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Literarisch-ästhetisches Lernen im Fremdsprachenunterricht

Theorie – Empirie – Unterrichtsperspektiven

von Lutz Küster (Band-Herausgeber:in) Christiane Lütge (Band-Herausgeber:in) Katharina Wieland (Band-Herausgeber:in)
©2015 Konferenzband 207 Seiten

Zusammenfassung

Der Band befasst sich mit dem Stellenwert literarisch-ästhetischen Lernens im kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht. Kann literarisch-ästhetisches Lernen einen eigenen Bildungswert und einen Platz in schulischen Curricula beanspruchen? Dieser Frage widmen sich – in zumeist affirmativer Weise – die Beiträge dieses Buches. Sie richten den Blick auf die Spezifik literarisch-ästhetischen Lernens generell, auf das didaktische Potenzial einzelner Genres und Gegenstände sowie auf unterrichtsmethodische Aspekte. Darüber hinaus liefert der Band auf der Basis empirischer Erhebungen auch Einblicke in Lernerhaltungen und Lernprozesse im genannten Feld.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Einleitung
  • Warum ästhetisch-literarisches Lernen im Fremdsprachenunterricht? Ausgewählte theoretische Fundierungen
  • Geschichten und Literatur: Kommunikation, Wissens- und Spracherwerb im fremdsprachlichen Unterricht
  • Zu motivationalen Aspekten literarischen Lesens im Fremdsprachenunterricht
  • Textrezeptionsprozesse von Schülerinnen und Schülern in handlungsorientierten Unterrichtsszenarien: Unterrichtsvideographie im fremdsprachlichen Literaturunterricht
  • Literarästhetisches Lernen mit komplexen Lernaufgaben fördern?!
  • Jenseits von Ganzheitlichkeit? Bildungspotenziale im dramapädagogischen Fremdsprachenunterricht
  • Testi letterari e audiovisivi a lezione. Tra teoria e pratica didattica
  • Kulturwissenschaftliche Zugänge zu Filmanalysen. Ein Beitrag zum Spanischunterricht der Sekundarstufe II
  • Je sais ce que moi-même je dois à la littérature… Anbahnung von literarisch-ästhetischem Lesen mit dem Einsatz frankophoner Jugendliteratur
  • Autofiktionale Texte als Anlässe von Selbstreflexion und Persönlichkeitsbildung
  • Literarisches und multiliterales Lernen mit graphic novels im Fremdsprachenunterricht

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Lutz Küster, Christiane Lütge, Katharina Wieland

Einleitung

In bildungspolitischen Diskussionen und in der fachdidaktischen Forschung der letzten Jahre fällt auf, dass Themen rund um literarische und ästhetische Kompetenzen und Bildungsziele eine neue Aktualität gewinnen. Die enttäuschenden Ergebnisse deutscher Schüler in der ersten PISA-Studie hatten zwar zur Folge, dass Fragen rund um das Lesen von Texten intensiv verhandelt wurden, die Spezifik literarischen Lesens kam dabei jedoch zunächst nicht zur Geltung. Als reformleitend erwies sich vielmehr ein auf Informationsentnahme verkürztes Verständnis von Literalität. Dies allerdings zog in der Folge Kritik auf sich und führte dazu, literaturdidaktisch relevante Fragestellungen neu zu akzentuieren und dabei den Bildungsbegriff selbst ins Zentrum der Betrachtung zu stellen.

Seitdem die von der Kultusministerkonferenz verabschiedeten Bildungsstandards und die Grundlagendokumente 2003 publiziert wurden, ist die Diskussion um Kompetenzen und Standardisierung, um Output-Orientierung und Evaluation von Unterricht an verschiedenen Fronten leidenschaftlich und z. T. sehr kontrovers geführt worden. Literaturdidaktisch relevante Bildungsziele werden dabei regelrecht zum Kristallisationspunkt einer weitergehenden Auseinandersetzung mit dem Bildungsbegriff, die sich regelmäßig u. a. an methodologischen Herausforderungen der empirischen Erforschung literarischen Lernens entzündet, an der Modellierung der damit verbundenen Kompetenzen und nicht zuletzt an ihrer Überprüfbarkeit.

