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Ein Heimatverein für Sylt

Die Entstehung der «Söl’ring Foriining» (1905) im Zuge der Heimatbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts

von Sinje Bogg Brockmann (Autor:in)
©2023 Monographie 220 Seiten
Reihe: Kieler Werkstücke, Band 61

Zusammenfassung

Die «Söl'ring Foriining», 1905 gegründet und mit über 2.300 Mitgliedern Schleswig-Holsteins größter lokaler Heimatverein, hat ihr Tätigkeitsfeld im Lauf von über 100 Jahren mehrfach erweitert. Dieses Buch untersucht den Wandel im Vereinsleben und bietet einen Einblick in die vielfältigen Arbeitsbereiche der ersten Jahre. Basierend auf einem umfangreichen Bestand an Archivquellen stellt es die Gründungsumstände der «Söl'ring Foriining» im Jahr 1905 dar, beleuchtet die angestrebten Ziele und zeigt, wie diese bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs umgesetzt wurden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1 Einleitung
  • 1.1 Fragestellung
  • 1.2 Quellen
  • 1.3 Forschungslage
  • 1.4 Vorgehen
  • 2 Historischer Kontext
  • 2.1 Heimatbewegung im 19. und frühen 20. Jahrhundert
  • 2.1.1 Die Ursprünge der Heimatbewegung
  • 2.1.2 Die Heimatbewegung im Deutschen Kaiserreich
  • 2.1.3 Die „friesische Bewegung“
  • 2.2 Die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung Sylts
  • 2.2.1 Das „goldene Zeitalter“ Sylts
  • 2.2.2 Aufkommen und Folgen des Fremdenverkehrs
  • 3 Einsetzen von Heimatarbeit – die ersten Sylter Vereinsgründungen
  • 3.1 „Sylter Verein“ von 1817
  • 3.2 „Allgemeiner Sylter Verein“ von 1860
  • 3.3 „Sylter Verein Altona“ von 1894
  • 3.4 „Foriining fuar Söl’ring Spraak en Wiis“ von 1900
  • 4 Ein Heimatverein für Sylt: Die „Söl’ring Foriining“ von 1905
  • 4.1 Umstände der Gründung
  • 4.2 Zusammensetzung des Vereinsvorstandes
  • 4.3 Umsetzung der Ziele
  • 4.3.1 Schaffung eines Sylter Museums
  • 4.3.1.1 Das „Altfriesische Haus“
  • 4.3.1.2 Das Sylter Heimatmuseum
  • 4.3.2 Erhaltung und Pflege der Sylter Sprache
  • 4.3.2.1 Das Sylter Wörterbuch
  • 4.3.2.2 Sylter Literatur und Theater
  • 4.3.2.3 Das Verbot des Friesischunterrichts in Westerland
  • 4.3.3 Weitere Maßnahmen im Sinne der Heimatarbeit
  • 4.3.3.1 Pflege heimatlicher Gebräuche und Feste
  • 4.3.3.2 Förderung des Hausfleißes
  • 4.3.3.3 Erhaltung der landschaftlichen Eigenart
  • 4.3.3.4 Verbreitung der Kenntnisse von der Geschichte der Insel
  • 4.4 Mitglieder und Mitgliedschaften
  • 5 Fazit
  • 6 Anhang
  • 6.1 Fotografien
  • 6.2 Transkription des Protokollbuchs der „Söl’ring Foriining“ von 1904–22.04.1914
  • 7 Quellen- und Literaturverzeichnis
  • 7.1 Quellenverzeichnis
  • 7.1.1 Ungedruckte Quellen
  • 7.1.2 Gedruckte Quellen
  • 7.2 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Mit mehr als 2.300 Mitgliedern1 ist die im Jahre 1905 gegründete „Söl’ring Foriining“2 der größte lokale Heimatverein Schleswig-Holsteins.

