricht hat.
Die vorliegende Arbeit knüpft direkt an den beschriebenen Veränderungen an und interessiert sich für die Frage, was in den Köpfen der bosnisch-herzegowinischen Kinder als mögliche Folge der in den 1990er Jahren getroffenen bildungs- und sprach(en)politischen Maßnahmen passiert. Dabei stehen Einstellungen der ← 18 | 19 → bosnisch-herzegowinischen Schülerinnen und Schüler im Fokus. Es wird untersucht, welche Einstellungen die befragten Schülerinnen und Schüler zu den aktuellen Amtssprachen von Bosnien-Herzegowina (Bosnisch, Kroatisch und Serbisch) und zu den an den Schulen unterrichteten Fremdsprachen (zu den Schulfremdsprachen) haben. Darüber hinaus werden Einstellungen zu der lateinischen und kyrillischen Schrift, zum Muttersprachenunterricht sowie zum Fremdsprachenlernen untersucht.
In Anlehnung an Finkbeiner (1995a) und in der Auseinandersetzung mit dem spezifischen soziokulturellen Untersuchungskontext wurde ein integratives Forschungsdesign entwickelt, das sowohl quantitative als auch qualitative Forschungsmethoden miteinander verbindet. Auf Grundlage des dreidimensionalen Einstellungskonstrukts wurden Erhebungsinstrumente entwickelt und in einer zweiteiligen empirischen Studie eingesetzt. Die schriftliche und mündliche Schülerbefragung wurde Ende November und Anfang Dezember 2007 durchgeführt. An der Untersuchung nahmen elf Schulen in vier bosnisch-herzegowinischen Städten teil. Die Erhebung richtete sich an Schülerinnen und Schüler der achten Klasse der ‚Grundschule‘. Insgesamt wurden 515 Schülerinnen und Schüler über ihre Einstellungen zu Muttersprachen und Fremdsprachen befragt. Die Ergebnisse der durchgeführten empirischen Untersuchung werden in der vorliegenden Arbeit festgehalten und diskutiert.
Die vorliegende Arbeit ist wie folgt gegliedert:
– Einführung
– Theoretische Auseinandersetzungen (Kapitel 1–3)
– Empirische Untersuchung (Kapitel 4–5)
– Ergebnisse der Studie (Kapitel 6–7)
– Schlussfolgerungen für die Praxis (Kapitel 8)
– Schlusswort und Ausblick
Die Kapitel können wie folgt zusammengefasst werden:
Kapitel 1
Bis 1991 war Bosnien-Herzegowina eine Teilrepublik Jugoslawiens. In Bezug auf die Bevölkerung wies Bosnien zu dieser Zeit eine äußerst multiethnische, multireligiöse und multikulturelle Struktur auf, wobei viele Gebiete ethnisch ausgewogen waren. Seine Amtssprache war – wie in ganz Jugoslawien – das Serbokroatische, wobei man in Bosnien-Herzegowina gemäß der offiziellen Sprachpolitik in Bezug auf die beiden Varianten Kroatisch und Serbisch eine gewisse Sprachtoleranz pflegte und das lateinische und kyrillische Alphabet fast gleichberechtigt benutzte (Lehfeldt, 1999, 83). ← 19 | 20 →
Bosnien-Herzegowina hat sich durch die „Unabhängigkeitserklärung“ vom 1.3.1991 von Jugoslawien losgelöst und wurde 1992 auch international als unabhängiger Staat anerkannt. Seit dem Vertrag von Dayton4 aus dem Jahr 1995, der auch als Friedensvertrag bezeichnet wird, ist Bosnien-Herzegowina ein geteiltes Land. Es besteht aus zwei ‚Entitäten‘: Die ‚Föderation Bosnien-Herzegowina‘ (die zusätzlich in zehn ‚Kantone‘ aufgeteilt ist) und die ‚Serbische Republik‘, wobei in jedem Gebiet eine klare ethnische Mehrheit lebt.
Die einst für alle Einwohner Bosnien-Herzegowinas gemeinsame serbokroatische Sprache existiert offiziell nicht mehr. Anstelle des Serbokroatischen gelten ‚Bosnisch‘, ‚Kroatisch‘ und ‚Serbisch‘ als Amtssprachen von Bosnien-Herzegowina.
