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Die drei Leben eines Historikers

Robert Vipper (1859–1954) in der russischen, lettischen und sowjetischen Geschichtsschreibung

von Jan Kusber (Band-Herausgeber:in) Ilgvars Misāns (Band-Herausgeber:in) Maike Sach (Band-Herausgeber:in)
©2024 Sammelband 342 Seiten

Zusammenfassung

Robert Vipper (1859–1954) war vor dem Ersten Weltkrieg Professor für Universalgeschichte an der Moskauer Universität und hatte sich ebenfalls als Geschichtstheoretiker und Geschichtsdidaktiker einen Namen gemacht. Die Revolution von 1917 änderte die Rahmenbedingungen für Forschung und Lehre, Vipper fiel die Anpassung an die neuen Verhältnisse schwer. Im Jahr 1924 emigrierte er schließlich in die bürgerliche Republik Lettland. Dort startete er eine zweite Karriere als Professor für Neuere Geschichte und Hochschullehrer. Er wirkte an der Formulierung eines nationallettischen historischen Narrativs mit und behielt seine Stellung auch nach dem autoritären Staatsstreich von Kārlis Ulmanis. Nach der Annexion Lettlands durch die Sowjetunion kehrte Vipper 1941 auf ehrenvolle Posten im stalinistischen Wissenschaftssystem zurück. Die hier versammelten Beiträge spüren Wechselwirkungen zwischen Leben und Werk nach und nähern sich Vippers faszinierendem Œuvre aus verschiedenen Perspektiven.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Zur Einführung: 
Ein Historiker und seine Zeit
  • Robert Vipper und die Erforschung des Calvinismus
  • „Der russische Eduard Meyer“: Die konzeptuelle Einheit der Alten Geschichte in den Werken von Robert Vipper
  • Robert Vipper und die lettische Geschichtswissenschaft in der Zwischenkriegszeit
  • Die großen Probleme der Geschichte: 
Robert Vipper als Geschichtstheoretiker Lettlands
  • Robert Vippers vierbändige Geschichte der Neuzeit in lettischer Sprache: Ihre Konzeption und Resonanz bei den Zeitgenossen
  • Robert Vipper als Agrarhistoriker Lettlands
  • Die Geschichte des lettischen Volkes als integraler Bestandteil europäischer Geschichte: Robert Vippers Rigaer Vorlesungen über mittelalterliche Geschichte im Baltikum
  • Robert Vipper und der Geschichtsunterricht in den Schulen der russischen Minderheit in Lettland während der Zwischenkriegszeit
  • 17 Jahre in Lettland: Ergebnisse der wissenschaftlichen Tätigkeit von Robert und Boris Vipper
  • Der „vereinnahmte Historiker“: Das Phänomen Robert Vipper
  • Der Vergleich von Ivan III., Ivan IV. und Stephan Báthory in Vippers Monographie Ivan Groznyj
  • Robert Vipper und Evgenij  Tarle: Neoimperiale Modelle in der sowjetischen Historiographie
  • Annäherungen
  • Verzeichnis der Schriften von Robert Vipper, 1889-2022
  • Register
  • Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Jan Kusber, Ilgvars Misāns und Maike Sach

Zur Einführung: Ein Historiker und seine Zeit

Vor einigen Jahren wies Ilgvars Misāns bei einem Besuch im Arbeitsbereich für Osteuropäische Geschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz auf die Existenz eines Vorlesungszyklus über die Geschichte des lettischen Volkes in russischer Sprache aus der Zwischenkriegszeit hin, den Robert Vipper – oder Roberts Vipers auf Lettisch – als ordentlicher Professor für Neuere Geschichte an der Universität Lettlands gehalten hatte. Daraus entstand zunächst die Idee, den ersten Teil dieses Zyklus, in welchem die Geschichte der Letten in Mittelalter und Früher Neuzeit, ihre Ethnogenese und ihre Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, ins Deutsche zu übersetzen. Dies erschien einerseits deshalb so interessant, weil durch diese Vorlesungen die bis ins 20. Jahrhundert dominierenden und gleichzeitig die Auffassungen in Deutschland prägenden Narrative aus der Feder deutschbaltischer Historiker aus einer Perspektive herausgefordert wurden, die nationallettisch definiert und geschichtspolitischen Zielen der lettischen Regierung verpflichtet war. Anderseits geschah dies aber eben nicht in einer ethnisch-nationalen Engführung, die in dieser Zeit zu erwarten gewesen wäre, sondern durch die Entfaltung und Verortung eines nationalhistorischen Narrativs im Kontext der allgemeinen europäischen Geschichte und der sich in ihrem Rahmen vollziehenden wirtschaftlichen und kulturellen Prozesse und Wechselwirkungen. Maike Sach hat diese Vorlesungen mittlerweile ins Deutsche übersetzt.1

Die Beschäftigung mit diesen Vorlesungen und vor allem mit ihrem Verfasser zeigte aber rasch, dass es rund um Vipper weit mehr zu fragen und zu entdecken gibt: Vipper ist bei Historikerinnen und Historikern aus dem Westen mit einem Arbeitsschwerpunkt in der Geschichte des östlichen Europa vor allem wegen seiner Biographie über Ivan IV. bekannt, die in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts zur Propagierung starker Führerfiguren überarbeitet und so dem Personenkult um Stalin dienstbar gemacht wurde. Dieses Buch über Ivan IV. war bei genauer Betrachtung die einzige Arbeit aus Vippers Feder zur russischen Geschichte. Vielmehr ist er als Vertreter der Allgemeinen Geschichte bzw. der russischen Universalgeschichtsschreibung anzusprechen, worunter in Russland während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem die Geschichte Westeuropas von der Antike bis zur Neuzeit verstanden wurde. Zu diesem Arbeitsgebiet hat er ein außerordentlich umfangreiches, in Westeuropa allerdings weitgehend unbekanntes Werk zu unterschiedlichsten Themen und Epochen sowie zu methodologischen und geschichtsphilosophischen Fragen vorgelegt.2 Dass Vippers Arbeiten zur Alten Geschichte, zur Geschichte der Kirche und der Reformation sowie zur Theorie und den Bedingungen historischer Erkenntnis in westeuropäischen Historiographien nicht oder kaum rezipiert wurden, hat vor allem mit dem „klassischen“ Grund mangelnder Kenntnis der Sprachen des östlichen Europa zu tun. Ein Vergleich mit der Wahrnehmung und dem Schicksal des Mediävisten Pavel Vinogradov, Vippers Moskauer Kollegen, wirft ein Schlaglicht auf diese Korrelation: Vinogradov hatte seine Arbeiten zur Geschichte der Rezeption des römischen Rechts und zur englischen Agrargeschichte auch auf Englisch publiziert. Als er in Konflikt mit den Bildungsbehörden des ausgehenden Zarenreiches geriet, infolgedessen als Rektor der Moskauer Universität 1911 des Amtes enthoben wurde und in diesem Zuge seine Professur aufgab, gelang es ihm, an der Universität Oxford seine wissenschaftliche Arbeit fortzuführen und dort zusammen mit seiner Familie eine neue Heimat zu finden.3