Während das Aufgabenfeld der Sylter Vereinigung im Laufe der vergangenen 117 Jahre einigen Veränderungen wie Ergänzungen unterlag, beläuft es sich gegenwärtig auf vielfältige Tätigkeiten in den Bereichen Landschaftsschutz, Denkmalpflege und Kulturarbeit.

Im Rahmen des Landschaftsschutzes wird die „Söl’ring Foriining“ beispielsweise beratend hinsichtlich vorbeugender Küstensicherungsmaßnahmen wie Sandvorspülungen tätig.3 Auch betreut der Verein einige Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete, die zusammengenommen etwa ein Drittel der Gesamtfläche der Insel einnehmen, und führt überdies Aktionen zur Reinigung dieser Flächen sowie zur Heidepflege durch.4

Im Kontext des Einsatzfeldes der Denkmalpflege lassen sich unter anderem die Unterstützung bei beabsichtigten Bauvorhaben oder die Beratung von Eigentümern denkmalgeschützter wie schutzwürdiger Gebäude hervorheben.5 Die Instandhaltung der vier vereinseigenen, historischen Liegenschaften, den sogenannten „Sölring Museen“, lässt sich ebenso diesem Tätigkeitsbereich zuzählen, während die Betreibung derselben einen Schwerpunkt in der Kulturarbeit des Vereins darstellt. Mit einer insgesamt über 5.000 Jahre abdeckenden Zeitspanne der Sylter Vergangenheit und zugleich einer jährlichen Besucherzahl von rund 65.000, tragen diese vier Einrichtungen entscheidend dazu bei, dass die „Söl’ring Foriining“ gemeinhin als der bedeutendste Kulturträger der Insel gilt.6

Das „Altfriesische Haus von 1640“, ein am Kliff in Keitum errichtetes Gebäude des uthlandfriesischen Haustypus, erwarb der Verein bereits einige Monate nach seiner Gründung und konnte dieses kurze Zeit später dem interessierten Publikum als urtümliches Sylter Wohnhaus zugänglich machen. Zwar wurden im Laufe der Zeit einige grundlegende Modernisierungsmaßnahmen wie eine Elektrifizierung und der Einbau einer Heizungsanlage vorgenommen, die Wohnräume sowie deren Einrichtung stammen jedoch aus der Zeit des 18. Jahrhunderts und dienen den Gästen als authentische Zeugnisse der früheren Sylter Wohnkultur.

In unmittelbarer Nähe steht mit dem „Sylt Museum“ ein weiteres Gebäude der „Söl’ring Foriining“. Dieses birgt die Kunst- und Kulturgeschichte der Insel und behandelt innerhalb der Dauerausstellung die „wesentlichen Bereiche, die Sylt einst geprägt haben“7. So sind es insbesondere Exponate aus Seefahrt und Archäologie sowie Trachten- und Schmuckstücke, welche die Gäste für Besonderheiten der urtümlichen Sylter Lebensart sensibilisieren sollen. Auch werden jährlich drei Sonderausstellungen zu wechselnden Themenbereichen präsentiert.

Das dritte „Sölring Museum“, welches der Verein seit 1928 unterhält, ist das „Steinzeitgrab Denghoog“ in Wenningstedt.8 Mit der etwa zwei Meter hohen, fünf Meter langen und drei Meter breiten, begehbaren Grabkammer, einem Alter von 5.000 Jahren sowie einem außergewöhnlich guten Erhaltungszustand gehört das Steinzeitgrab zu den bedeutendsten seiner Art im gesamten nordeuropäischen Raum.9 Einige der Fundstücke, die beim erstmaligen Öffnen des „Denghoog“ 1868 zutage getreten sind, können im „Sylt Museum“ besichtigt werden.