Die innere Spaltung des Landes spiegelt sich auch im Bildungssystem von Bosnien-Herzegowina wider: „Das bosnische Bildungssystem ist immer noch dreigeteilt, in den Unterrichtsfächern Sprache und Geschichte herrscht ‚totale Ethnoapartheid’. In vielen Ortschaften werden Kinder nach verschiedenen Unterrichtsplänen in, wie es heißt, unterschiedlichen Sprachen unterrichtet“ (Cvetković-Sander, 2005, S. 30). Die wichtigsten Entscheidungen, die Curricula, Lehrpläne, Lehrwerke und Zugang zur Bildung betreffen, werden fast ausschließlich im Kontext der andauernden politischen Spannungen zwischen den einzelnen ethnischen Gruppen getroffen (COE, S. 11).
In dem dargestellten Kontext stellt sich die Frage, inwieweit diese institutionelle Sprachen- und Bildungspolitik Auswirkungen auf die Wahrnehmung der bosnisch-herzegowinischen Schülerinnen und Schüler haben und in welcher Art und Weise sich das in ihren Einstellungen widerspiegelt. Dies ist das zentrale Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie.
Kapitel 2
Im Kapitel 2 wird ‚Einstellung‘ als das zentrale theoretische Konstrukt der vorliegenden Arbeit definiert. Es wird die Geschichte der Einstellungsforschung im Rahmen der Soziolinguistik aufgezeigt und das dreidimensionale Einstellungsmodell vorgestellt. ← 20 | 21 →
Für die Erforschung von Einstellungen hat sich das dreidimensionale Einstellungsmodell als besonders erfolgreich erwiesen, weil es erlaubt, Einstellungen in ihre drei Komponenten (kognitive, affektive und konative) zu zerlegen und sie so genauer zu untersuchen. Das erwähnte dreidimensionale Einstellungskonstrukt wurde sehr lange und sehr erfolgreich im Rahmen der Sozialpsychologie angewendet und in der Studie von Finkbeiner (1995a) zum ersten Mal auch in der Fremdsprachenforschung erfolgreich eingesetzt.
Das dreidimensionale Einstellungskonstrukt eignet sich besonders gut für die Erforschung von Schülereinstellungen in dem spezifischen Untersuchungskontext, weil es sowohl Meinungen (kognitive Komponente), als auch Gefühle (affektive Komponente) sowie handlungsbezogene Intentionen (konative Komponente) der Schülerinnen und Schüler einbezieht, die alle von entscheidender Bedeutung für die Beantwortung der Forschungsfragen in dieser Arbeit sind.
Kapitel 3
Im Kapitel 3 werden Begriffe Muttersprache, Erstsprache, Zweitsprache und Fremdsprache diskutiert. Dabei wird ausführlich auf die Dichotomie Lernen – Erwerben eingegangen. Im Anschluss daran werden die Konstrukte Muttersprache und Fremdsprache für die vorliegende Arbeit definiert.
Kapitel 4
Im Kapitel 4 werden das zentrale Erkenntnisinteresse sowie die konkreten Forschungsfragen formuliert. Anschließend wird das Forschungsdesign für die vorliegende empirische Studie vorgestellt.
Für die Definition des theoretischen Konstruktes und die Entwicklung des Forschungsdesigns war die Studie von Finkbeiner (1995a) „Englischunterricht in europäischer Dimension. Zwischen Qualifikationserwartungen der Gesellschaft und Schülereinstellungen“ leitend, in der zum ersten Mal zielgenau Einstellungen der fremdsprachenlernenden Schülerinnen und Schüler in europäischer Dimension empirisch untersucht wurden. In Anlehnung an Finkbeiner (1995a) verfolgt die vorliegende Studie einen integrativen Ansatz, in dem unterschiedliche Erhebungsmethoden (schriftliche und mündliche Befragung) verwendet und unterschiedliche Daten (quantitative und qualitative Daten) erhoben werden. Bei der Entwicklung von Erhebungsinstrumenten für die vorliegende Studie wird das von Finkbeiner (1995a) ausführlich definierte und praktisch angewandte dreidimensionale Konstrukt von Einstellungen verwendet, wobei es an die besondere ← 21 | 22 → Situation angepasst wird, in der die vorliegende Forschung durchgeführt wird. Außerdem wird die gleiche Altersgruppe (14–15-Jährige) befragt.
Details
- Seiten
- 322
- Erscheinungsjahr
- 2016
- ISBN (PDF)
- 9783653050523
- ISBN (MOBI)
- 9783653973457
- ISBN (ePUB)
- 9783653973464
- ISBN (Hardcover)
- 9783631656839
- DOI
- 10.3726/978-3-653-05052-3
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2016 (April)
- Schlagworte
- Sprachenpolitik Europa Sprachvarietäten
- Erschienen
- Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 322 S.
- Produktsicherheit
- Peter Lang Group AG