In der Tat sind die gelegentlich als sogenannte weiche Kompetenzen bezeichneten Bereiche fremdsprachlichen Lernens (neben dem literarischen v. a. das interkulturelle Lernen) dazu angetan, die Diskussion um die Instandsetzung des Bildungssystems durch seine „Instandardsetzung“ (Schlömerkemper 2004) kritisch und konstruktiv gleichermaßen zu beleuchten und zu diskutieren. Bedenken gegen das Konzept der Kompetenzorientierung – insbesondere dann, wenn dabei der Standardisierungsanspruch im Vordergrund steht – fokussieren regelmäßig auf den Inhaltsbegriff:

Die Frage der Inhalte wie auch der Inhaltsbegriff überhaupt ist im Kontext der Kompetenzorientierung von Schule und Fremdsprachenlernen ohnehin nach wie vor problematisch. […] Im Hinblick auf das Verhältnis von Kompetenzen und Inhalten herrscht ein hohes Maß an Klärungsbedarf. (Caspari et al. 2008: 6) ← 7 | 8 →

Die Frage nach den Inhalten berührt nicht zuletzt die Diskussion um den Einsatz literarischer Texte, deren Stellenwert im Vergleich zu anderen Textsorten umfassend diskutiert wird (vgl. z. B. Grünewald et al. 2013, Küster 2003). Wie man in diesem Zusammenhang literarische Kompetenzen modellieren will, selbst wenn es dabei nicht primär um Fragen von Operationalisierbarkeit und Testbarkeit geht, sondern eher um eine theoretisch-konzeptionelle Konturierung, scheint noch lange nicht abschließend geklärt (vgl. Burwitz-Melzer 2005). Tendenziell unterschiedliche Argumentationsstränge in diesem Feld sind zum Beispiel entweder darin zu erkennen, die Anliegen literarisch-ästhetischen Lernens in ein erweitertes Kompetenzmodell zu integrieren oder aber darin, die normative Kraft des Kompetenzkonstrukts durch den Vergleich mit dem Bildungsgedanken zu relativieren. Damit verbunden ist auch die Frage nach der Möglichkeit einer Verknüpfung beider Argumentationsstränge. Ist dies überhaupt eine grundsätzlich sinnvolle Frage? Man mag argumentieren, dass es sich bei der ersten Position bereits um einen Kompromiss handelt, bei dem nolens volens eine Brücke gebaut wird zwischen der Kompetenzorientierung und dem literarischen Lernen. Surkamp etwa stellt Ziele der Persönlichkeitsentwicklung sowie des interkulturellen Lernens mit dem Begriff der literarischen Kompetenz in einen funktionalen Zusammenhang, da ja, wie sie schreibt:

[…] sich der Bildungsauftrag des fremdsprachlichen Literaturunterrichts und die Förderung von Kompetenzen bei näherem Hinsehen gar nicht ausschließen. In der ganzen Diskussion wird zu wenig bedacht, dass sich das Potenzial literarischer Texte für die Persönlichkeitsbildung und das interkulturelle Lernen im Fremdsprachenunterricht nur dann entfalten kann, wenn die Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler auf einem bestimmten Gebiet vorangetrieben wird, dem der literarischen Kompetenz. (Surkamp 2012: 79)

Im Gegensatz dazu betont der zweite Argumentationsstrang die grundsätzliche Inkommensurabilität dieser Konzepte und erteilt Positionen eine Absage, die Aspekte der Standardisierung in das literarische Lernen zu integrieren versuchen:

In der Bildungsstandarddiskussion sind unter der Hand Bildungsziele wie Mündigkeit, Solidarität, Toleranz, Verantwortung, Fremdverstehen etc. entwertet worden. In ihrem beschwörenden Duktus, ihrer Langfristigkeit, ihrem Hoffnungscharakter widersetzen diese sich der Standardisierung. (Decke-Cornill/Gebhard 2007: 26)

Man mag den Eindruck gewinnen, dass Befürworter einer Verknüpfung fremdsprachlicher und literarisch-ästhetischer Lernprozesse gegenwärtig angesichts des Kompetenz-Paradigmas argumentativ in die Defensive geraten sind und zumindest mit Blick auf ihre jeweilige Positionierung zur Standardisierung in sehr unterschiedliche Richtungen gehen. Was dies langfristig für die weitere Entwicklung der Literaturdidaktik bedeuten mag, scheint noch unklar zu sein. ← 8 | 9 →

Der vorliegende Band setzt sich mit der aktuellen und zukünftigen Entwicklung des literarisch-ästhetischen Lernens auseinander und thematisiert dabei die Rolle der Fremdsprachendidaktiken im Kontext bildungsorientierter Zugänge. Über den Rahmen des insbesondere von der empirischen Bildungsforschung initiierten und mittlerweile fest etablierten Diskurses um Standards und Kompetenzen hinaus richtet er den Blick sowohl auf Grundfragen literarisch-ästhetischen Lernens im fremdsprachlichen Kontext als auch auf einzelne Gegenstände und deren Relevanz für ein erweitertes Verständnis dieses Lernbereichs.

Die hier versammelten Beiträge gehen im Wesentlichen auf die Arbeit in zwei literaturdidaktischen Kongresssektionen des Herbstes 2013 zurück, zum einen des Romanistentags in Würzburg (geleitet von Katharina Wieland und Lutz Küster), zum anderen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) in Augsburg eine halbe Woche später (geleitet von Christiane Lütge und Lutz Küster). Aus den dort gehaltenen Vorträgen stammen die gezielt eingeworbenen Aufsätze, die das Themenspektrum sinnvoll erweitern.