Die vierte und damit letzte museale Einrichtung, die derzeit von der „Söl’ring Foriining“ betreut wird, ist der „Naturpfad Vogelkoje Kampen“. Ursprünglich als Entenfanganlage bis in das Jahr 1921 betrieben, wandelte sich mit der Schließung der Anlage ihre Bedeutung hin zu einer Schutzstation, die bisher nicht allein über 50 Vogelarten, sondern auch Kleintieren, Insekten und Säugetieren einen Lebensraum bieten konnte.10 Seit 1935 steht das rund zehn Hektar große Gebiet unter Naturschutz. Gäste der Insel können die historische Anlage mithilfe eines Rundgangs samt zwei kleiner Ausstellungshäuser erkunden.11

Für den aktuellen Außenauftritt der genannten Liegenschaften wie auch der „Söl’ring Foriining“ im Allgemeinen, der neben den Sylterinnen und Syltern vor allem die Urlaubsgäste der Insel ansprechen und über die Tätigkeiten des Vereins informieren soll, ist eine umfassende „Neuausrichtung“12 aus dem Jahre 2019 verantwortlich. Zuvor hatte die Vermutung, dass die Öffentlichkeit den Verein gar nicht in seinem ganzheitlichen Handeln, sondern vor allem reduziert auf die Museumsarbeit wahrnimmt sowie die Tatsache, dass sich stetig weniger Personen für ein vereinsinternes Engagement interessierten, dafür gesorgt, dass sich dieser neu positionieren wollte und zu diesem Zwecke eine Marketingagentur beauftragte.

Eine professionell durchgeführte Umfrage derselben im Herbst 2018 sprach der „Söl’ring Foriining“ im Ergebnis zwar maßgebliche Bedeutung für die Insel zu, bestätigte allerdings auch die zuvor formulierten Befürchtungen.

Insbesondere bei jungen Familien und Jugendlichen verfügte die „Söl’ring Foriining“ samt ihrer vielfältigen Tätigkeitsbereiche über einen sehr geringen Bekanntheitsgrad. Darüber hinaus wurden dem Verein Attribute wie „verstaubt“ oder „langweilig“ zugeschrieben.13

Der Vorstand der „Söl’ring Foriining“ leitete aus diesen Ergebnissen einen direkten Handlungsbedarf ab. Da es „in erster Linie nicht den Inhalt, sondern das Etikett“14 zu ändern galt, wurde mithilfe der Marketingagentur ein vollkommen neuer Außenauftritt des Vereins entwickelt.

Neben neuen Logos, einem neuen Internetauftritt – unterteilt in eine eigene Homepage für den Verein sowie eine für die Museen – und der Abschaffung des Apostrophs im Namen, erfolgten ebenso Änderungen hinsichtlich der jeweiligen Bezeichnungen der Museen.15

Während die „Vogelkoje Kampen“, der „Denghoog“ sowie das „Altfriesisches Haus“ in diesem Verfahren lediglich namentliche Ergänzungen, mit denen möglichen Verständnisproblemen begegnet werden sollte, erhielten, wurde die ursprüngliche Bezeichnung „Heimatmuseum“ für das heutige „Sylt Museum“ abgeschafft. Begründet wurde dies damit, dass das Museum „weit über das hinausgewachsen“ sei, „was es früher einmal war“16 und es daher den derzeitigen Ansprüchen des Vereins „nicht mehr gerecht“17 werde.

Die Assoziationen, die der Vorstand dem Begriff „Heimat“ mit dieser Entscheidung einerseits zuschreibt und andererseits abspricht, unterscheiden sich dabei maßgeblich von denen, die ursprünglich mit der Benennung des Museums intendiert waren. Dies begründet sich durch die Tatsache, dass im Jahr 1905, als die „Söl’ring Foriining“ gegründet wurde, im Gegensatz zu dem gegenwärtig stark von individuellen Empfindungen geprägten Heimatbegriff ein gänzlich anderes Verständnis von Heimat vorherrschte.18 Nachdem Heimat bis in das 19. Jahrhundert hinein vor allem im Kontext der Rechtssprache Anwendung fand,19 wurde der Begriff im Zuge der Industrialisierung und Urbanisierung sukzessive mit emotionaler Bedeutung versehen und als Gegenbild zu vorherrschenden Wandlungsprozessen verstanden.20 In beinahe allen Regionen des deutschen Kaiserreiches kam es in der Folge zu Zusammenschlüssen von Personen, die dieser Entwicklung entgegentreten wollten, sodass um die Jahrhundertwende eine umfassend organisierte Heimatbewegung entstand.21

