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Die Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder

Allgemeine Anforderungen im Lichte der Ausstrahlung branchenspezifischer Regelungen

von Johannes Porsch (Autor:in)
©2018 Dissertation 378 Seiten

Zusammenfassung

Aufsichtsratsmitglieder von Finanzinstituten und Versicherungsunternehmen sind immer weitergehenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen an ihre Qualifikation ausgesetzt. Das Aktienrecht enthält hingegen kaum derartige Anforderungen. Der Autor untersucht die daraus resultierende Fragestellung, ob die besonderen aufsichtsrechtlichen Anforderungen auf das Aktienrecht ausstrahlen. Er beleuchtet hierzu die Hintergründe für besondere aufsichtsrechtliche Regelungen sowie die Methodik der Ausstrahlung um den bislang wenig konturierten Begriff der «Ausstrahlung im Recht» greifbarer zu machen. Schließlich untersucht er anhand konkreter Beispiele, in welchen Bereichen Ausstrahlungen nachweisbar sind.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Inhaltsverzeichnis
  • Kapitel 1 Einleitung, Ziele und Gang der Untersuchung
  • A) Einleitung
  • B) Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Ziele der Untersuchung
  • C) Gang der Untersuchung
  • Kapitel 2 Allgemeine Anforderungen an die Qualifikation von Mitgliedern des Aufsichtsrats
  • A) Anforderungen des AktG
  • I) Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder (§ 100 AktG)
  • 1) Natürliche Person (§ 100 Abs. 1 AktG)
  • 2) Ausschlussgründe (§ 100 Abs. 2 AktG)
  • a) Höchstzahl der Aufsichtsratsmandate
  • b) Unabhängigkeitsgefährdende Gestaltungen
  • 3) Mitbestimmungsrechtliche Anforderungen (§ 100 Abs. 3 AktG)
  • 4) Satzungsmäßige Bestimmungen (§ 100 Abs. 4 AktG)
  • 5) Unabhängiger Finanzexperte (§ 100 Abs. 5 AktG)
  • a) Unabhängigkeit
  • aa) Der Unabhängigkeitsbegriff der Kommissionsempfehlung
  • bb) Der Unabhängigkeitsbegriff des DCGK
  • b) Sachverstand
  • c) Ausblick
  • II) Besondere Voraussetzungen bei gerichtlicher Bestellung (§ 104 Abs. 4 S. 3 AktG)
  • III) Zeitliche Verfügbarkeit des Aufsichtsratsmitglieds (§ 110 Abs. 3 AktG)
  • IV) Zwischenfazit
  • V) Qualifikationsanforderungen aus den Aufgaben des Aufsichtsrats
  • 1) Allgemeine Grundlagen zur Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern
  • a) Einzelqualifikation und Gesamtqualifikation
  • b) Die Hertie-Entscheidung des BGH
  • c) Ansichten in der Literatur
  • d) Würdigung
  • e) Besonderheiten in Folge der Bildung von Aufsichtsratsausschüssen
  • aa) Besondere Qualifikationsanforderungen für Ausschussmitglieder
  • (1) Gründe für besondere Qualifikationsanforderungen
  • (2) Kritik
  • (3) Inhalt der besonderen Anforderungen
  • bb) Auswirkungen auf die Aufgaben und die Anforderungen an die Qualifikation der übrigen Aufsichtsratsmitglieder
  • (1) Abschließende Aufgabendelegation
  • (2) Vorbereitende Ausschüsse
  • f) „Soft-Skills“
  • g) Aufsichtsratstätigkeit als Nebenamt
  • 2) Allgemeiner Überwachungsauftrag (§ 111 AktG)
  • a) Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats und die dafür erforderliche Qualifikation (§ 111 Abs. 1 AktG)
  • aa) Inhalt der Überwachungsaufgabe
  • bb) Überwachungsmaßstab
  • cc) Erforderliche Qualifikation
  • (1) Auswerten der Berichte nach § 90 I AktG
  • (a) Jährlicher Bericht über die beabsichtigte Geschäftspolitik und die Unternehmensplanung
  • (b) Rentabilitätsbericht
  • (c) Quartalsbericht über den Gang der Geschäfte
  • (d) Berichte über Geschäfte von erheblicher Bedeutung
  • (2) Prüfung des Jahresabschlusses
  • (a) Anforderungen bei Beteiligung eines Abschlussprüfers
  • (b) Anforderungen bei ungeprüftem Jahresabschluss
  • (3) Beratung des Vorstands
  • b) Prüfung von Büchern, Schriften und Wertgegenständen der Gesellschaft
  • c) Höchstpersönliche Aufgabenwahrnehmung
  • 3) Die Personalkompetenz des Aufsichtsrats – Erfordernis besonderer Fähigkeiten bezüglich der Auswahlentscheidung?