Auch in Vippers Biographie schrieben sich die Katastrophen des 20. Jahrhunderts auf spezifische Weise ein. Sein beinahe ein ganzes Jahrhundert umspannendes Leben wies schon allein durch seine lange Dauer Brüche auf: Geboren 1859 in Moskau erlebte er die Ära der Reformen unter Alexander II., die Zeit der Reaktion unter Alexander III., Revolutionen und Ausbruch des Ersten Weltkrieges unter Nikolaus II., schließlich den Zusammenbruch des Zarenreichs im Jahre 1917 und den Bürgerkrieg. 1924 emigrierte er aus der Sowjetunion in die neugegründete bürgerliche Republik Lettland, in der er in Riga als Professor für Neuere Geschichte an der noch jungen Universität Lettlands mit 65 Jahren eine zweite Karriere beginnen konnte. Dort erlebte er auch, wie die Letten als Titularnation der jungen Republik und nationale Minderheiten im neuen Staat nach Identität suchten und eine politische Kultur einübten, er erlebte den Staatsreich von Kārlis Ulmanis und die damit verbundene autoritäre Wende nach 1934. Diese zeitigte geschichtspolitische Veränderungen, die sich aber weder auf die Stellung Vippers an der Universität noch seine Arbeitsmöglichkeiten auswirkten. Eher verbesserten sich die Rahmenbedingungen für Vippers wissenschaftliche Tätigkeit durch seine Aufnahme in das neugegründete, außeruniversitäre Institut für die Geschichte Lettlands.4 Nach der sowjetischen Besetzung Lettlands 1941 kehrte er umstandslos – wie es scheint – in die Sowjetunion zurück, erhielt zugleich ehrenvolle Posten im Wissenschaftssystem, wurde 1943 zum ordentlichen Mitglied der sowjetischen Akademie der Wissenschaften gewählt und starb im Dezember 1954, gut anderthalb Jahre nach Stalin. Vipper überlebte Epochenbrüche, er lebte in sich wandelnden Gesellschaften und Systemen und trat als Hochschullehrer und Forscher in Wechselwirkung mit den historischen Diskursen innerhalb dieser Gemeinschaften und ihrer Staaten.

Schwerlich wird ein Historiker oder eine Historikerin zu finden sein, der oder die in dieser Form „drei Leben“ gelebt hat – so der Kern der Formulierung von Ilgvars Misāns für die gemeinsam von der Universität Lettlands, dem Deutschen Historischen Institut Moskau und dem Arbeitsbereich für Osteuropäische Geschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz am 23. und 24. März 2018 in Riga veranstalteten Tagung, auf die der vorliegende Sammelband zurückgeht.5 Hugh F. Graham beschrieb diesen Sachverhalt im Titel seines Überblicksartikels über Vipper mit der Formulierung „A Russian Historian in Three Worlds“.6 Schwerlich wird man Vipper hinsichtlich der biographischen Brüche mit den lettischen Zeitgenossen Augusts Tentelis, Arveds Švābe oder Francis Balodis vergleichen können, die in Russland studiert hatten und anschließend wissenschaftlich und wissenschaftspolitisch während der Zwischenkriegszeit in Lettland gewirkt haben. Gleiches gilt für Friedrich Meinecke, den klassischen Vertreter des deutschen Historismus, der Deutsches Kaiserreich, Weimarer Republik und Nationalsozialismus er- und durchlebte, um 1946 seine Erfahrungen in Die deutsche Katastrophe. Betrachtungen und Erinnerungen wissenschaftlich zu adressieren. Diese Historiker und Zeitgenossen Vippers wirkten eben jeweils nur in einer Nationalhistoriographie. Vipper trug hingegen zu Historiographien und zur Wissenschaftsgeschichte „dreier Welten“ bei: der russischen, der lettischen und der sowjetischen. Er hat in den betreffenden Gesellschaften auch gelebt, quasi drei Leben geführt. Dies macht seine Besonderheit aus und unterscheidet ihn von den eben genannten Beispielen, aber auch von denjenigen russischen Historikern, die nach 1917 ins Exil gingen: So gilt Vipper nicht als „klassischer Exilhistoriker“, auch wenn eine Rückkehr für ihn zum Zeitpunkt seiner Emigration nicht vorhersehbar war. Seine Rückkehr führte ex post dazu, dass die während seiner Emigration entstandenen Arbeiten nicht als die eines Wissenschaftlers im Exil gesehen und infolgedessen in Arbeiten zu diesem Thema meist nicht weiter erwähnt werden.7 Darüber hinaus gilt der Blick eher Fachvertretern, die sich nach der Emigration mit Themen der russischen Geschichte im Ausland befasst haben, als Beispiel sei hier auf eine Arbeit von Marc Raeff verwiesen.8 Diesen thematischen Schwerpunkt, vielleicht auch: diese thematische Selbstbeschränkung auf ein nationalhistorisches Arbeitsgebiet findet man beim Universalhistoriker Vipper, der sich in der Zwischenkriegszeit der lettischen Geschichte zuwandte, eben gerade nicht. So wird Vipper in einem Überblick von Edoardo Tortarolo, der russische Exilhistoriker wie auch Martin Aust ansonsten durchaus behandelt, nicht erwähnt9, gleiches gilt für Jurij Abyzow in seiner Studie zur russischen Emigration in Lettland.10

Vor diesem Hintergrund ist es reizvoll, darüber zu reflektieren, was Geschichte und die Beschäftigung mit ihr ist, sein kann, sein sollte und manchmal infolge äußerer Entwicklungen und Einflüsse wird, wie sich Positionen und Arbeitsgebiete verändern und unter welchen Umständen dies jeweils geschieht. Es liegt auf der Hand, dass sich im Rahmen eines langen, ertragreichen Lebens, welches in Vippers Fall 95 Jahre währte, Positionen zum Prozess historischer Erkenntnis und zum Verlauf der Geschichte ändern. Um wieviel stärker und abrupter mögen sich solche Änderungen vollziehen, wenn sich Lebenswelt, politische Systeme, Wirkungsorte und Forschungsgebiete wandeln? Die Wechselwirkung von Biographie, Werk und öffentlichem Wirken lässt sich nicht immer linear darstellen, doch war mit unserer Tagung der Wunsch verbunden, diesen Wechselwirkungen zumindest annäherungsweise auf die Spur zu kommen. Aus welchen Perspektiven dies denkbar ist, welche grundsätzlichen Fragen zu stellen sind und was Historikerinnen und Historiker des 21. Jahrhundert vor einem Urteil über einen Kollegen bedenken sollten, in dessen Biographie sich Brüche und Katastrophen mit ihren spezifischen Zwängen und ggf. unerwarteten Spielräumen eingeschrieben haben, hat Nikolaus Katzer in seinen Annäherungen formuliert, Gedanken, die er zu Beginn der Tagung allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit den Weg gegeben hat und die nun den Schluss des vorliegenden Bandes bilden.