Für Sylt, eine Insel, die jahrhundertelang abgeschieden von jeglichen fremden Einflüssen lag, sollten sich die vorherrschenden Umbruchprozesse als besonders folgenreich erweisen.

Mit der Gründung des Seebades Westerland im Jahr 1855 hielt der zu diesem Zeitpunkt neu aufkommende Fremdenverkehr – stärker als in irgendeinem anderen Teil Nordfrieslands – Einzug auf der Insel.22 Die ab diesem Zeitpunkt stetig zunehmenden Gästezahlen bewirkten bald das Schwinden urtümlicher Sylter Sitten, Gewohnheiten und insbesondere des Sölring, der sylterfriesischen Sprache. Dies war der Hintergrund, vor dem die Sylterinnen und Sylter zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihr Heimatverständnis ausprägten und im November 1905 in Keitum zusammentraten, um mit der „Söl’ring Foriining“ einen Verein für Heimatkunde und Heimatliebe auf der Insel Sylt23 zu gründen. „Die Not der Heimat ruft uns auf zur Tat24 wurde dabei zu ihrem programmatischen Leitspruch.

1.1 Fragestellung

Diese Arbeit geht den Fragen nach, unter welchen Umständen die „Söl’ring Foriining“ im Jahr 1905 entstanden ist, welche Ziele der Verein anschließend anstrebte und inwiefern diese in den ersten Jahren des Vereinsbestehens umgesetzt wurden. Die diesbezüglich zu erlangenden Ergebnisse liefern zudem gleichermaßen eine Antwort auf die Frage, in welcher Form die Heimatbewegung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts Ausdruck auf der Insel Sylt fand.

Überdies leistet diese Arbeit einen ersten Beitrag im Rahmen des längerfristigen Vorhabens einer Aufarbeitung der Vereinsgeschichte der „Söl’ring Foriining“.

Als Untersuchungszeitraum erfolgt eine Begrenzung auf die Jahre unmittelbar vor sowie nach der Vereinsgründung bis 1914, da sich parallel mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges ein vorläufiges Erlahmen der Arbeit der „Söl’ring Foriining“ feststellen lässt.25

1.2 Quellen

Die Quellen, die für die Beantwortung der Fragen, die dieser Arbeit zugrunde liegen, herangezogen werden, basieren hauptsächlich auf dem archivalischen Bestand des vereinseigenen Archivs der „Söl’ring Foriining“ sowie des Sylter Archivs in Westerland. Die Archivalien des Sylter Archivs bestehen dabei einerseits aus einer thematischen Sammlung zur „Söl’ring Foriining“ sowie andererseits aus einer Sammlung, die dem ursprünglichen Besitz der „Söl’ring Foriining“ entstammt und dem Sylter Archiv vermutlich gegen 1950 übergeben wurde.26 Da diese Archivalien in ihrer Gesamtheit im März 1950 an das Landesarchiv in Schleswig gingen, um dort gesichtet und sortiert zu werden, wurden sie von einem Großbrand verschont, der noch im selben Jahr große Teile des Archivs vernichtete.27 Im Jahr 1954 gelangten die Archivalien von Schleswig zurück nach Westerland in das Sylter Archiv, wo sie bis heute verwahrt werden. Im Jahr 2020 fanden erneute Erfassungs- und Erschließungsarbeiten an dem diesbezüglichen Bestand statt, sodass sich weitere Unterteilungen ergeben haben. Für die folgende Untersuchung wurden die Inhalte der Ordner „SF-T001: Sölring Foriining Museum“ und „SF-T025: Sölring Foriining Pressesammlung 1905–1989” ausgewertet. Ergänzend konnten drei Ordner28 der „Sammlung zu Sylter (Friesen-)Vereinen“ aus dem Besitz des Sylter Archivs für die Aufarbeitung der Vereinsvorläufer der „Söl’ring Foriining“ herangezogen werden.