In grober Einteilung gliedern sie sich in drei Blöcke. Im ersten stehen in sowohl theoretischer als auch empirischer Ausrichtung grundsätzliche Fragen einer Spezifik literarisch-ästhetischen Lernens im Vordergrund, während im zweiten primär unterrichtsmethodische Aspekte fokussiert werden. Der letzte wiederum hat seinen Schwerpunkt insofern im engeren Feld der Didaktik, als hier primär die didaktischen Potenziale einzelner Genres und Gegenstände erkundet werden. Einschränkend ist allerdings zu betonen, dass diese Systematisierung lediglich eine summarische Orientierung erleichtern soll, trennscharf will und kann sie keinesfalls sein. Dies würde der Weite und der Vielschichtigkeit des zur Rede stehenden Gegenstands auch nicht gerecht werden.

Den Anfang macht Lutz Küster mit einem Beitrag, der in historisch-systematischer Perspektive nach den Begründungslinien literarisch-ästhetischen Lernens im Fremdsprachenunterricht fragt. Vor dem Hintergrund der oben angesprochenen Kontroversen versucht er, im Anschluss an Kants These von der Selbstzweckhaftigkeit der Kunst, den Stellenwert des Ästhetischen in einem bildungstheoretischen Horizont zu verorten, bevor er auf die spezifisch fremdsprachendidaktische Nützlichkeit einer Behandlung kunsthaft verfasster Texte (im Sinn eines erweiterten Textbegriffs) eingeht. Neben der vielfach in literaturdidaktischen Schriften hervorgehobenen Relevanz einer literarischen Anschlusskommunikation für Prozesse interkulturellen Lernens verweist er auf die spezifischen Potenziale einer Förderung von Kreativität, von medienästhetischer Kritik- und Genussfähigkeit, aber auch von Spracherwerbsprozessen.

Ähnlich grundsätzlich angelegt, geht der Beitrag von Ralf Weskamp der Funktion von Geschichten und Literatur im Fremdsprachenunterricht nach. Er zeigt ← 9 | 10 → zunächst auf, welche hohe Bedeutung Narrativität generell in der Kognition und in der Kommunikation von Menschen und davon abgeleitet für Lernen einnimmt. Literatur, so seine Überzeugung, ist in besonderer Weise geeignet, uns Einsichten in unsere soziale Realität zu vermitteln, sie erweitert unser Wissen, spricht unsere Emotionen an und unterstützt auf der Basis ihrer sprachlichen Verfasstheit den Spracherwerb. Dies illustriert der Autor im zweiten Teil seiner Ausführungen an einzelnen unterrichtspraktischen Vorstellungen, die jeweils unterschiedliche Aspekte fokussieren, so v. a. „Geschichten und Literatur als Teil menschlicher Kommunikation“, „als Simulation dessen, was andere Menschen denken und empfinden“ sowie „als Gegenstand kreativer Auseinandersetzung“ (Weskamp in diesem Band: 42).

Während beide vorgenannten Aufsätze die Frage nach der Sinnhaftigkeit literarisch-ästhetischen Lernens aus einer didaktischen Sicht erörtern, nimmt Katharina Wieland im Zuge einer von ihr zusammen mit Studierenden durchgeführten Erhebung die Motivationen fremdsprachlicher Lesender in den Blick. Der Beitrag beleuchtet neben Inhalten und Genres besonders auch die Meinungen der befragten Schülerinnen und Schüler zum didaktischen Umgang mit fremdsprachiger Lektüre im Unterricht der romanischen Sprachen und zeigt mögliche Konsequenzen für den fremdsprachigen Literaturunterricht auf.

Dem zweiten Block der oben dargelegten Einteilung sind die folgenden vier vorgestellten Beiträge zuzurechnen, die sich allesamt vergleichsweise intensiv mit der konkreten Ebene unterrichtlichen Geschehens befassen, dabei aber zugleich von übergreifenden Fragen unterrichtsmethodischer Gestaltung ausgehen.

Details

Seiten
207
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653046441
ISBN (ePUB)
9783653982244
ISBN (MOBI)
9783653982237
ISBN (Hardcover)
9783631653937
DOI
10.3726/978-3-653-04644-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Juni)
Schlagworte
Literaturdidaktik Fremdsprachendidaktik Unterrichtsprozesse Lernprozesse
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 207 S., 8 s/w Abb., 1 Tab.

Biographische Angaben

Lutz Küster (Band-Herausgeber:in) Christiane Lütge (Band-Herausgeber:in) Katharina Wieland (Band-Herausgeber:in)

Christiane Lütge leitet den Bereich der Didaktik der englischen Sprache und Literatur an der LMU München. Lutz Küster und Katharina Wieland vertreten die Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen an der HU Berlin.

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Titel: Literarisch-ästhetisches Lernen im Fremdsprachenunterricht
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