  • 4) Weitere Aufgaben des Aufsichtsrats gemäß AktG und die dafür erforderliche Qualifikation
  • a) Beschlussvorschläge gemäß § 124 Abs. 3 S. 1 AktG
  • b) Abgabe der Entsprechenserklärung gemäß § 161 Abs. 1 AktG
  • 5) Zwischenfazit
  • B) Anforderungen des DCGK
  • I) Adressaten des DCGK
  • II) Verbindlichkeit des DCGK
  • 1) Der gesetzesbeschreibende Teil des DCGK
  • 2) Die Empfehlungen des DCGK
  • a) Die Rechtsnatur der Empfehlungen des DCGK
  • b) Die Verbindlichkeit der Empfehlungen des DCGK auf Grund eines faktischen Befolgungsdrucks
  • aa) Sanktionierung durch den Kapitalmarkt
  • bb) Sanktionierung durch die Öffentlichkeit
  • cc) Sanktionierung durch Tätigwerden des Gesetzgebers
  • c) Zwischenergebnis
  • 3) Die Anregungen des DCGK
  • III) Einzelne Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder
  • 1) Qualifikation
  • 2) Persönliche Voraussetzungen
  • a) Benennung von konkreten Zielen für die Zusammensetzung
  • b) Zu berücksichtigende Faktoren
  • c) Zuständigkeit für die Benennung der Ziele
  • d) Verhältnis zu den Anforderungen des Aktiengesetzes
  • 3) Zeitliche Verfügbarkeit
  • 4) Aus- und Fortbildung
  • IV) Zwischenfazit
  • C) Verlautbarungen der EU-Kommission
  • Kapitel 3 Branchenspezifische Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder
  • A) Begriffsbestimmung
  • B) Grundsätzliches Verhältnis zum allgemeinen Recht
  • I) Allgemeine und spezielle Normen
  • II) Die Erfassung eines Tatbestands nur durch die allgemeine Norm
  • C) Allgemeine Gründe für branchenspezifische Regelungen
  • I) Branchenspezifische Gefahren für öffentliche Interessen
  • 1) Spezifische Gefahren der Geschäftstätigkeit von Banken
  • a) Schlüsselfunktion für die Gesamtwirtschaft
  • b) Besonderheiten des Geschäftsmodells von Banken
  • aa) Intransparenz
  • bb) Vertrauensabhängigkeit und Krisenanfälligkeit
  • cc) Agency-Konflikte
  • dd) Ergebnis
  • 2) Spezifische Gefahren der Versicherungsbranche
  • 3) Spezifische Gefahren der Kapitalanlagebranche
  • II) Ziele besonderer Regulierung
  • 1) Ziele des KWG
  • 2) Ziele des VAG
  • 3) Ziele des KAGB
  • III) Lösung mittels Corporate Governance im Bereich Aufsichtsrat
  • 1) Erforderlichkeit staatlichen Eingreifens
  • 2) Umsetzung von Unionsrecht
  • 3) Regulierung der Corporate Governance im Bereich Aufsichtsrat
  • D) Einzelne branchenspezifische Regelungen für den Aufsichtsrat
  • I) Anforderungen des KWG
  • 1) Sachkunde
  • a) Regierungsbegründung und frühere Gesetzeslage
  • b) Merkblatt der BaFin
  • c) EBA Leitlinien
  • d) Schrifttum
  • e) Würdigung
  • 2) Zuverlässigkeit
  • a) Merkblatt der BaFin
  • b) EBA Leitlinien
  • c) Gewerberechtlicher Zuverlässigkeitsbegriff
  • d) Zuverlässigkeit im AktG
  • e) Würdigung
  • 3) Zeitliche Verfügbarkeit
  • 4) Gesamtqualifikation des Aufsichtsrats
  • 5) Mandatsobergrenzen und Inkompatibilitätsvorschriften
  • a) Aufsichtsratsmitglieder von CRR-Instituten von erheblicher Bedeutung
  • b) Aufsichtsratsmitglieder sonstiger Institute
  • c) Würdigung
  • 6) Aus- und Weiterbildung von Aufsichtsratsmitgliedern
  • 7) Besondere Überwachungsaufgabe
  • 8) Qualifikation von Ausschussmitgliedern
  • a) Risikoausschuss
  • b) Prüfungsausschuss
  • c) Nominierungsausschuss
  • d) Vergütungskontrollausschuss
  • II) Anforderungen des VAG
  • 1) Rechtslage vor dem 1. Januar 2016
  • 2) Änderungen durch die Umsetzung von Solvency II
  • a) Anwendungsbereich der Regelung
  • b) Zuverlässigkeit
  • c) Fachliche Eignung
  • d) Zeitliche Verfügbarkeit
  • III) Anforderungen des KAGB
  • 1) Sachkunde und persönliche Eignung
  • 2) Unabhängigkeit
  • IV) Grünbuch der EU-Kommission
  • Kapitel 4 Dogmatik und Methodik der Ausstrahlung
  • A) Der Begriff der Ausstrahlung
  • I) Der Wortsinn des Begriffs Ausstrahlung
  • 1) Der umgangssprachliche Wortsinn als taugliches Kriterium
  • 2) Die Bestimmung des umgangssprachlichen Wortsinnes
  • II) Der Begriff der Ausstrahlung in Literatur und Rechtsprechung im Überblick