Einige der Ordner enthalten dabei zusätzliche Unterordner, auch wurde vereinzelt eine Paginierung der Archivalien vorgenommen. Im folgenden Verlauf wird daher nicht gleichartig, dafür jedoch stets so genau wie möglich auf die ausgewerteten Archivalien im Fußnotenapparat verwiesen. Dies gilt gleichermaßen für die Archivalien des Sylter Archivs wie für diejenigen der „Söl’ring Foriining“.

Im Archiv der „Söl’ring Foriining“ wurden nach einer ersten Durchsicht des gesamten vorhandenen Materials zunächst drei Ordner29 erschlossen, die für eine Auswertung hinsichtlich der Leitfragen dieser Arbeit geeignet erschienen. Im weiteren Verlauf der Bearbeitungszeit konnten zwei zusätzliche Ordner von relevantem Inhalt ausfindig gemacht werden, die noch über keine übergeordnete Beschriftung verfügten. Zum Zwecke der Transparenz dieser Arbeit wurden diese mit der Beschriftung „Vereinsgeschichte SF Ordner 1“ sowie „Vereinsgeschichte SF Ordner 2“ versehen. Überdies konnten wesentliche Archivalien, die noch lose und ungeordnet vorlagen, in einem dritten Ordner – „Vereinsgeschichte SF Ordner 3“ – zusammengefügt werden.

Die Bestände der „Söl’ring Foriining“ wie auch die des Sylter Archivs in Westerland sind hinsichtlich ihres Inhalts derselben Art und umfassen überwiegend handschriftlich verfasste Briefe, Postkarten, Telegramme, Protokolle, Verträge sowie unterschiedliche Formen von Notizen.

Als ein weiterer wesentlicher Quellenbestand, der der folgenden Untersuchung zugrunde liegt, lässt sich zudem der Ordner „Verbände und Vereine II, Söl’ring Foriining II (Sylter Museum)“ aus dem Archiv des Museumsberg Flensburg anführen. Bei diesen Archivalien handelt es sich überwiegend um Briefe und Vertragsentwürfe.

Das methodische Vorgehen belief sich im Umgang mit den genannten Quellen zunächst auf das Sichten und Transkribieren, bevor diese in Hinblick auf ihre Relevanz für die Leitfragen der Arbeit selektiert, ausgewertet und schließlich zusammengeführt werden konnten.

Insgesamt wurden auf diese Weise über 1.500 Blatt Archivmaterial bearbeitet, welche somit die Basis der folgenden Untersuchung bilden. Als diesbezüglich besonders bedeutsam ist das Protokollbuch der „Söl’ring Foriining“ hervorzuheben, das dem Bearbeitungszeitraum entsprechend eine Zeitpanne von 1904 bis 1914 abdeckt. Die insgesamt 126 Blatt liegen in eigenständig angefertigter Transkription im Anhang dieser Arbeit bei. Die sprachliche Realisierung innerhalb dieser Transkription sowie in allen Zitaten, die den Quellen entnommen wurden und in der folgenden Ausarbeitung angeführt werden, ist buchstabengetreu und entspricht der orthographischen Form des Originals.

Neben den ungedruckten Quellen konnte für die folgende Untersuchung ebenso eine Vielzahl an gedruckten Quellen, vor allem in Gestalt von lokalen Zeitungen, herangezogen werden. Wesentliche Erkenntnisse sind diesbezüglich insbesondere einzelnen Ausgaben des „Sylter Intelligenz-Blatts“ in den Jahren von 1900 bis 1910 zuzuschreiben.