Vor der Vorstellung der einzelnen Beiträge des vorliegenden Sammelbandes sei die Biographie Robert Vippers etwas ausführlicher skizziert. Er wurde 1859 in Moskau in die Familie eines Mathematik-, Physik- und Geographielehrers hineingeboren.11 Im Laufe der Zeit hatte sich die ursprünglich deutschstämmige Familie stark russisch akkulturiert.12 Nach Abschluss des Gymnasiums, auf dem sich Vipper besonders in den Fächern Mathematik und Geschichte sowie in den alten Sprachen hervorgetan hatte, schrieb er sich 1876 an der historisch-philologischen Fakultät der Moskauer Universität ein. Die Rahmenbedingungen, unter denen Vipper zu studieren begann, waren in Zeiten von Neugründungen und des qualitativen Ausbaus des russischen Universitätssystems gerade auch für die Geschichtswissenschaften als akademischer Disziplin günstig.13 An den Universitäten in den beiden Hauptstädten, aber auch in den übrigen Reichsteilen erlebte sie einen Professionalisierungsschub. In Moskau, Vippers Studienort, führte die hohe Zahl an Studierenden und der an der Fakultät tätigen Historiker sogar dazu, dass sich innerhalb der einzelnen Zweige der russischen Geschichtswissenschaft eigene Schulen bilden konnten.14 Innerhalb der Russischen Geschichte (russkaja istorija) erlangte die Staatsschule (gosudarstvennaja škola) besondere Bedeutung, als deren Hauptvertreter neben Boris Čičerin, Konstantin Kavelin, vor allem Sergej Solov’ev zu nennen sind.15 Inwieweit auch Solov’evs Nachfolger Vasilij Ključevskij dazu gehörte, wird anhaltend diskutiert.16 Um Ključevskij bildete sich eine eigene Schule, die Moskauer Schule, die einen wirtschafts- und sozialhistorischen Schwerpunkt aufwies, der ihre Sicht auf die Geschichte perspektivierte. Terence Emmons hat die Moskauer Schule gerade mit Blick auf diese Ausrichtung als Vorläuferin der methodologisch einflussreichen französischen Schule der Annales gesehen.17

Neben der Russischen Geschichte wurde innerhalb der russischen Geschichtswissenschaft dieser Jahre die Universal- bzw. Allgemeine Geschichte (vseobščaja istorija) betrieben, ihr Forschungsgebiet bestand vor allem in der Geschichte Westeuropas von der Antike bis in die Neuzeit. Dieser Dualismus ging auf die im Universitätsstatut von 1835 eingeführte Unterscheidung von Lehrstühlen für Russische Geschichte und Allgemeiner Geschichte zurück und spiegelte gleichsam institutionell die seit Ende der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts in den russischen Eliten geführte Kontroverse über den Platz Russlands in Europa zwischen den sogenannten Slavophilen und den Westlern. Auch der Moskauer Universalhistoriker Timofej Granovskij nahm an dieser für die russische Geistesgeschichte so grundlegenden Kontroverse teil.18 Granovskijs Nachfolger wurde Vladimir Ger’e bzw. Woldemar Guerrier, der wie sein Vorgänger vom deutschen Idealismus und den theoretischen Annahmen des deutschen Historismus geprägt war.19 Beide betonten die Bedeutung von Ideen für den Gang der Geschichte, was Vipper insbesondere in seinen geschichtsphilosophischen Arbeiten später ebenfalls bejahte. Gegen Ende des Jahrhunderts setzte sich Ger’e auch zunehmend mit dem Positivismus auseinander.20 In besonderem Maße hat er auch als Lehrer gewirkt, ermunterte er doch eine Reihe von Schülern, unter ihnen Nikolaj Kareev, Maksim Kovalevskij und Pavel Vinogradov, sich eingehender mit der englischen und französischen Geschichte sowie mit der Geschichte der Französischen Revolution zu beschäftigen. Mit ihren Arbeiten wurden sie international bekannt und begründeten den Ruf der école russe, der russischen Universalgeschichtsschreibung jener Zeit.21 Zu den Schülern Ger’es muss man auch Vipper zählen, wobei die persönlichen Beziehungen zwischen den beiden durchaus kompliziert waren und es auch blieben, nachdem Vipper Ger’es Nachfolger auf dem Lehrstuhl geworden war.22 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Vipper in einem anregenden Studienumfeld akademisch sozialisiert wurde, und neben den Lehrveranstaltungen Ger’es auch Vorlesungen bei Ključevskij und Aleksandr Šachov, einem Spezialisten für westeuropäische Literatur, besuchte.23

Im Jahre 1880 schloss Vipper sein Studium mit Auszeichnung ab24, allerdings ohne ein Empfehlungsschreiben seines Lehrers Ger’e zu erhalten.25 Ein Stipendium blieb ihm somit verwehrt und damit gleichzeitig ein für das akademische Fortkommen im Fach Universalgeschichte zu diesem Zeitpunkt obligatorischer zweijähriger Studienaufenthalt in Westeuropa, den ihm seine Familie zu diesem Zeitpunkt nicht finanzieren konnte.26 So trat er in den Schuldienst ein und arbeitete in den folgenden fünf Jahren als Lehrer an Gymnasien in Moskau.27 Diese Zeit war keineswegs vergeudet, sammelte er doch pädagogische Erfahrungen, die er später als Verfasser zahlreicher und breit eingesetzter Schulbücher für das Fach Geschichte nutzte. Diese geschichtsdidaktischen Kompetenzen, die Vipper noch lange vor der Etablierung des Faches als akademischer Disziplin erworben hatte und die er auch in Debatten um eine Reform des Geschichtsunterrichts im ausgehenden Zarenreich einbrachte, sollten später im Rahmen des Schulwesens der russischen Minderheit in der Republik Lettland ebenfalls gefragt sein.28

In den Jahren 1885–1887 konnte Vipper schließlich den für eine wissenschaftliche Laufbahn im Fach Universalgeschichte nötigen Studienaufenthalt an Universitäten und Bibliotheken in Berlin, München, Wien und Paris durchführen. Auch hatte er Gelegenheit, in Genf Material für eine Studie über das Verhältnis von Kirche und Staat in Genf zur Zeit Calvins im 16. Jahrhundert zu sammeln.29 Zu diesem Thema war der in dieser Frage zunächst unschlüssige Vipper von Ger’e angeregt worden.30 Diese Untersuchung, die er zu Beginn als Magisterarbeit angelegt hatte, schloss er 1894 ab. Angesichts ihres Umfangs und ihrer Qualität wurde sie gleich als Doktordissertation angenommen und mit dem Solov’ev-Preis ausgezeichnet. Sie bildete den Beginn von Vippers Beschäftigung rund um die Geschichte des Christentums, der Reformation und der Kirchengeschichte.31

Mit der Promotion hatte sich Vipper formal für eine Professur qualifiziert, die er anschließend an der jungen Universität Odessa antrat.32 Dort lehrte er bis 1897 Alte, Mittlere und Neuere Geschichte. Die Arbeitsbedingungen in Odessa gefielen Vipper allerdings nicht besonders, er fühlte sich offensichtlich so unwohl, dass er es für eine Rückkehr nach Moskau in Kauf nahm, an der Moskauer Universität vorerst nur als Privatdozent wirken zu können und den Lebensunterhalt für sich und seine Familie im Wesentlichen durch Unterricht an Schulen zu bestreiten.33 Diese Situation fand 1901 ein Ende, als er die Nachfolge seines Lehrers Ger’e antreten konnte. Den Lehrstuhl für Universalgeschichte hatte Vipper bis zu seiner Emigration inne.34