  • 1) Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte
  • 2) Ausstrahlung im Arbeits- und Sozialrecht
  • 3) Ausstrahlungswirkungen des UmwG auf wirtschaftliche Umwandlungen?
  • 4) Die Ausstrahlung der Verhaltensregeln der §§ 31ff. WpHG auf das Zivilrecht
  • 5) Die Ausstrahlung des § 91 Abs. 2 AktG auf das Recht der GmbH
  • 6) Die Ausstrahlungswirkung des Aufsichtsrechts auf das allgemeine Aktienrecht
  • 7) Ausstrahlungswirkungen aufsichtsrechtlicher Regelungen untereinander
  • 8) Ausstrahlungswirkungen des Deutschen Corporate Governance Kodex
  • 9) Stellungnahme
  • III) Merkmale der Ausstrahlung
  • 1) Gegenstand der Ausstrahlung
  • 2) Betroffene Regelungen und Richtung der Ausstrahlung
  • 3) Schutzzweck und geschützter Personenkreis
  • 4) Folgen der Ausstrahlung
  • 5) Zwischenergebnis
  • IV) Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Ausstrahlung und anerkannten Instrumenten der Methodenlehre
  • 1) Die Auslegung von Gesetzen
  • a) Grundlagen der Auslegung
  • aa) Das Ziel der Auslegung
  • bb) Die anerkannten Auslegungskriterien
  • (1) Der Wortlaut als Auslegungskriterium
  • (2) Die systematische Auslegung
  • (3) Die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte einer Norm
  • (4) Die Auslegung nach der ratio legis (teleologische Auslegung)
  • cc) Das innere Verhältnis der Auslegungskriterien
  • dd) Auslegung und Normenhierarchie
  • b) Vergleich der Auslegung mit der Ausstrahlung
  • 2) Rechtsfortbildung
  • a) Grundlagen der Rechtsfortbildung
  • b) Die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe
  • c) Die Analogie
  • d) Vergleich der Rechtsfortbildung mit der Ausstrahlung
  • 3) Zwischenergebnis
  • B) Die Funktionsweisen der Ausstrahlung
  • I) Die Ausstrahlung de lege lata
  • II) Die Übernahme spezieller Regelungen oder der hinter solchen stehenden Rechtsgedanken in allgemeineres Recht als Ausstrahlung de lege ferenda
  • III) Positive und negative Ausstrahlungswirkung
  • IV) Ausstrahlung auf die juristische Diskussion
  • V) Übernahme branchenspezifischer Vorgaben durch Unternehmen anderer Branchen
  • C) Voraussetzungen der Ausstrahlung
  • I) Der Grundsatz der Vorfindlichkeit eines allgemeinen Prinzips
  • II) Die Vergleichbarkeit der Interessenlagen
  • III) Ausstrahlungsfähigkeit von Regelungen
  • D) Verfassungsrechtliche Aspekte der Ausstrahlung
  • I) Der Grundsatz der Gewaltenteilung
  • II) Erkennbarkeit des gesetzgeberischen Willens als Voraussetzung
  • III) Keine Rechtsfortbildung contra legem
  • IV) Grundrechtsbetroffenheit
  • E) Ergebnis
  • Kapitel 5 Ausstrahlungen branchenspezifischer Regelungen für den Aufsichtsrat auf das allgemeine Aktienrecht
  • A) Anknüpfungspunkte für Ausstrahlungswirkungen
  • I) Professionalisierung des Aufsichtsrats
  • 1) Sachkunde
  • a) Anknüpfung an allgemeine Prinzipien im Aktienrecht
  • b) Methodische Vorgehensweise
  • aa) Regelungsplan des historischen Gesetzgebers
  • bb) Regelungsplan des zeitgenössischen Gesetzgebers
  • cc) Würdigung
  • c) Ausgestaltung der Prinzipien durch branchenspezifische Regelungen
  • 2) Zuverlässigkeit
  • a) Regelungslücke im Aktiengesetz
  • b) Allgemeines aktienrechtliches Prinzip
  • c) Folgerung
  • II) Bildung von Fachausschüssen im Aufsichtsrat und Qualifikation der Ausschussmitglieder
  • 1) Ausschussbildung
  • a) Anknüpfungspunkt im Aktienrecht
  • b) Branchenspezifische Regelungen
  • 2) Qualifikation von Ausschussmitgliedern
  • III) Zeitliche Verfügbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern
  • IV) Aus- und Fortbildung von Aufsichtsratsmitgliedern
  • B) Prüfung der Ausstrahlungswirkungen der genannten Regelungen
  • I) Sachkunde
  • 1) Vergleichbarkeit der Interessenlage
  • 2) Wille des Gesetzgebers
  • 3) Folgen der Ausstrahlung
  • II) Ausschüsse
  • 1) Ausschussbildung
  • 2) Qualifikation der Ausschussmitglieder
  • III) Aus- und Fortbildung
  • Kapitel 6 Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis

 25→

Kapitel 1Einleitung, Ziele und Gang der Untersuchung

A)Einleitung

Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft sehen sich immer weiter steigenden Anforderungen an ihre Person und ihre Fähigkeiten ausgesetzt1. Auch in der politischen Diskussion ist die Professionalisierung des Aufsichtsrats ein wiederkehrendes Thema2.

Meist wird in diesem Zusammenhang die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder oder die Erhöhung der Diversität bei der Zusammensetzung des Gremiums diskutiert3. Daneben nimmt jedoch auch die Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder eine wichtige Rolle in der modernen Reformdiskussion ein, indem oftmals kritisiert wird, dass es den Aufsichtsratsmitgliedern vielfach an den nötigen Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen fehlt, die für die Ausübung effektiver Unternehmensüberwachung unentbehrlich sind4.

In der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise wurden Mängel in der internen Corporate Governance als Mitursache und die Professionalisierung des Aufsichtsrats als ein Lösungsansatz identifiziert5. Dies hat in der Finanzbranche zu einer Flut von neuen Regelungen geführt, die auch neue Anforderungen an die Organisation und die Arbeit des Aufsichtsrats, sowie an dessen Mitglieder enthalten. Qualifikationsanforderungen ergeben sich längst nicht mehr nur aus dem Aktiengesetz, sondern finden sich ebenso in branchenspezifischen Spezialgesetzen, wie dem KWG, VAG oder KAGB, sowie in untergesetzlichen Regelungen, wie dem Deutschen Corporate Governance ←25 | 26→Kodex, Verlautbarungen der BaFin6 oder der EU-Kommission7 und Leitlinien der EBA8 oder der EIOPA9

Oftmals getrieben durch die Umsetzung von Unionsrecht, ist die Bildung von branchenspezifischem Gesellschaftsrecht auf unterschiedlichen Regelungsebenen zu beobachten. Dies macht es für den Rechtsanwender, insbesondere aber auch für die Mitglieder von Aufsichtsräten selbst, unübersichtlich und kompliziert, die für ein konkretes Aufsichtsratsmitglied relevanten Anforderungen zu identifizieren10.