Obwohl der Quellenwert von Zeitungen für die regionalgeschichtliche Forschung im Allgemeinen als hoch gilt, vor allem, da diese Art von Quelle kontinuierlich festhält, wodurch das Leben einer Gesellschaft im Laufe der Zeit geprägt wird,30 ist im Rahmen dieser Arbeit kritisch anzuführen, dass sich innerhalb des ausgewerteten Materials nur selten Rückschlüsse auf die Verfasser der einzelnen Artikel ausmachen lassen. Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Berichterstattung über die „Söl’ring Foriining“ innerhalb der lokalen Presse vereinzelt durch Mitglieder des Vereins beeinflusst wurde oder gar umfassend auf diese zurückzuführen ist. Neben dieser Problematik, die es im Umgang mit den gedruckten Quellen zu beachten gilt, lassen sich hinsichtlich der ungedruckten Quellen noch einige weitere kritische Aspekte anführen.

So ist zunächst hervorzuheben, dass diese teilweise einen suboptimalen Erhaltungszustand aufweisen. So liegen vereinzelt Materialbeschädigungen beispielsweise in Form von Rissen oder Löchern vor, die sich auf eine unsorgfältige Verwahrung im Laufe der Jahre zurückführen lassen. Ebenso bedingt das Alter der Archivalien, dass teilweise Handschriften verblasst sind und sich daher die ursprünglich abgebildeten Inhalte nicht vollumfänglich rekonstruieren lassen. Als besonders hinderlich stellt sich dies in Hinblick auf Datums- und Namenangaben heraus, da diese für eine präzise Zuordnung des Materials notwendig sind.31

Ergänzend ist diesbezüglich anzuführen, dass die genannten Angaben innerhalb eines Teils der ausgewerteten Archivalien ebenso fehlen, da diese bereits bei dem ursprünglichen Verfassen der einzelnen Schriftstücke schlicht nicht genannt wurden.

Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich dadurch, dass eine Vielzahl des Materials aus schriftlicher Kommunikation besteht. Dies hat zur Folge, dass innerhalb der Bestände naturgemäß jeweils nur eine Seite der Korrespondenzen vorliegt. Die Schriftstücke, die von der „Söl’ring Foriining“ oder deren Mitgliedern verschickt wurden und die zweifellos von großem Wert für die Beantwortung der Leitfragen dieser Arbeit wären, befinden sich somit – vorausgesetzt, dass diese überhaupt noch erhalten sind – verstreut in unterschiedlichen Besitztümern. Der Versuch, diese Schriftstücke aufzuspüren, konnte mit dem Bestand des Archivs im Museumsberg Flensburg zumindest einen Teilerfolg erzielen.

Eine weitere Problematik, die mit Briefen und weiteren Schriftstücken im Sinne der Kommunikation zwangsläufig einhergeht, ist die Authentizität derselben, die es stets zu hinterfragen gilt.32 Da es sich bei den ausgewerteten Archivalien hauptsächlich um Schriftstücke geschäftlichen und weniger privaten Inhalts handelt, erscheint die Zuschreibung von Authentizität insbesondere vor dem Hintergrund des formulierten Ziels der folgenden Ausarbeitung allerdings als unbedenklich.

Trotz der genannten quellenkritischen Aspekte ist an dieser Stelle zu betonen, dass eine Analyse des Materials zu durchaus anschaulichen Ergebnissen führen kann und sich eine hinreichende Grundlage ergibt, um die Entstehung der „Söl’ring Foriining“ im Zuge der Heimatbewegung aufzuarbeiten und den diesbezüglich genannten Leitfragen nachgehen zu können. Die Tatsache, dass die ausgewählten Archivalien eine Zeitspanne der Sylter Vergangenheit betreffen und offenlegen, für die auf Grund des Rathausbrandes anderweitig kaum Überlieferung vorliegt, legitimiert die folgende Arbeit dabei auf zusätzliche Weise.