Inhaltlich beschäftigte sich Vipper in diesen Moskauer Jahren als Universalhistoriker mit einem breiten Spektrum an Themen. Während seines Studiums in Moskau war Vipper mit sozialhistorischen Fragestellungen in Kontakt gekommen, die ihn nachhaltig geprägt hatten. Er setzte sich aus historischer Perspektive weiter mit sozialen und wirtschaftlichen Fragen auseinander, was ihn allgemein zur Rezeption von Gedanken des Ökonomischen Materialismus führte. Auf den ersten Blick mochten einige Begriffe und Ideen des ökonomischen Materialismus mit denen des Historischen Materialismus, wie ihn Karl Marx entwickelt hatte, harmonieren. Allerdings wurden dessen ideologische und historische Schlussfolgerungen von den ökonomischen Materialisten nicht geteilt.35

Daneben verfolgte Vipper Debatten um erkenntnistheoretische Probleme in den Geschichtswissenschaften. Ihn interessierten die Arbeiten Wilhelm Windelbands und Heinrich Rickerts und vor allem die Ideen des Philosophen Richard Avenarius und des Physikers und Philosophen Ernst Mach.36 Diese hatten um die Wende zum 20. Jahrhundert den Empiriokritizismus begründet, der zumindest zeitweilig auch Einfluss auf das Denken marxistischer Theoretiker zeitigen sollte.37

Vipper versuchte die Gedanken und Positionen zu den Rahmenbedingungen individueller historischer Erkenntnisprozesse in sein Konzept zu integrieren, das er selbst als „neuen Kritizismus“ bezeichnet hat. Ein Kerngedanke dieses Konzeptes bestand darin, sich die Bedingungen individueller Erkenntnis bewusst zu machen, jegliche Geschichtsschreibung sei infolgedessen als Konstrukt zu verstehen.38 Diesen Gedanken sollte er weiter mit Überlegungen kombinieren, die das Ergebnis seiner Auseinandersetzung mit dem Denken des italienischen Philosophen Giambattista Vico waren und Modelle des allgemeinen Ablaufs von Geschichte betrafen: Diesen dachte er sich nicht linear aufsteigend als Fortschrittsprozess, sondern in Gestalt eines zyklischen Modells, in das sich seiner Meinung nach Aufstieg und Fall von Zivilisationen besser fassen ließen. Einen Sammelband mit seinen Überlegungen dazu veröffentlichte er 1908.39 Das dort dargelegte Konzept vertrug sich dabei ganz und gar nicht mit der Idee des historischen Fortschritts und der Dialektik des Historischen Materialismus. Dies galt auch für den Empiriokritizismus, den Vipper rezipiert hatte und der ebenfalls bei den Anhängern des Historischen Materialismus auf Kritik stieß. So verurteilte Vladimir Lenin 1909 die Ideen von Mach und Avenarius in seiner vor allem gegen Aleksandr Bogdanov bzw. dessen „Empiriomonismus“ gerichteten Schrift Materialismus und Empiriokritizmus in scharfen Worten als reaktionär.40

Vippers Arbeiten wurden in Lenins Abhandlung nicht explizit erwähnt, auch sonst musste er sich damals keine Gedanken um geschichtsphilosophische Positionen Lenins machen, war dieser doch zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Autorität, zu der er in der frühen Sowjetunion werden sollte. Als Reaktionär galt Vipper im ausgehenden Zarenreich jedenfalls nicht: Er vertrat öffentlich liberales und aufklärerisches Gedankengut und ließ auch Kritik an den Verhältnissen im Russischen Reich in seine Arbeit einfließen. Zeitweilig stand Vipper auch unter polizeilicher Überwachung, zog er doch in öffentlichen Vorträgen und als Lehrer an der Universität ein großes Publikum an. Unter seinen Hörern befanden sich auch Letten, die später zu führenden Persönlichkeiten in der Republik Lettland wurden.41 Der lettische Historiker und Diplomat Alfrēds Bīlmanis, der in Moskau u. a. bei Vipper Vorlesungen besucht hatte, und später in der Emigration in den USA lebte, hat eine entsprechende Schilderung aus den Moskauer Jahren hinterlassen.42

Der Erste Weltkrieg und die Revolution führten zum Untergang des Zarenreiches und zu großen Umbrüchen in allen Lebensbereichen. Vipper schockierten diese Entwicklungen zutiefst. Darüber hinaus war er mit den Eingriffen der Bol’ševiki in das Hochschulwesen nicht einverstanden. Besonders schmerzte ihn, dass die ihm so am Herzen liegende Alte Geschichte sowie das Studium von Griechisch und Latein unter den neuen Vorzeichen als nutzlose Relikte der Bildungspolitik des dekadenten Zarenreiches angesehen wurden. Gleichwohl versuchte sich Vipper in der neuen Situation zurechtzufinden und mit den neuen Gegebenheiten zu arrangieren. Dies fiel ihm nicht leicht, dennoch überarbeitete er Lehrbücher zur mittelalterlichen und neueren Geschichte.43 Was unter diesen Umständen vielleicht schwerer wog, war, dass Vipper im Rahmen seiner bisherigen theoretischen Konzeption die Oktoberrevolution selbst als Beweis dafür ansah, dass die dem Historischen Materialismus zugrunde liegenden Annahmen völlig unbegründet seien: Aus seiner Sicht ließ sich in den Zeitläuften kein historischer Fortschritt erkennen.44 Kultur und Kommunismus – so könnte man zugespitzt formulieren – schlossen sich für Vipper gegenseitig aus.

Angesichts dieser Lage wandte er sich inhaltlich neuen, d. h. hier: traditionellen Zugängen zu. Unter dem Eindruck der Katastrophe des Weltkrieges und der Revolution, welche Vipper u. a. auf die Schwäche des letzten Zaren Nikolaus II. zurückführte, befasste er sich verstärkt mit der Rolle des Individuums in der Geschichte. Auch der Zusammenhang von Ideen und einem starken Staat trieb ihn um. In diesem Kontext verfasste er 1922 jene erwähnte, kleine Biographie über Ivan IV., in der er die Einrichtung der opričnina (ein Begriff zur Bezeichnung eines Sonderverwaltungsbezirks im Moskauer Staat, die opričniki waren eine für ihre Grausamkeit berüchtigte, dem Zaren besonders ergebene Truppe) als eine militärisch-organisatorische Maßnahme und damit als eine Fortsetzung der Reformpolitik einer früheren Periode seiner Herrschaft verstanden wissen wollte. Aufgrund der in diesem Buch enthaltenen Rechtfertigung der Taten einer starken Herrscherpersönlichkeit sollte diese Ivan-Biographie für Vipper aber noch einmal sehr wichtig werden, da sie Ansatzpunkte für die Indienstnahme des Zaren für Propaganda und Personenkult unter Stalin bot.45

Im Erscheinungsjahr 1922 dominierte die marxistisch-leninistische Geschichtsschreibung, eine ihrer führenden Stimmen in der jungen Sowjetunion, Michail Pokrovskij, kritisierte das Buch heftig.46 Lenin selbst griff Vipper im Frühjahr 1923 wegen einer 1918 erschienenen Arbeit über die Geschichte des frühen Christentums an, die letzterer noch im ausgehenden Zarenreich verfasst hatte, aber wegen der Zensurbestimmungen nicht hatte publizieren können.47 Vipper und sein Werk wurden jetzt ausdrücklich als reaktionär verurteilt.48