Eine Erweiterung der Aufgaben und der Verantwortung des Aufsichtsrats erfolgt jedoch auch außerhalb regulierter Branchen. Branchenübergreifend wird bereits seit längerem über die Forderung nach professionellen „Berufsaufsichtsräten“ diskutiert11. Die Internationalisierung der Tätigkeit vieler, insbesondere börsennotierter Unternehmen, fordert von Aufsichtsräten eine immer umfangreichere Überwachung. So ist etwa die Überwachung eines international agierenden Automobil-, Pharma- oder Chemieunternehmens nicht weniger komplex als die Überwachung eines Finanzinstituts oder eines Versicherungsunternehmens12. ←26 | 27→Die damit einhergehende Erhöhung möglicher Haftungsrisiken für Aufsichtsratsmitglieder bedingt dabei auch steigende Erwartungen an die Qualifikation.

Ferner haben Skandale, wie derjenige um manipulierte Abgaswerte bei verschiedenen Automobilherstellern, die Corporate Governance von Unternehmen auch außerhalb der Finanzbranche in die öffentliche Wahrnehmung gerückt13. Auch bei solchen Unternehmen stellt sich die Frage nach der Professionalisierung der unternehmensinternen Überwachung durch den Aufsichtsrat, insbesondere vor dem Hintergrund der Folgen eines möglichen Zusammenbruchs. Auch wenn ein Automobilunternehmen nicht in demselben Maße systemrelevant ist, wie ein Finanzinstitut, so drohen hier angesichts der engen Verflechtungen mit der Zulieferindustrie sowie der hohen Anzahl an Beschäftigten volkswirtschaftlich erhebliche Konsequenzen14.

Eine Schwierigkeit bei der Bestimmung des erforderlichen Qualifikationsniveaus der Aufsichtsratsmitglieder solcher Aktiengesellschaften liegt dabei im Schweigen des Aktiengesetzes. In diesem findet sich keine ausdrückliche Regelung der von Aufsichtsratsmitgliedern erwarteten Qualifikation. Hinweise liefern lediglich die Aufgaben im Zusammenhang mit der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder.

Stellt man dies den weitreichenden aufsichtsrechtlichen Regelungen der Finanzbranche gegenüber, so drängt sich die Frage auf, ob die branchenspezifischen Regelungen derart auf das Aktienrecht ausstrahlen, dass aus ihnen auf einen strengeren gesetzlichen Rahmen auch für die Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern allgemein geschlossen werden kann15. Die Untersuchungen von Dreher und Weber-Rey aus dem Jahr 2010 haben solche Ausstrahlungswirkungen hinsichtlich der Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern noch verneint. Die tiefgreifenden Veränderungen durch die Umsetzung von CRD IV und Solvency II machen es jedoch erforderlich, erneut einen Blick auf die Thematik zu werfen. Überdies ist die methodische Einordnung des Phänomens Ausstrahlung bislang weitgehend ungeklärt.←27 | 28→

B)Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Ziele der Untersuchung

Die Arbeit legt den Fokus auf die Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften. Dabei steht die AG als solche im Vordergrund. Die Betrachtung sämtlicher konzern- oder gruppenspezifischer Besonderheiten würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Ausgenommen von der Untersuchung werden ferner die Aspekte der Unabhängigkeit, sowie der Diversität, auch wenn diese teilweise gestreift werden.

Die Untersuchung verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele. Das erste Ziel besteht darin, zu klären, welche Anforderungen von Gesetzes wegen an die Qualifikation der Mitglieder des Aufsichtsrats gestellt werden. Dabei sollen einerseits die an alle Aufsichtsratsmitglieder adressierten Qualifikationsanforderungen des Aktienrechts, sowie andererseits branchenspezifische Regelungen betrachtet werden.

Details

Seiten
378
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783631765647
ISBN (ePUB)
9783631765654
ISBN (MOBI)
9783631765661
ISBN (Paperback)
9783631765524
DOI
10.3726/b14570
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Dezember)
Schlagworte
Aufsichtsrecht Ausstrahlungswirkung Aktienrecht Aktiengesellschaft Methodik
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2018. 378 S.

Biographische Angaben

Johannes Porsch (Autor:in)

Johannes Porsch studierte Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Handels- und Wirtschaftsrecht an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Er ist als Rechtsanwalt im Bereich M&A/Private Equity tätig.

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