1.3 Forschungslage

Hinsichtlich der bestehenden Forschungslage lässt sich zunächst anführen, dass die Anzahl an Publikationen, die im Allgemeinen die Heimatbewegung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zum Gegenstand haben, äußerst gering ist. Ein besonderer Verdienst kommt in diesem Kontext Karl Ditt zu, der in seinem Aufsatz „Die deutsche Heimatbewegung 1871–1945“33 aus dem Jahr 1990 die Ursprünge der Heimatbewegung in Deutschland sowie die Entwicklung derselben bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg darstellt. Als wertvolle Ergänzungen zu diesen grundlegenden Ausführungen und ebenso bedeutsam für die folgende Ausarbeitung lassen sich einerseits mehrere Veröffentlichungen von Hermann Bausinger34, in welchen dieser „Heimat“ vor allem aus einer begriffsgeschichtlichen Perspektive betrachtet und zu diesem Zwecke das Aufkommen der Heimatbewegung thematisiert, sowie andererseits eine Monographie Winfried Speitkamps35 aus dem Jahr 1996, worin unter anderem der Beginn wie auch der sukzessive Prozess der Organisierung des frühen Vereinswesens dargestellt wird, anführen.

Eine ortsgebundene Untersuchung, die sich auf ein geographisch beschränktes Gebiet innerhalb Schleswig-Holsteins bezieht, liegt bisher allein von Thomas Steensen für den Raum Nordfriesland vor. In seiner ursprünglich als Dissertation verfassten Arbeit „Die friesische Bewegung in Nordfriesland im 19. und 20. Jahrhundert (1879–1945)“36 aus dem Jahr 1985 legt Steensen die Bestrebungen, die im Zuge der Erhaltung und Förderung nordfriesischer Sprache und Kultur sowie der Stärkung eines nationalen friesischen Bewusstseins – insbesondere von friesischen Vereinigungen ausgehend – unternommen worden sind, dar. Der zeitliche Rahmen reicht dabei von der ersten Organisationsbildung im Jahr 1879 bis zum Zweiten Weltkrieg. Im Verlauf der Ausarbeitung zieht Steensen vereinzelt die diesbezüglichen Entwicklungen auf Sylt heran und widmet der Insel mit dem Unterpunkt „Die Insel Sylt als Schwerpunkt“37 innerhalb des Kapitels „Inselfriesische Bestrebungen“38 eine eigene komprimierte Betrachtung, der zum Teil Archivalien des Sylter Archivs sowie des Archivs der „Söl’ring Foriining“ zugrunde liegen.

Auch in den späteren Veröffentlichungen Steensens „Nordfriesland im 19. und 20. Jahrhundert“39 sowie „Im Zeichen einer neuen Zeit. Nordfriesland 1800 bis 1918“40 findet die „friesische Bewegung“ samt den entsprechenden Bestrebungen auf der Insel Sylt Erwähnung.

Details

Seiten
220
Jahr
2023
ISBN (PDF)
9783631907023
ISBN (ePUB)
9783631907030
ISBN (Hardcover)
9783631903988
DOI
10.3726/b21101
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (November)
Schlagworte
Nordfriesland Nordseeinsel Brauchtum Heimatkunde Landeskunde Vereinswesen Schleswig-Holstein Kultur Heimatmuseum Sprache
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2023. 220 S., 17 s/w Abb.

Biographische Angaben

Sinje Bogg Brockmann (Autor:in)

Sinje Bogg Brockmann war wissenschaftliche Hilfskraft an der Abteilung für Regionalgeschichte mit Schwerpunkt zur Geschichte Schleswig-Holsteins in Mittelalter und Früher Neuzeit an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

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Titel: Ein Heimatverein für Sylt