Unter dem Eindruck dieser Entwicklungen reifte der Entschluss, die Sowjetunion zu verlassen: Im Sommer 1924 reiste Vipper zusammen mit seiner Familie mit offizieller Erlaubnis aus der Sowjetunion in die bürgerliche Republik Lettland aus, um in Riga eine Professur für Neuere Geschichte anzutreten. Vipper war für diese Professur an der noch jungen Universität Lettlands ein Kompromisskandidat gewesen: Lange hatte man sich im Universitätsrat nicht auf einen für die nationalen und wissenschaftspolitischen Ziele der Regierung passenden Kandidaten einigen können. Die lettische Regierung war sich von Beginn an der besonderen Bedeutung von Bildungs- und Forschungseinrichtungen für die Ausbildung zukünftiger Eliten bewusst gewesen. Die Bedeutung der Disziplinen des historisch-philologischen Fächerkanons für die Formulierung eines bislang fehlenden nationallettischen historischen Narrativs als Baustein für das eigene nation-building (Benedict Anderson) wurde ebenfalls gesehen. So hatte man gleich nach Gründung der Republik den Um- und Ausbau des Rigaer Polytechnikums als ehemals einziger höherer Lehranstalt auf lettischem Gebiet zur Universität Lettlands eingeleitet. Diese neue Institution sollte aus Sicht der Regierung Trägerin lettischer Kultur sowie ein Ort von Lehre und Forschung auf einem international konkurrenzfähigen Niveau – möglichst in lettischer Sprache – sein. Unter diesen ethnisch-nationalen Vorzeichen wünschte man sich für die neugeschaffenen Lehrstühle vom Prinzip her lettische Kandidaten. Da es aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht genug entsprechend qualifizierte lettische Bewerber oder fachliche Quereinsteiger gab, wurde das ethnisch-nationale Kriterium, welches gleichwohl bei der Rekrutierung des wissenschaftlichen Personals von Beginn Teil des Anforderungsprofils war, zunächst noch dem Auswahlkriterium der fachlichen Expertise nachgeordnet, wie Per Bolin in einer ausführlichen Studie auf der Basis von Personalakten und der Dokumentation der universitätsinternen Entscheidungsprozesse gezeigt hat.49

So war es unter diesen Bedingungen eines spezifischen, wissenschaftlichen Fachkräftemangels in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts noch möglich, dass Leonid Arbusow jun. – ein Deutschbalte russischer Herkunft, der 1908 in Göttingen promoviert worden war – als renommierter Spezialist für die baltische Geschichte des Mittelalters auf die Professur für mittelalterliche Geschichte in Riga berufen werden konnte. Wie Ilgvars Misāns gezeigt hat, wäre Arbusow als Person durch seine fachliche Expertise und seine institutionelle Verankerung an der Universität und dem Rigaer Herder-Institut der ideale Mittler zwischen der deutschbaltischen Geschichtswissenschaft und der entstehenden lettischen Historiographie gewesen.50 Dazu sollte es aber nicht kommen: Unter dem Eindruck fachlicher Auseinandersetzungen und den Veränderungen der wissenschaftspolitischen Rahmenbedingungen nach dem Staatsstreich von Kārlis Ulmanis51 und der Etablierung eines autoritären Regimes, wurden nichtlettische Wissenschaftler sukzessive aus ihren Positionen gedrängt. Arbusow, zu diesem Zeitpunkt längst Symbolfigur der aus lettischer Perspektive dringend zu dekonstruierenden deutschbaltischen geschichtswissenschaftlichen Tradition, gab seine Stelle an der Universität Ende des Jahres 1935 auf.52

Anders stellte sich das Schicksal des Kompromisskandidaten Vipper dar: Nachdem sich für den Lehrstuhl für Neuere Geschichte, der für die nationalen und wissenschaftspolitischen Ziele der Regierung eine besonders wichtige Position darstellte, niemand gefunden hatte, der die Kriterien erfüllte, wurde Vipper als erfahrender Forscher und Hochschullehrer auf Grundlage befristeter, stets verlängerter Verträge eingestellt.53

Vipper passte sich den neuen Gegebenheiten in Riga schnell an und wandte sich der Geschichte der Landbevölkerung und vor allem der Geschichte der Leibeigenschaft zu, die ihn schließlich auch zur Geschichte der Aufklärung im Baltikum brachte. Dafür sichtete er Quellen, entdeckte solche neu und brachte auch in Vergessenheit geratene Persönlichkeiten und Zeugnisse in die Diskussion ein. In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre erschienen hierzu erste Arbeiten aus seiner Feder im Druck. Diese Studien, in denen er die Perspektive der lettischen bäuerlichen Bevölkerung einnahm, brachten ihn in fachlichen Konflikt mit Vertretern der deutschbaltischen Historiographie mit einem agrarhistorischen Arbeitsschwerpunkt, doch sicherte ihm gerade dies die Sympathien der lettischen Kollegen: So wurde er schließlich als einziger ausländischer Historiker eingeladen, sich an der für die lettische Historiographiegeschichte wichtigen zweibändigen und parallel auf Lettisch und Deutsch vorgelegten Publikation Latvieši / Die Letten (Riga 1930, 1932) zu beteiligen, die von Francis Balodis, Pēteris Šmits und Augusts Tentelis herausgegeben worden war.54 Das Ziel der beiden Sammelbände bestand darin, den Stand der wissenschaftlichen Bemühungen um die Schaffung eines nationallettischen Narrativs zusammenzufassen und der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Insbesondere Vippers Beitrag zur Geschichte der Leibeigenschaft in Livland zog harsche Kritik von deutschbaltischer Seite auf sich: Leonid Arbusow jun. unterzog Vippers Aufsatz einer neunseitigen, ebenso scharfen wie negativen Rezension.55 Doch diese Kritik an seinen Arbeiten zur Geschichte der Leibeigenschaft schien Vipper geradezu zu bestärken, sich noch eingehender damit auseinanderzusetzen und seine Beschäftigung auch epochal auszuweiten: So begann er, sich auch mit dem baltischen Mittelalter zu befassen, welches von der Widmung des Lehrstuhls her eigentlich die Domäne des Kollegen Arbusow war. Vipper erarbeitete den eingangs erwähnten Vorlesungszyklus zur Geschichte des lettischen Volkes, in dessen ersten Teil er sich mit der mittelalterlichen Geschichte und damit einer ganzen Reihe an klassischen Themen der deutschbaltischen Historiographie kritisch auseinandersetze.

Im Gegensatz zu seinem Kollegen Arbusow wurde Vipper von den jungen lettischen Kollegen als einer der ihren wahrgenommen. Auch die autoritäre Wende 1934 mit einer verstärkten Betonung des lettischen Nationalstolzes und der lettischen Nationalkultur, konnte seiner Position nichts anhaben. Vielmehr wurde sein Vertrag auch über die eigentlich gültige Altersgrenze hinaus verlängert.56 Im 1936 gegründeten außeruniversitären Institut für die Geschichte Lettlands erhielt auch Vipper einen Platz und Wirkungsmöglichkeiten. Trotz seines mittlerweile hohen Alters blieb er produktiv: Vipper nahm ebenfalls am Conventus primus historicorum Balticorum teil,57 der großen baltischen Historikerkonferenz, die 1937 in Riga organisiert worden war.58 Als Vipper schließlich 1939 seinen 80. Geburtstag begehen konnte, feierten ihn lettische Kollegen und Schüler mit einer großen Festschrift.

Die Feier seines 80. Geburtstages im Jahr 1939, Berichte darüber in der Tagespresse und die Veröffentlichung eines geschichtstheoretischen Sammelbandes Vēstures lielās problēmas [Die großen Probleme der Geschichte] im Jahr 194059 markieren das Ende von Vippers reichhaltigen Wirken in Lettland als Forscher, Hochschullehrer, Schulbuchautor und Person des kulturellen öffentlichen Lebens.

Nach der sowjetischen Besatzung Lettlands im Jahre 1940 blieb Vipper zunächst auf seinem Posten, bis er schließlich im folgenden Jahr in die UdSSR zurückkehrte – hochwillkommen und geehrt. Im Jahre 1943 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften gewählt. Nach einem kurzen Zwischenspiel im Rahmen der Evakuierung der Akademie nach Taškent, konnte er sein letztes Lebensjahrzehnt in Moskau verbringen; mittlerweile hatte die Stadt seiner Geburt durch die Umgestaltung in den Stalin-Jahren radikale Veränderungen erfahren.

Vipper und sein Werk wurden nun in der Sowjetunion, aus der er einst emigriert war, vereinnahmt. Besonders greifbar wird dies am Schicksal der Biographie über Ivan IV. Groznyj, die 1922 erschienen war, und welche nun eine signifikante Überarbeitung erfuhr.

Vippers letztes vollendetes Werk, Rim i rannee christianstvo [Rom und das frühe Christentum] wurde in seinem letzten Lebensjahr publiziert. Alter Geschichte und der Geschichte der frühen Christen hatte sich der atheistisch gesonnene Vipper bereits ausführlich in seiner ersten Schaffensperiode gewidmet und dabei kirchengeschichtlich durchaus scharfe, bisweilen radikale Urteile gefällt, die ihm – wie eingangs erwähnt – Probleme mit der Zensur des späten Zarenreiches eingebracht hatten.60 Nach 1941, in seinem „dritten Leben“ in der spätstalinistischen Sowjetunion, wandte er sich diesem Arbeitsgebiet erneut wieder zu. In Rim i rannee christianstvo, dieser letzten, zu Lebzeiten veröffentlichten Arbeit, versuchte Vipper gleichsam die Geschichte des Christentums in das systemische Gebäude des Marxismus-Leninismus zu integrieren. Das Neue Testament, so nun seine anschlussfähige Deutung, sei eine Schöpfung der Sklaven Roms gewesen, die Kapitalisten hätten sich daraus aber mit der Zeit eine ideologische Waffe geformt. Seine Interpretation stützte er nun auch auf Karl Marx, dessen berühmtes Diktum, Religion sei Opium des Volkes, er vor seiner Emigration aus dem vom Bürgerkrieg geschüttelten Russland noch als vulgär und geschmacklos bezeichnet hatte.61

In Vippers langem Leben hatte es wie bei anderen Zeitgenossen auch viele Brüche gegeben. Wie mit ihnen umgegangen bzw. wie sie einfach übergangen wurden, zeigt auf exemplarische Weise der ungezeichnete Nachruf, der kurz nach Vippers Tod in den Voprosy istorii, dem zentralen historischen Publikationsorgan, erschien: Der anonyme Autor vereinnahmte den Verstorbenen für die sowjetische Geschichtswissenschaft und ging dabei über Änderungen in dessen Positionen ebenso hinweg wie auch über Vippers lange Jahre als Professor an der Universität Lettlands in Riga; diese Zeit wurde allenfalls in Nebensätzen erwähnt.62

Vippers langer Lebensweg durch die Zeitläufte der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bildet den roten Faden, dem die Referate auf der Rigaer Tagung trotz unterschiedlicher Gegenstände und Fragestellungen folgten und der auch die Beiträge des vorliegenden Sammelbandes durchzieht. Den Organisatoren ging es zu einen darum, die Wechselwirkung zwischen Biographie und Werk in den Blick zu nehmen und sich so den biographischen Brüchen zu nähern. Es galt aber auch die thematische Vielfalt und epochale Breite, für die Vipper in Forschung und Lehre stand, aufzuzeigen. Aija Taimiņa, die Leiterin des Handschriftenlesesaals der Akademischen Bibliothek der Universität Lettlands, präsentierte Manuskripte und Briefe, die Zeugnis über Vippers Tätigkeit in Lettland ablegen, wie auch Quellen und Dokumente, mit denen er gearbeitet hat. Irina Buša, eine Kollegin der Universitätsbibliothek, erarbeitete anlässlich der Tagung eine virtuelle Ausstellung, in der noch weitere Materialien und Dokumente, die Auskunft über Vippers Zeit in Lettland geben, zusammengestellt wurden und weiterhin auf den Seiten der Universitätsbibliothek archiviert sind.63

Trotz des fruchtbaren Austausches mit Andrej Doronin (Deutsches Historisches Institut Moskau) gelang es zunächst nicht, Kolleginnen oder Kollegen zu finden, die auf der Rigaer Tagung auf Grundlage eigener Forschungen über Vippers Werk zur Reformationsgeschichte hätten referieren können. Im Nachgang zur Tagung konnte aber für dieses Thema Dmitrij Weber gewonnen werden.

Robert Vippers in sich sehr unterschiedliche Lebensabschnitte – die Zeit im Zarenreich und im nachrevolutionären Russland bis 1924, die Lebensjahre in der unabhängigen Republik Lettland bis zur Ausreise im Frühjahr 1941 kurz nach der Annexion durch die Sowjetunion (1940) und sein Lebensabend in der stalinistischen Sowjetunion— bilden die Grundstruktur des vorliegenden Tagungsbandes. Zugleich sind einzelne Beiträge den wissenschaftlichen Interessen und Forschungsschwerpunkten gewidmet, die in den unterschiedlichen Lebensphasen des Historikers in den Vordergrund traten. Hier ist anzumerken, dass Vipper in Übergangsphasen zwischen den jeweiligen Lebens- und Karriereabschnitten manche zuvor behandelte Themen und Fragen wieder aufgegriffen hat. Diesen thematischen Entscheidungen lag wohl die Überlegung zugrunde, mit Hilfe des vertrauten Materials die Anpassung an neue Rahmenbedingungen und den wissenschaftlichen Anschluss leichter und schneller zu gestalten. Für die Wissenschaftsgeschichte sind gerade solche Fälle angesichts von ideologischen Einflüssen und des jeweiligen wissenschaftspolitischen Kontextes auf die Forschungstätigkeit von Historikern relevant.

Diese Zusammenhänge werden gleich im ersten Beitrag des Sammelbandes Robert Vipper und die Erforschung des Calvinismus von Dmitrij Weber beleuchtet: Zunächst zeigt Weber auf, dass Vipper in seiner 1894 als Monographie erschienenen Magisterarbeit den Calvinismus als eine Richtung der Reformation und Jean Calvin in seiner Rolle als Reformator, als Ideologen und starke Führungspersönlichkeit detailliert analysiert hat. Anschließend ließ Vipper dann beinahe fünfzig Jahre kein weiteres Interesse an diesem Themenkreis erkennen. Erst 1940 – ein halbes Jahr vor der Rückkehr nach Moskau – kam er in einem Aufsatz in der prominenten sowjetischen historischen Zeitschrift Istoričeskij žurnal auf diese Problematik zurück. Weber arbeitet den innovativen Charakter des Buches von Vipper im Kontext der zeitgenössischen russischen Historiographie des späten 19. Jahrhundert heraus. Da Vipper seine Ansichten über die historische Rolle Calvins als Religionsführer und sein politisches Engagement in kritischer Auseinandersetzung mit den Auffassungen der bedeutendsten europäischen Spezialisten zu diesem Thema entwickelt habe, sei es ihm gelungen, ein vielschichtiges Bild seines anspruchsvollen Forschungsgegenstandes zu präsentieren. Vippers späten Aufsatz über Calvin und die protestantische Republik in Genf deutet Weber wiederum in erster Linie als einen Versuch, mit Hilfe des in der Sowjetunion üblichen methodischen Ansatzes, der von der leninistisch-stalinistischen Spielart der dem historischen Materialismus verpflichteten marxistischen Historiographie und ihrer spezifischen Terminologie geprägt war, einen eigenen Platz in der sowjetischen Geschichtsschreibung zu besetzen.

Robert Vipper gelang es im vorrevolutionären Russland auch, sich als Althistoriker und Autor von Lehrwerken zu dieser Geschichtsperiode einen Namen als Fachmann zu verschaffen, der in gleichem Maß Kompetenz in der Geschichte des Alten Orients, der griechischen und der römischen Antike besaß und somit die Geschichte des Altertums als Ganzes in den Blick nehmen konnte. In dieser Hinsicht kann sein Schaffen im Rahmen der russischen Historiographie mit demjenigen des deutschen Althistorikers, Ägyptologen und Altorientalisten Eduard Meyer in der deutschen und westeuropäischen Geschichtswissenschaft verglichen werden. Natal’ja Almazova arbeitet in ihrem Beitrag Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Werk beider Historiker heraus und geht auf die Besonderheiten von Vippers Konzeption der Alten Geschichte ein. Dabei hebt sie die Bedeutung hervor, die Vipper nichthierarchischen Strukturen beimaß, die ihn die Antike im Mittelmeerraum und im Orient als konzeptuelle Einheit verstehen ließ. Vor diesem Hintergrund werden Vippers Sicht auf einige Grundthemen der Alten Geschichte – auf das Staatswesen, die Theokratie, die Demokratie u. a. – im Kontext der zeitgenössischen Geschichtsschreibung vorgestellt und eingeordnet.

Der größte Teil der Beiträge des Bandes beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen und akademischen Tätigkeit Robert Vippers in Riga, wo er von 1924 bis 1941 an der Universität Lettlands die Professur für Neuere Geschichte innehatte. In seinem Aufsatz Robert Vipper und die lettische Geschichtswissenschaft in der Zwischenkriegszeit beschreibt Detlef Henning die Herausforderungen und Rahmenbedingungen für die noch junge Historiographie im neuen lettischen Nationalstaat sowie das akademische und wissenschaftliche Milieu an der 1919 gegründeten Universität, in das sich der erfahrene Historiker auf eigene Art und Weise wirksam eingebracht hat. Bald nach dem Antritt seiner neuen Professur setzte sich Vipper eingehend mit der lokalen Geschichte auseinander und beteiligte sich am Aufbau der lettischen nationalen Geschichtstradition, die sich in kritischer Auseinandersetzung mit der deutschbaltischen Geschichtsschreibung behaupten musste und sich schließlich durchgesetzt hat. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen Vippers wissenschaftliches Werk und die Etappen seiner Karriere als Forscher und Hochschullehrer in Lettland.

Ilgvars Misāns weist in seinem Betrag über Vipper als Theoretiker der Geschichte Lettlands in der Zwischenkriegszeit auf den innovativen Charakter seiner Auffassung und Interpretation der lettischen Nationalgeschichte hin. In der historischen Forschung plädierte Vipper für eine Betrachtung der Vergangenheit vom Standpunkt der Gegenwart aus sowie für die konsequente Einordnung der lokalen Thematik in einen breiten europäischen Kontext. Meisterhaft zeigte Vipper, welche zusätzlichen Deutungspotentiale eine komparative Analyse der Geschichte der Letten und Lettlands bieten konnte. Außerdem setzte sich Vipper in mehreren Publikationen speziell mit den Problemen der historischen Erkenntnis auseinander, was der Geschichtswissenschaft in Lettland zu einem theoretischen Rahmen verhalf.

Nach der Darstellung der erfolgreichen Eingliederung Vippers in die national geprägte akademische Welt Lettlands und der Erläuterung ihrer Bedingungen und Ursachen analysiert Valda Kļava seine zwischen 1930 und 1939 auf Lettisch veröffentliche Geschichte der Neuzeit, ein vierbändiges monumentales Werk. Durch seinen Umfang, seinen europäischen Horizont und teilweise globalen Bezugsrahmen sowie durch die Darstellung der Frühen Neuzeit als einheitliche Epoche bildet dieses opus magnum eine singuläre Erscheinung in der in erster Linie lokal und national ausgerichteten Historiographie Lettlands der Zwischenkriegszeit. Besonders konzentriert sich Kļava auf die von Vipper unternommene Periodisierung der Neuzeit und ihre Unterteilung in kleinere Abschnitte. Einen weiteren Schwerpunkt des Beitrags bildet die Geschichtskonzeption Vippers, darunter die Art und Weise, wie er die universale und nationale Geschichtserzählung miteinander in Einklang gebracht hat.

Das unterschiedliche Verhältnis Vippers zu den Vertretern der lettischen Historiographie einerseits und denen der deutschbaltischen Geschichtswissenschaft andererseits ist Thema des Aufsatzes von Gvido Straube, in dem vor allem Vippers wissenschaftlicher Beitrag zur Agrargeschichte Lettlands im Zentrum steht. Vipper führte zuvor kaum genutzte juristische Quellen in die historische Diskussion ein. Auf Grundlage dieses neuen Materials legte Vipper eine Neuinterpretation der Entstehung der Leibeigenschaft im Baltikum vor, die mit der lettischen Sicht auf das Verhältnis zwischen Bauern und Gutsherren inhaltlich korrespondierte und zugleich seitens der deutschbaltischen Fachleute vehement abgelehnt wurde. Im Streit zwischen dem lettischen und dem deutschbaltischen Lager positionierte sich Vipper auf der Seite seiner lettischen Kollegen und hat auch damit die Anerkennung in der Geschichtswissenschaft des Landes gewonnen.

Anschließend stellt Maike Sach den eingangs erwähnten Vorlesungszyklus zur Geschichte des lettischen Volkes im Mittelalter vor, der als Manuskript in den Sammlungen der Akademischen Bibliothek der Universität Lettlands überliefert ist. In diesen Vorlesungen, die Vipper in den Studienjahren 1931/32 und 1935/36 (in überarbeiteter Form) gehalten hat, entwickelte er ein Narrativ zur lettischen Nationalgeschichte innerhalb der allgemeinen europäischen Geschichte, als deren integraler Bestandteil er sie verstanden wissen wollte. Sein Deutungsangebot zur lettischen Geschichte war damit weiter gefasst als das der lettischen Kollegen. Mit dem Mittelalter hatte er sich außerdem einer Epoche zugewandt, die ein zentrales Arbeitsgebiet der deutschbaltischen Historiographie darstellte. Zu einer ganzen Reihe von Themen präsentierte er von deutschbaltischen Deutungen abweichende Interpretationen und äußerte sich auch ausführlich zu Fragen der zwischen lettischer und deutschbaltischer Geschichtsschreibung umstrittenen Agrargeschichte und den Ursprüngen der Leibeigenschaft. In den Vorlesungen wird auch sein Vorgehen in der Vermittlung von Grundlagen, Theorien und Methoden im Rahmen universitärer Lehre der Zwischenkriegszeit greifbar.

Svetlana Bogojavlenska hat sich auf die Suche nach den Spuren begeben, die Robert Vipper nicht nur als Wissenschaftler und Hochschullehrer, sondern auch als Geschichtsdidaktiker und Autor von Lehrbüchern für den Geschichtsunterricht an Schulen der russischen Minderheit in Lettland hinterlassen hat. Im Einklang mit seiner an der Universität in Forschung und Lehre vertretenen Auffassung wandte sich Vipper gegen eine Separierung der russischen und lettischen Geschichte von der Universalgeschichte auch im Schulcurriculum. Sein integriertes Konzept der schulischen Vermittlung von Geschichte brachte gleichwohl methodologische Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung mit sich. Außerdem unterstützen nicht alle Pädagogen die von Vipper vertretene Verortung der Geschichte Russlands im Kontext der Universalgeschichte: So wurde sein Konzept auch kritisiert und hat sich in den russischen Schulen in Lettland infolgedessen nur eingeschränkt durchgesetzt. Dieser Befund, so Bogojavlenska abschließend, ändere nichts an der bis heute ungebrochenen Aktualität von Vippers Gedanken über die Verbindungen zwischen National- und Universalgeschichte und seines Ansatzes, die Geschichte eines einzelnen Landes bzw. einer Nation in Zusammenhang mit der Allgemeinen Geschichte zu präsentieren.

Svetlana Koval’čuk verfolgt in ihrem Beitrag die Karrierewege von Robert Vipper und seines Sohnes, des Kunsthistorikers Boris Vipper, die während ihrer Tätigkeit an der Universität Lettlands parallel verliefen. Die Verfasserin schildert die Umstände der Einreise der Familie Vipper nach Lettland und ihrer Rückkehr in die Sowjetunion sowie ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen in Riga. Es werden die Hintergründe der zahlreichen Publikationen von Robert Vipper aufgezeigt, die zum Teil Neuauflagen oder lettische Übersetzungen früherer, ursprünglich in Russland veröffentlichter Arbeiten waren, zum Teil aus seiner in Riga durchgeführten Forschungstätigkeit resultierten und Erstveröffentlichungen darstellten. Koval’čuk erklärt, auf welche Weise und warum Robert Vipper sich erfolgreich in das lokale akademische Milieu integrieren konnte bzw. sich integrieren ließ. Wie sein Vater bemühte sich auch Boris Vipper konsequent darum, die Verbindung zwischen den lokalen Erscheinungen und der europäischen Tendenzen hervorzuheben und hat mit seiner Arbeit einen eigenen Beitrag zur nationalen Kunstgeschichte Lettlands während der wichtigen Phase ihrer Entstehung geleistet.

Die Verfasserin und die Autoren der drei folgenden Beiträge konzentrieren sich vornehmlich auf die sowjetische Zeit im Leben Roberts Vippers. Antonina Šarova setzt sich mit Robert Vipper als singulärem Phänomen in der sowjetischen Geschichtsschreibung auseinander: Beispiellos war nicht nur seine triumphale Rückkehr aus dem „bourgeoisen“ Ausland in die bolschewistische Sowjetunion, präzedenzlos waren auch die Posten und Auszeichnungen, mit denen der greise, einst aus dem Land gedrängte Historiker trotz seiner aus sowjetischer Sicht umstrittenen Vergangenheit nun versehen wurde. Die Eingliederung Vippers in die sowjetische Realität und ihre streng kontrollierte Wissenschaftswelt ging nicht reibungslos vonstatten. Šarova arbeitet heraus, dass der Historiker ständig zwischen dem Ethos eines Gelehrten und den Kompromissen manövrieren musste, zu denen ihn die dogmatische Ideologie zwang.

Dmitrij Volodichin vergleicht die Darstellung und Bewertung der Moskauer Herrscher Ivans III., Ivans IV. sowie Stephan Báthorys, des Königs von Polen und Großfürsten von Litauen, in Vippers international wohl bekanntestem Werk – seiner Monographie über Ivan Groznyj, deren erste Auflage kurz vor der Abreise des Verfassers nach Lettland im Jahre 1922 erschien und der Neuauflagen nach seiner Rückkehr nach Sowjetrussland 1942 und 1944 folgten. Die jeweilige Präsentation der drei Herrscher bringt Volodichin in Verbindung mit den Erkenntnissen des „neuen Idealismus“ – einer Methode der Geschichtsforschung, in deren Rahmen historischen Ereignissen sowie der Rolle historischer Persönlichkeiten maßgebliche Bedeutung zugemessen wird und mit der Vipper um die Wende der 1920er Jahre die Kollegen provoziert hatte, die sich dem historischen Materialismus und marxistisch-leninistischen Positionen verpflichtet fühlten. Ein knapper Vergleich der ersten Fassung mit den weiteren Ausgaben des Buches führt Volodichin zur Schlussfolgerung, dass die während der Stalin-Diktatur überarbeiteten Versionen ein Bild von Ivan Groznyj vermitteln, welches eng mit dem Personenkult um Stalin korrespondierte. Die Erstausgabe des Textes sei nach Ansicht Volodichins hingegen „ein Instrument zur Bekämpfung der marxistischen ideologischen Dominanz in der russischen Geschichtswissenschaft jener Zeit“ gewesen.

Details

Seiten
342
Erscheinungsjahr
2024
ISBN (PDF)
9783631918302
ISBN (ePUB)
9783631918319
ISBN (Hardcover)
9783631918296
DOI
10.3726/b21790
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2024 (Juni)
Schlagworte
Baltikum Geschichtsdidaktik Universalgeschichte Geschichtstheorie Nationalgeschichtsschreibung Sowjetunion Russland Lettland Livland Kirchengeschichte Akademiemitglied Zwischenkriegszeit Neuzeit Mittelalter Antike Agrargeschichte
Erschienen
Berlin, Bruxelles, Chennai, Lausanne, New York, Oxford 2024. 342 pp.
Produktsicherheit
Peter Lang Group AG

Biographische Angaben

Jan Kusber (Band-Herausgeber:in) Ilgvars Misāns (Band-Herausgeber:in) Maike Sach (Band-Herausgeber:in)

Jan Kusber ist Professor und Leiter des Arbeitsbereiches Osteuropäische Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ilgvars Misāns war Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Lettlands in Riga. Maike Sach ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Osteuropäische Geschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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Titel: Die drei Leben eines Historikers